Am Donnerstag startet die EuroBasket 2022 in Deutschland. Mit dabei ist auch Per Günther, der für MagentaSport als Experte die Spiele begleitet. Im Interview mit SPOX spricht der Ex-Nationalspieler über die holprige Vorbereitung des DBB-Teams und schätzt die deutschen Chancen in der Todesgruppe B ein.
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Außerdem verrät der frühere Point Guard von ratiopharm Ulm, wer seiner Meinung nach die Gewinner der Vorbereitung waren, bricht eine Lanze für Dennis Schröder und schätzt ein, wann die EuroBasket für die deutsche Mannschaft ein Erfolg sein kann.
Herr Günther, gute drei Monate ist Ihr letztes Spiel nun her. Wie ist das Leben?
Günther: Ich habe mich erst einmal entspannt. Natürlich gab es viel zu tun, aber ich habe viel auf die lange Bank geschoben. Wir sind inzwischen mit der Familie von Ulm nach Hamburg gezogen. Der Abschied ist mir mental leichter gefallen, als ich und mein Umfeld das erwartet hatten. Ich war selbst überrascht, wie entspannt ich war.
Parallel dazu haben die BBL-Teams ihre Vorbereitungen aufgenommen. Kribbelt es dann nicht doch noch ein bisschen?
Günther: Thomas Stoll (Geschäftsführer bei ratiopharm Ulm, Anm. d. Red.) hat am ersten Tag der neuen Vorbereitung ein Bild gepostet, da musste ich schon schlucken. Du siehst da, wie die Mannschaft im Kreis steht und du weißt ganz genau, wie das abläuft. Ich habe das 14 Jahre mitgemacht und plötzlich bin ich nicht mehr dabei. Das war ein echter Reality Check für mich, auch weil es der Tag war, als ich für MagentaSport das Spiel gegen Tschechien kommentiert habe. Für mich war das der Moment, als ich wirklich gemerkt habe, dass es vorbei ist. Du bist jetzt der Vogel, der im Hemd an der Seitenlinie steht. Das hatte etwas Finales, davor hat es sich eher wie eine ganz normale Sommerpause angefühlt. Mir geht es dennoch gut. Es war keine knappe Entscheidung, ich musste nicht mit mir ringen. Es war eine klare Sache und ich hatte ein gutes Gefühl dabei.
Sie werden die EuroBasket als Experte bei MagentaSport begleiten. Hatten Sie schon im Vorfeld Pläne für die Zeit danach geschmiedet oder haben Sie das alles mehr auf sich zukommen lassen?
Günther: Die EuroBasket ist zunächst einmal ein singuläres Event, da kann ich schauen, ob es das ist, was ich in Zukunft machen möchte. Ich hatte das immer im Hinterkopf, weil ich Spaß dabei habe, über Basketball zu sprechen. Ich habe das Gefühl, dass in Deutschland mehr Breite und Tiefe vorhanden ist, wenn es um Berichterstattung über Basketball geht. Es gibt viele Podcasts und überhaupt mehr Möglichkeiten, Content zu produzieren. Ich bin gerne ein Teil davon. Du bist in der Halle, siehst bekannte Gesichter. Ansonsten wäre es für mich ein kalter Entzug nach all den Jahren. Umso besser, dass nun dieses riesige Event ansteht und es für mich geklappt hat. Ich bin richtig heiß und hätte sonst die Leute, die mir einen Job gegeben haben, wegen Tickets angehauen. Jetzt habe ich diese neue Aufgabe, werde mich da voll reinstürzen und habe auch Lust, das nach dem Turnier weiterzumachen. Das Schöne dabei ist, dass man trotzdem genug Platz hat, um nebenbei noch andere Dinge zu verfolgen. Wie das dann aussehen wird, weiß ich selbst aber noch nicht.
imago imagesWas wollen Sie denn für ein Experte sein? Der Spagat aus Nähe und Distanz ist kein leichter. Ein gutes Beispiel ist Bastian Schweinsteiger im Fußball, der eher zeigt, wie es nicht geht. Sie haben ja auch noch mit einigen zusammen gespielt ...
Günther: Dieses Kumpelige mag ich persönlich nicht, da sind Geschmäcker aber verschieden. Es wird sicher passieren, dass mir mal die Spitz- oder Kosenamen rausrutschen, weil ich mit einigen weiter gut befreundet bin. Ich werde aber nicht nur hart drauf knüppeln. Tendenziell bin ich eher pro Spieler, weil man als Ex-Spieler die Herausforderungen kennt und weiß, wie schwierig manche Momente sind, obwohl das von außen nicht sichtbar ist. Es ist wirklich ein Spagat. Als Beispiel. Ich habe noch gegen Maodo gespielt und der hat mir 25 Punkte eingeschenkt und ich habe es auf zwei Zähler gebracht. Und nun paar Wochen später stelle ich mich da hin und sage: 'Oh, das ist aber ein schwaches Spiel von Maodo heute.' Das hätte einen Beigeschmack für mich. Trotzdem will ich niemandem zuhören, der bewusst Dinge weglässt. Wenn es ein Scheiß-Turnier ist, einer der Spieler weit von seinem eigentlichen Niveau entfernt ist oder sich nicht entsprechend verhält, dann will ich als Fan das hören. Und wenn der Experte das nicht sagt, will ich ihm nicht zuhören. Man muss das abdecken, was für den Zuschauer interessant ist und da gehören negative Dinge dazu.
Davon gab es in der DBB-Vorbereitung auch wieder einige Dinge. Verletzungen, Absagen, es war mal wieder etwas chaotisch, wenn auch mit einem positiven Abschluss durch den Sieg gegen Slowenien. Wo steht das Team Ihrer Meinung nach vor dem Auftakt?
Günther: Chaotisch trifft es ganz gut, wobei man feststellen kann, dass der DBB in diesem Jahr einen etwas anderen Ansatz gewählt hat. 'Commitment' war vermutlich das Wort des Sommers und wenn die Spieler nicht frühzeitig kommuniziert haben, ob sie dabei sein wollen oder nicht, selbst wenn es kleinere Verletzungen gab, dann waren sie keine Option mehr. Der Verband hat Abstand davon genommen, dass die besten Spieler kommen und gehen, wenn es ihnen passt. Ich halte das für den richtigen Ansatz, da es die Nationalmannschaft aufwertet. Es ist ein schwieriges Machtgefüge, schließlich bezahlt der Verband die Spieler nicht. Gleichzeitig ist der DBB auf die Spieler angewiesen, weil sie Tickets verkaufen und Spiele gewinnen wollen. Das ist im Verein anders. Da spielst du einfach nicht und kriegst eine Geldstrafe. Der Verband kann die Spieler nicht kontrollieren. Und wenn der DBB nun sagt, dass die Spieler von Anfang an dabei sein und die Dinge, die vielleicht nicht so viel Spaß machen, mitmachen müssen, finde ich das nicht schlecht. Das mag unglücklich aussehen, weil der Kader auf den großen Positionen nun so dünn ist, weil man dachte, dass es dort sieben, acht starke Optionen gibt. Jetzt sind es nur noch zwei oder drei und mit Jonas Wohlfarth-Bottermann ist einer dabei, den kaum einer auf der Rechnung hatte. Das ist schade.
Und wie sehen Sie es von der sportlichen Seite?
Günther: Von den Ergebnissen hat man sich in der Öffentlichkeit zu sehr mitreißen lassen. Die Wahrheit liegt da in der Mitte. Gegen die Niederlande, Schweden und Belgien war das nicht toll, aber zwei dieser Teams sind bei dieser EuroBasket dabei und trotzdem wurde gewonnen. Dazu die Niederlage gegen Serbien, bei der sowohl Schröder als auch Theis gefehlt haben und Nick Weiler-Babb sein erstes Länderspiel gemacht hat. Da darf man nicht überreagieren. Gleiches gilt für das Spiel gegen Slowenien, wenn der Europameister mit 20 Punkten geschlagen wird. Deutschland hat eine gute Mannschaft und wahnsinning viel Qualität, auch wenn der eine oder andere fehlt.
Gegen Slowenien waren vor allem die Bigs das große Thema, darauf hatte der Europameister keine Antwort. Wie stehen sie der Formation mit zwei Bigs gegenüber, auch mit dem Hintergrund, dass der Bundestrainer fast ausschließlich so spielte? Small-Ball-Alternativen wären schließlich da.
Günther: Ich bin ein Fan von kleineren Lineups und es ist auch nicht so, dass Gordie Herbert nicht wüsste, was Small Ball ist und wie man seine Gegner mit solchen Aufstellungen vor Probleme stellen könnte. Er ist aber der Trainer, er hat seine Marschroute und nach dem Turnier wird er sich daran messen lassen müssen. Ich würde gerne Niels Giffey auf der Vier sehen, weil er als Small Forward auch Pick'n'Rolls laufen muss und manchmal etwas verloren aussieht. Auf der Vier würde er ganz andere Looks bekommen und würde sich mit Franz Wagner toll ergänzen. So bekommst du Shooting aufs Feld, erst recht wenn Joe Voigtmann den Center gibt. Ich glaube, dass dies das beste Lineup wäre. Wir müssen nur auf unsere Gruppengegner wie Frankreich oder Litauen schauen, die eher schwerfällige Vierer haben, wodurch dieses Lineup durch Pick'n'Pops gute Würfe kreieren kann. Das ist gerade gegen Frankreich wichtig, wenn da ein Rudy Gobert in der Zone steht, der Dennis und Franz das Leben schwer machen wird. Du musst in solchen Spielen viel Shooting auf dem Feld haben.
War es ein Fehler, dass dies in der Vorbereitung nicht häufiger probiert wurde?
Günther: Ich hätte sehr gerne mehr Minuten mit kleinen Lineups gesehen, sporadisch gab es das ja. Ich erinnere mich an das erste Spiel gegen Belgien oder im vierten Viertel gegen Slowenien. Es bringt dem deutschen Spiel mehr Variabilität, aber es kann sein, dass der Bundestrainer seiner Mannschaft es schlichtweg zutraut, dass sie im Verlaufe eines Turniers das schnell umsetzen können, wenn Herbert es von ihnen verlangt. Oder er sagt, dass er es nicht spielt und dann muss er schauen, dass er mit seinen beiden Bigs erfolgreich spielen kann.
Blendet der Sieg gegen Slowenien in dieser Hinsicht ein wenig?
Günther: Der Sieg kann das Bild verzerren, gleiches gilt aber auch für die Supercup-Pleite gegen Serbien mit 25 Punkten. Das muss nicht schlecht sein. Positive Verzerrung ist mir wesentlich lieber. Hätte man noch gegen die USA ohne NBA-Spieler mit 30 gewonnen, auch das nehme ich. Es ist doch schön, wenn die deutschen Fans eine gute Meinung von ihrem Team haben. Dann sind die Hallen voll, dann schalten mehr Leute ein. Der Sieg gegen Slowenien war ein schönes Signal, medial wird positiv berichtet. Selbst wenn jetzt Slowenien am Limit gespielt hätte und mit 10 Punkten gewonnen hätte, wäre das vielleicht für die Basketball-Nerds aussagekräftiger gewesen, aber für das große Ganze im Hinblick auf das Turnier wäre es schlechter gewesen. Beim DBB wird man dieses Ergebnis richtig einschätzen, da mache ich mir keine Sorgen und wenn jetzt mehr Fans denken, dass bei diesem Turnier vieles möglich ist, dann umso besser.
Wer hat Sie in der Vorbereitung positiv überrascht?
Günther: Franz muss natürlich hier die Antwort sein. Dass er das alles so gut umsetzt, wie man sich das vorher erhofft hat, ist toll. Mit diesem Mix aus europäischen und amerikanischen Spiel fällt er sofort auf. Bei Orlando hatten sie viele Verletzungen und deswegen durfte er da wahnsinnig viel machen. Das war aber keine Garantie, dass er auch bei FIBA-Spielen sofort daran anknüpfen und so dominant aufspielen kann. Ansonsten möchte ich noch Jonas Wohlfarth-Bottermann nennen, der eine undankbare Aufgabe hat. Von überall heißt es: 'Jetzt muss WoBo spielen, wir wünschen uns lieber einen der anderen acht Bigs, die abgesagt haben'. Das ist für einen Spieler sehr unangenehm und macht keinen Spaß, wenn man das Gefühl hat, dass die Leute einen gar nicht sehen wollen und denken, dass du zwei, drei Klassen schlechter als die anderen Spieler bist. Er hat das dennoch super gemacht. Andi Obst gefällt mir auch. Der wird gegen Slowenien für Nick Weiler-Babb, ein Spieler, der erst kurz dabei ist, auf die Bank gesetzt und liefert dann so ab. Werfer können auf sowas sensibel reagieren, wenn man sich Stereotypen bedienen möchte. Und dann kommt er rein und tritt so selbstbewusst auf.
Bei Andi Obst gehe ich voll mit, der sollte meiner Meinung nach neben Dennis Schröder starten. Aber kommen wir noch einmal zu Franz Wagner zurück. Einen Forward, der scoren, kreieren und verteidigen kann, gab es wohl seit Ademola Okulaja nicht mehr. Ist er das, was dem DBB so lange gefehlt hat?
Günther: Bei anderen Teams haben sicher mehrere Dinge gefehlt, aber es stimmt schon. Franz ist ein Geschenk für die Nationalmannschaft. Ich hoffe, dass er diese Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit behält. Und wie ich schon gesagt habe: Er könnte auch auf der Vier spielen, wo er noch mehr Räume hätte. Dass er auf Small Forward schon so dominant auftritt, das ist sehr erstaunlich und schließt ein Loch im Team, welches sehr lange da war.
Durch die Präsenz von Wagner profitiert vor allem Dennis Schröder, der nicht mehr die komplette Last schultern muss. Nehmen wir mal das Slowenien-Spiel, da sah Schröder sehr reif aus und fand die richtige Balance. Was sagt der Point Guard in Ihnen dazu?
Günther: Das ist ein bisschen Huhn und Ei. Was war zuerst? Dennis hat jetzt eine Mannschaft, bei der er nicht mehr das Gefühl hat, dass er alles machen muss. Natürlich gab es in der Vorbereitung Momente, vor allem in zweiten Halbzeiten oder vierten Vierteln, wo man gemerkt hat, dass er zu sich sagte: 'So, das sind jetzt meine fünf Minuten'. Da hat er fünf Abschlüsse in Folge genommen oder durch seine Penetration Würfe kreiert. Es ist wichtig, dass er sich das beibehält. Es bleibt die Gefahr, dass Franz mit 21 Jahren oder allgemein die Halfcourt-Offense in einem vierten Viertel mal wackeln kann. Da gibt es dann mal keine Offball-Screens oder gezogene Freiwürfe. Deswegen ist die Brechstange von Dennis immer eine Option.
gettyTrotzdem ist es für das deutsche Spiel doch gut, wenn dies etwas dosierter eingesetzt wird.
Günther: Ich hatte das Gefühl, auch in den Phasen, in denen er viel Kritik einstecken musste, dass er so viel selbst gemacht hat, weil er dachte, dass es sonst keiner macht. Dazu waren seine besten Mitspieler auf dem Feld meist eher Rollenspieler und er wusste vielleicht nicht, wie er aus dem Fluss der Offense ihnen gute Würfe geben konnte. Da kann man ihm keinen großen Vorwurf machen. Jetzt ist es dafür umso besser und es ist schon lustig, wenn Michael Körner beim Slowenien-Spiel fordert, dass wir ein bisschen mehr Dennis gebrauchen könnten. Das hat er die letzten Jahre nicht gesagt. Das kann man als Lob für Dennis verstehen, auch wenn ich nicht glaube, dass er sich großartig verändert hat. Wenn die Mannschaft ihn als Scorer nicht braucht, dann scort er einfach nicht und gibt den Ball ab. Früher war das nicht anders, aber jetzt ist es ein anderes Gefühl. Er verteidigt hart und ist topfit, dafür sollte er definitiv seinen Respekt bekommen.
Das ist der Knackpunkt. Erinnern wir uns vor allem an die Kritik an seiner Defense vor drei Jahren, unter anderem in jenem Spiel gegen die Dominikanische Republik, welches das deutsche Aus besiegelte.
Günther: Wenn du 20- bis 30-mal zum Drive ansetzt, dabei Fouls ziehst und jede Verteidigung sich nur auf dich konzentriert, dann kostet das Kraft. Er hat er auch damals schon auf einem hohen Niveau verteidigt. Wenn ein gegnerischer Guard heiß läuft, dann wird Dennis hin und wieder auch die Herausforderung annehmen und ihn checken. Im Post nimmt er es sehr persönlich, wenn Gegner es dort versuchen. Was seine Defense angeht, mache ich mir bei der EM keine Sorgen.
Sorgen macht eher der Blick auf die deutsche Gruppe. Frankreich, Litauen und Slowenien sind Mitfavoriten, selbst Bosnien sollte spätestens nach dem Sieg gegen Frankreich nicht unterschätzt werden. Selbst Platz vier ist keine Selbstverständlichkeit.
Günther: Das sehe ich auch so. Ich habe Bauchschmerzen damit, wenn Bosnien und Ungarn in einen Sack geschmissen werden und vereinfacht davon gesprochen wird, dass es drei starke Gegner und zwei Teams gibt, die du schlagen musst. Klar, wenn du weiterkommen willst, musst du Bosnien und Ungarn schlagen. Trotzdem gibt es zwischen Bosnien und Ungarn noch einmal einen deutlichen Qualitätsunterschied. Und selbst die Ungarn haben zuletzt gegen Litauen in der WM-Quali lange gut mitgehalten (Das Spiel ging 88:78 für Litauen aus; Anm. d. Red.). In einem Turnierspiel können viele Dinge passieren und natürlich kann auch Bosnien das DBB-Team schlagen, wenn viele Dinge schiefgehen. Ein Gegner kann heißlaufen und du triffst mal gar nichts. Wenn Deutschland hart verteidigt und ehrlich spielt, dann wird man Ungarn schlagen und gegen Bosnien eine gute Chance haben. Gehen wir mal davon aus, dass Deutschland gegen Frankreich verliert, dann ist der Druck im zweiten Spiel gegen Bosnien bereits enorm. Leicht wird das nicht.
Das wollen wir mal nicht hoffen ...
Günther: So gefährlich ich die Bosnier sehe, denke ich auch, dass Deutschland zumindest eines der großen drei Teams schlagen wird. Ich bin auch der Meinung, dass Slowenien, unabhängig vom Spiel am Sonntag, von den Matchups her am besten passt, weil sie keine echte Antwort auf Dennis oder Maodo in der Defense haben. Ähnlich sehe ich das mit Litauen, hier rechne ich uns auch Chancen aus.
Und wie sieht es zum Auftakt gegen Frankreich aus? Was muss das DBB-Team tun, um die Equipe Tricolore in Nöte zu bringen? Wir erinnern uns zurück, vor drei Jahren war auch Frankreich der Auftaktgegner und wurde in der ersten Halbzeit komplett überrumpelt. Die Franzosen haben auch Ausfälle, aber die Achse Fournier-Gobert ist wieder mit dabei.
Günther: Das Gerüst der Franzosen steht, aber es gibt auch positive Ansätze. Die goldene Defense-Regel lautet, dass die beste Verteidigung nur so gut ist wie ihr schwächstes Glied. Es wäre noch unangenehmer für Dennis, wenn Frank Ntilikina oder ein topfitter Andrew Albicy das ganze Spiel an ihm kleben würdeN. Albicy ist zwar dabei, aber ich glaube noch nicht voll auf der Höhe und nicht mehr einer der besten Ballverteidiger, der er vor drei Jahren war. Ich habe im EuroCup auch einige Male gegen ihn gespielt und das war sehr unangenehm und keine schöne Erfahrung.
Dennis kann davon ein Lied singen. Keiner machte es bei der WM gegen Schröder so gut wie Albicy.
Günther: Das ist eine Kombination, die richtig wehtut. Da ist ein Gegner ist, der Dennis zumindest stören und ihn auch einmal vor sich halten kann und dann kommt danach ein Ntilikina, der so lang ist, dass er Dennis auch von hinten bei seinen Mitteldistanzwürfen stören und mit seinen Armen die Pässe im Pick'n'Roll schwerer machen kann. Und dann steht da auch noch ein Rudy Gobert in der Zone, das ist für Dennis die schwerste Aufgabe, die es im europäischen Basketball gibt. Dieses Jahr ist das ein bisschen anders. Vielleicht spielt ein Thomas Heurtel 25 Minuten, dann ist da Evan Fournier, den du attackieren kannst. Es gibt also hier und da ein bisschen Tageslicht und ein, zwei Matchups, die vorteilhafter sind. Ein Vincent Pourier geht vielleicht nicht mit Voigtmann an die Dreierlinie. Diese erstickenden Lineups der Franzosen aus der Vergangenheit sind etwas geschwächt.
Unabhängig von Schröder. Was wird noch wichtig sein?
Günther: Es geht für Deutschland mit Offense los. Du musst die Ballverluste niedrig halten, um die einfachen Punkte der Franzosen zu limitieren. Sobald du mal zwei, drei Minuten hast, in denen es Live-Ball-Turnover gibt oder Abschlüsse überhastet genommen werden, kommen sie mit Timothee Luwawu-Cabarrot ins Laufen. Du kassierst einen 10:2- oder 14:4-Lauf und dann wird es richtig schwer. Ich sehe dennoch Chancen, weil wir mit Franz jemanden haben, der in seinem Matchup Vorteile haben wird und Dennis mehr Minuten gegen Heurtel sehen wird. So wird er mehr Freiräume und offene Drives in die Zone bekommen, wo er dann einfachere Lösungen für Pässe nach draußen bekommen wird. Und brauchst du einen dieser Tage, wo du ein paar Dinger triffst, so einfach ist das manchmal. Trotzdem: Frankreich hat mit seiner Athletik die beste Halbfeld-Defense im Turnier und Deutschland hat hin und wieder Probleme im Halbfeld. Das passt nicht so gut, aber man kann es sich schon so zurechtdrehen, dass es Möglichkeiten gibt.
Sind die Franzosen für Sie dann auch der Topfavorit auf den Titel?
Günther: Einen klaren Favoriten sehe ich nicht. Vom Gefühl her würde ich tatsächlich Frankreich sagen, aber in Sachen Shot Creation gibt es bei den Franzosen etwas Nachholbedarf. Das Bosnien-Spiel hat es angedeutet. Sie sind auf das Playmaking von Heurtel angewiesen und Fournier ist sehr streaky, das ist immer eine Gefahr. In einem solchen Format reicht schon eine Off-Night, wo er diese schweren Dinger mal nicht trifft. Da haben andere Teams deutlich mehr anzubieten. Wenn ich wetten müsste, würde ich die Serben nehmen. Die sind am breitesten aufgestellt und können auch mal den Post suchen und von dort kreieren. Vasilije Micic kann hohe Pick'n'Rolls laufen, sie sind am offensiven Brett stark und können defensiv auch sehr unangenehm sein. Das sind alles Komponenten, die helfen, Spiele zu gewinnen, auch wenn es mal nicht so gut läuft.
Abschließend: Bundestrainer Herbert hat eine Medaille als Ziel ausgerufen. Sollte es damit nicht klappen: Wann kann man für Sie von einem erfolgreichen Turnier aus deutscher Sicht sprechen?
Günther: Nach 2019 sind wir gebrannte Kinder, auch wenn die Qualifikation für Olympia im Vorjahr eine kleine Erfolgsgeschichte war. Wenn man jetzt nur mit Siegen gegen Bosnien und Ungarn ins Achtelfinale stolpert, dann ist das zu wenig. Der Einzug ins Viertelfinale wäre dagegen schon ein Erfolg. Du schaffst es aus der Gruppe, schlägst dabei einen der großen Drei, gewinnst die beiden anderen Partien gegen die "Kleinen" souverän und gewinnst eines der Überkreuzspiele nach der Gruppenphase. Danach gibt es vielleicht noch ein geiles Spiel im Viertelfinale. Das wäre ein gutes Signal für die Zukunft. Franz ist 21 geworden, Dennis wird noch drei, vier Jahre auf hohem Niveau spielen. Natürlich wird oft von zukünftigen Generationen gesprochen, aber wenn Deutschland jetzt mit einem guten Turnier die Leute abholt und diese dann Bock auf die Nationalmannschaft haben, dann ist zumindest ein Teilerfolg. Dafür musst du aber nach Berlin und zumindest ein K.o.-Spiel gewinnen.
DBB: Die Spiele in der Gruppenphase bei der EuroBasket
Datum | Uhrzeit | Gegner |
1. September | 20.30 Uhr | Frankreich |
3. September | 14.30 Uhr | Bosnien-Herzegowina |
4. September | 14.30 Uhr | Litauen |
6. September | 20.30 Uhr | Slowenien |
7. September | 20.30 Uhr | Ungarn |