Ausdauer
Achtung, Pferdelungen-Alarm! Man kann nur immer wieder den Hut vor Stieglitz' Kondition ziehen. Der 32-Jährige ist für seine hohe Workrate geradezu berüchtigt. Die große Frage ist allerdings: Kann er ein Tempo wie im zweiten Duell mit Abraham, als er seinen Gegner in den ersten drei Runden quasi überrollte, über die komplette Distanz durchhalten? Zuzutrauen wäre es dem Konditionswunder auf jeden Fall.
Bei der Ausdauer des Weltmeisters kann Abraham nicht mithalten. Der gebürtige Armenier war seit jeher als fauler Hund verschrien und nimmt sich während eines Kampfes immer wieder seine Verschnaufpausen. Im Mittelgewicht glich er konditionelle Probleme gerade in den letzten Runden häufig mit seinem Kämpferherz aus, das er im Super-Mittelgewicht meist vermissen ließ. SPOX-Urteil: Vorteil Stieglitz
Körperliche Verfassung
Stieglitz ist zwar fünf Zentimeter größer als sein Gegenüber (1,80 m zu 1,75 m). Da er aber meist aus einer geduckten Haltung heraus agiert, spielt dieser Vorteil im Endeffekt kaum eine Rolle.
Interessanter wird die Angelegenheit bei der Reichweite - und zwar zugunsten von Abraham (183 cm zu 175 cm). Das dürfte dem Herausforderer in die Karten spielen, denn die Vergangenheit hat gezeigt, dass King Arthur enorme Probleme mit Gegnern bekommt, die eine größere Reichweite aufweisen. Gerade Froch und Dirrell haben einst davon profitiert. Allerdings überbrückt Stieglitz oftmals schnell die Distanz und könnte diese Nachteile dadurch ausgleichen.
Für einen kleinen Skandal sorgte das Wiegen. Zweimal zeigte die Waage bei Abraham 76,5 kg an - und damit 300 Gramm zu schwer. Erst im dritten Anlauf tauchten die geforderten 76,2 kg auf (im Übrigen wie bei Stieglitz). Des Rätsels Lösung: Ein zuvor gewogener Boxer soll den Waageschlitten verstellt haben. Abraham ließ seinem Ärger gegenüber "Bild.de" trotzdem freien Lauf: "Eine Frechheit. Die haben an der Waage was gemacht. Ich habe es gesehen. Unsportlichkeit sondergleichen." SPOX-Urteil: Unentschieden
Fähigkeiten
Nach seiner Überfall-Taktik im zweiten Duell darf man gespannt sein, was das Duo Stieglitz/Dzemski diesmal ausgeheckt hat. Ein zweites Mal dürfte Abraham darauf schließlich nicht reinfallen.
Das Erfolgsrezept könnte aber auch diesmal sein, Abraham an die Seile zu drängen und ihn mit Schlagsalven einzudecken, damit der Herausforderer gar nicht auf die Idee kommt, Stieglitz' durchaus offene Deckung - gerade kurz vor dem Jab - anzugreifen, und im Laufe des Kampfes die Lust verliert. Rein technisch gesehen hat Stieglitz sowieso die Nase vorne, zudem agiert er in der Offensive schlicht variabler als sein Gegenüber.
Bei Abraham lässt sich die Frage nach der Taktik schon schwerer beantworten. Schließlich weiß man nie, welcher King Arthur den Ring betritt: Der gute Abraham aus dem ersten Duell mit Stieglitz, der wie zu besten Mittelgewichts-Zeiten offensiv und explosiv agiert und Stieglitz' kaum vorhandene Kopfbewegungen eiskalt ausnutzt. Oder der böse Abraham aus den letzten Kämpfen, der sich hinter seiner Doppeldeckung verschanzt, Treffer wie Zitronenbonbons schluckt und meistens viel zu lange in dieser Passivität verharrt. SPOX-Urteil: Vorteil Stieglitz
Mentale Stärke
Es geht um Abrahams sportliche Zukunft. Mal wieder. Für den Herausforderer keine neue Situation, der Sauerland-Schützling sollte mit diesem Druck also umgehen können, auch wenn die Reaktionen beim Wiegen auf etwas Anderes schließen könnten. Allerdings tendiert Abraham dazu, den Kopf in den Sand zu stecken, wenn er nicht gut in den Kampf reinkommt.
Das kann man von Stieglitz nicht sagen, der zudem vollends auf das Heimpublikum setzen kann. "Natürlich entscheiden immer noch die Boxer im Ring über das Ergebnis. Aber die Unterstützung der Fans kann ein entscheidender Faktor sein. Dass der Kampf in Magdeburg stattfindet, ist schon so etwas wie der erste Punktsieg", betont Promoter Ulf Steinforth gegenüber SPOX.
Zudem spricht die Geschichte für den Weltmeister. Bei den legendären Trilogien zwischen Muhammad Ali und Joe Frazier, Ali und Ken Norton oder Arturo Gatti und Micky Ward gewann immer derjenige den dritten Kampf, der auch im zweiten siegreich war. SPOX-Urteil: Vorteil Stieglitz
Fazit
Eine ausverkaufte Halle mit 7.500 Zuschauern, TV-Übertragungen in über 76 Länder, sogar in acht Kinos wird der Kampf gezeigt. "Das ist Champions League", so Kalle Sauerland. Das mag ein bisschen übertrieben klingen, dennoch ist das dritte Duell zwischen Stieglitz und Abraham ein echtes Rubber Match - mit total offenem Ausgang.
Viel wird darauf ankommen, in welcher physischen und vor allem psychischen Form Abraham in den Ring steigt. Kann er die Leistung aus dem ersten Aufeinandertreffen wiederholen, könnte es zum erneuten Titelgewinn reichen. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass Stieglitz' Monster-Workrate in seinem Wohnzimmer am Ende erneut den Ausschlag geben wird. SPOX-Urteil: Punktsieg Stieglitz