Boxen der Extraklasse steht auf dem Programm! Am Samstag kommt es in Cardiff zum WM-Fight im Schwergewicht zwischen Anthony Joshua und Joseph Parker (22.45 Uhr LIVE auf DAZN). Wer wird den Fight gewinnen und warum? Wird Joshua das Schwergewichtsboxen über Jahre dominieren? SPOX diskutiert im Panel mit DAZN-Kommentator Jan Platte, Attila Revada (Chefredakteur German Fight News), Elias Stefanescu (Chefredakteur Ground and Pound) und SPOX-Redakteur Felix Götz.
Seite 1: Joshua wird das Schwergewichtsboxen trotz Wilder auf Jahre dominieren
Joshua wird das Schwergewichtsboxen trotz Wilder auf Jahre dominieren
Attila Revada: Joshua boxt zwar intelligenter und ist vor allem talentierter, aber Wilder ist eine echte Rampensau, der den Ring in ein Schlachtfeld verwandeln kann. Also kurz gesagt: Nein! Auch weil noch ein oder zwei Kämpfer dazustoßen werden, die im Moment nur Experten auf dem Zettel haben.
Elias Stefanescu: Die Aussage ist gewagt, da ich denke, dass gerade Deontay Wilder durch seinen unorthodoxen Stil genau der Gegner ist, der das größte Potential hat, um Joshua zu besiegen. Zwar sah der Bronze Bomber nicht perfekt aus in seinem letzten Kampf. Er zeigte Schwächen, doch gleichzeitig bewies er ein riesiges Kämpferherz. Auch Joshua hat sich in seinem letzten Duell gegen Carlos Takam nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Der Kampf zwischen den beiden K.o.-Maschinen muss endlich folgen. Der Sieger wird das Schwergewichtsboxen vorerst regieren.
Jan Platte: Anders als Attila und Elias stimme ich dieser These zu. Das liegt daran, dass Joshua eine unglaubliche Energie hat und außerdem bringt er im Paket für mich am meisten mit von allen Boxern, die sich derzeit im Schwergewicht tummeln. Joshua ist außerdem lernwillig, hat eine gute bescheidene Art und er weiß genau, woran er noch arbeiten und wo er sich verbessern muss. Er ist für mich die dominante Figur - eben auch von seinem Auftreten her. In puncto Selbstbewusstsein steht Wilder AJ in überhaupt gar nichts nach, er ist aber, was das Boxerische betrifft, noch um einiges limitierter. Joshua hingegen ist einfach ein Naturtalent. Und für jemanden, der so spät zum Boxen gekommen ist, boxt er auch noch richtig gut. Er hat vor allem auch schon große Leute geboxt - wie Klitschko zum Beispiel. Ich traue Joshua vor allen Dingen zu, diese dominante Figur zu bleiben, weil er mit Schlaghärte, Feingefühl und Beweglichkeit einfach das beste Paket von allen hat.
Felix Götz: Ich bin bei dieser These ganz bei Jan. Und würde neben den genannten Stärken, die zweifelsohne Joshua und Wilder haben, auch ein besonderes Augenmerk auf die Persönlichkeit legen. Joshuas klarer Kopf, den er nach komplizierter Vergangenheit längst hat, wird ihm in der Zukunft enorm helfen. Er ist deswegen ja nicht weniger selbstbewusst als Wilder, der häufiger den Maulhelden heraushängen lässt. Wir alle wissen, wie schmal der Grat zwischen einem gesunden Selbstbewusstsein und einer Arroganz, die zu ungesunder Überheblichkeit führt, ist. Ich erinnere nur an folgendes Wilder-Zitat: "Floyd Mayweather werde ich ganz sicher überstrahlen." Vom Kopf her hat Joshua die besseren Voraussetzungen für eine langfristig große Karriere als Wilder.
Das Schwergewicht wird 2018 einen Unified Champion haben und davon profitieren
Jan Platte: Dass das Schwergewicht davon profitiert, wenn alle einen Kerl jagen, würde ich nicht sagen. Als die Gewichtsklasse so sehr von den Klitschkos dominiert wurde, war das Schwergewicht in einer schläfrigen Dämmerphase. Wir haben jetzt eine Situation, wie es sie lange nicht mehr gegeben hat. Da sind wieder ein paar mehr Typen mit Ambitionen, die auch berechtigt Lautsprecher sind und viele Facetten abdecken. Zuletzt haben wir mit Wilder gegen Luis Ortiz einen großartigen Kampf gesehen, der für vieles stand, was im Schwergewicht jetzt wiederkommt. Aber zunächst stellt sich ja die Frage, ob es überhaupt zum Fight zwischen Wilder und Joshua kommen wird. Fakt ist: Jeder will diesen Kampf sehen. Zunächst muss AJ aber mal gegen Parker gewinnen. Und dann müssen die finanziellen Interessen geklärt werden. Die Lager reden ja bereits miteinander, sind aber noch längst nicht einig.
Felix Götz: Zunächst einmal wäre es wirklich eine Schande, wenn es nicht zum Duell zwischen Joshua und Wilder kommen würde. Zu viele große Fights sind im Boxen in den vergangenen Jahren nicht zustande gekommen, weil es nur noch ums Geld ging oder man sich bewusst gegenseitig aus dem Weg ging. Joshua vs. Wilder ist schließlich der Fight, den alle sehen wollen. Aber unterschätzt mir den Parker nicht! Generell würde ich aber auch nicht sagen, dass das Schwergewichtsboxen massiv von einem Unified Champion profitieren würde. Für die mediale Aufmerksamkeit ist es viel mehr entscheidend, dass mehrere ernstzunehmende Kämpfer und echte Typen am Start sind und nicht so sehr, ob ein Fighter alle Titel hält. Es braucht mehrere Helden.
Attila Revada: Ich denke auch nicht, dass das Schwergewicht wirklich davon profitieren würde, falls Joshua alle Titel vereint. Boxen droht generell durch die Dominanz einzelner Kämpfer langweilig zu werden, so wie es vor einigen Jahren bei Wladimir Klitschko der Fall war. Ich persönlich kann auch zwei Jahre auf dieses vermeintliche Super-Duell warten, damit sich ein oder zwei starke Newcomer etablieren können und es eine Breite von Anwärtern gibt - so wie in den Neunzigern!
Elias Stefanescu: Wie Felix schon sagte ist das ohne Frage der Kampf, den die Fans sehen wollen und den die Boxwelt zu diesem Zeitpunkt auch braucht. Zwei der erfolgreichsten Schwergewichtler der letzten Jahre könnten die Königsklasse des Boxsports wieder interessant gestalten und mediale Aufmerksamkeit generieren. Allein die K.o.-Quote von Joshua und Wilder erinnert an die wilden 80er und 90er, in denen Athleten wie Larry Holmes, Mike Tyson, Evander Holyfield, Lennox Lewis oder Michael Moorer die Massen begeisterten. Dass die Titel dann vereinigt werden würden, macht den Gewinner umso legendärer.
Parkers einzige Siegchance ist ein Lucky Punch
Elias Stefanescu: Natürlich ist Joshua der haushohe Favorit. Allerdings ist auch Parker dafür bekannt, ein ordentliches Pfund zu schlagen. Das belegen seine zahlreichen Knockouts, in denen er sich übrigens nicht gescheut hat, auf bereits knieende Gegner einzuschlagen. Mit seiner frechen Art und den Kombinationen, die er leidenschaftlich gerne schlägt, dürfte er ein interessanter Gegner für Joshua werden. Im Schwergewichtsboxen reicht ja bekanntlich ein Schlag aus, um ein Duell zu entscheiden - somit hat Parker ganz klar die Punchers Chance, die ihm niemand abstreiten sollte.
Attila Revada: Wieder beantworte ich eure These mit einem entschiedenen Nein! Parker hat auch über die Runden eine Chance, zumindest wenn die Punktrichter mitspielen. Damit Parker gewinnen kann, muss er öfters in den Infight kommen, dann ist er extrem sehr gefährlich.
Felix Götz: Dass Joshua der Favorit ist, darüber brauchen wir uns nicht zu streiten. Und Sorry, Attila: Aber ich traue Parker keinen Sieg zu, wenn es über die volle Distanz geht. Ein Lucky Punch ist aber drin, dafür hat er die nötige schnelle Hand und die Power - auch wenn er das in seinen letzten drei Kämpfen, in denen er jeweils Punktsiege gelandet hat, nicht so zeigen konnte. Parker studiert Joshua schon seit vielen Jahren ganz genau und weiß, wo und wann er zuschlagen muss.
Jan Platte: Ich sehe das anders. Parker geht zum ersten Mal überhaupt als klarer Underdog in den Ring. Aber er hat sehr schnelle Hände, ist sehr beweglich und seit seinem vierten Lebensjahr mit den Handschuhen im Ring unterwegs. Parker ist einfach ein natürlicher Kämpfer. 2017 hat er nicht besonders gut geboxt, das stimmt - und das sagt er auch selbst. Jetzt spricht er aber vom besten Trainingscamp seines Lebens, welches er in Las Vegas absolviert hat. Er ist hochzufrieden mit der Vorbereitung. Wenn für ihn alles optimal läuft, er sich sehr gut bewegt und das taktisch klug macht gegen Joshua, und wenn der womöglich nicht seinen besten Tag erwischt, dann sehe ich durchaus die Möglichkeit, dass Parker den Kampf auch nach Punkten gewinnt. Dass er Joshua aber K.o. schlägt, glaube ich eher nicht.
Joshua wird wegen Parkers Eisen-Kinn auf Körpertreffer setzen
Jan Platte: Dass Joshua nur oder vor allem auf Körpertreffer setzt, glaube ich nicht. So gut Parkers Kinn auch ist, darf er sich definitiv nicht so aufstellen wie 2017 gegen Carlos Takam, als er unheimlich viel gefangen hat. Wenn Parker sich gegen Joshua so offen zeigt, bekommt er so harte Dinger verpasst, dass er nicht zwingend die ganze Zeit stehen bleibt. Denn jetzt steht er dem Typen gegenüber, der den meisten Schaden anrichten kann. Parker stand noch nie mit einem Kämpfer im Ring, der so eine Power hat. AJ hat außerdem einen Blick dafür, wo ein bisschen Platz ist, wie er dem Gegner die Luft nehmen und Wirkung erzielen kann. Das Gesamtpaket, das Joshua mit in den Ring nimmt, entscheidet über Erfolg oder Misserfolg. Es ist Quatsch zu sagen, dass Parker mit seinem Superkinn unbedingt zwölf Runden übersteht. Joshua kann Parker natürlich K.o. schlagen. AJ hat aber sicherlich im Hinterkopf, dass dieser Kampf länger dauern könnte, denn er geht so leicht in den Ring wie lange nicht.
Attila Revada: Jeder Gegner erfordert eine andere Taktik. Man darf nicht vergessen: Hier treffen zwei Puncher aufeinander! Joshua wird Kopf und Körper gleichermaßen anvisieren und schnell merken, woran er ist. Parker ist für einen Schwergewichtsboxer schnell auf den Beinen. Joshua hat gut 15 cm mehr Reichweite und wird sicherlich aus der Distanz agieren.
Elias Stefanescu: Da Parker wesentlich aktiver ist im Vergleich zu Takam, muss Joshua strategischer und ganz anders vorgehen als im letzten Duell. Auch schlägt Parker gerne mit, wartet auf Lücken und geht Risiken ein, wohlwissend, dass sein Kinn einiges wegstecken kann. Ob Joshua auf Körpertreffer bauen wird? Möglich. Ich gehe aber eher davon aus, dass er beweisen will, dass er einen Kämpfer von Parkers Kaliber ausknocken kann und auch auf Kopftreffer setzen wird.
Felix Götz: Geht Joshua den Fight taktisch so nüchtern an, wie es unter ähnlichen Voraussetzungen ein Klitschko wohl gemacht hätte? Oder will er, wie Elias sagt, ein echtes Kaliber erlegen? Schwer zu sagen. Ich tendiere aber eher dazu, dass Joshua im Zweifelsfall nicht das große Risiko eingeht, selbst einen schweren Treffer zu kassieren. Den Grund dafür habe ich vorhin schon einmal genannt: Joshua hat eine klare Birne.
Joshua vs. Parker - wer gewinnt den Kampf, wie und warum?
Attila Revada: Es werden zwei Systeme aufeinanderprallen. Parker ist der vermeintliche Außenseiter, Joshua ein nicht unbezwingbarer Favorit. Meine Prognose: 60:40 für Joshua, der es knapp nach Punkten machen wird. Allerdings, das ist meine Hoffnung, wird er ab der sechsten Runde viele Körner verschossen haben und er übersäuert schneller. Dann muss er einen Gang zurückschalten und ich hoffe, dass Parker die Welt schockiert und wir nach diesem Fight einen spannenden Dreikampf an der Weltspitze haben werden.
Felix Götz: Joshua wird taktisch dank der Leute um ihn herum wie bislang immer extrem gut vorbereitet sein und die besseren Voraussetzungen, die er nun einmal hat, ausnutzen. Ich mache es kurz: AJ schlägt Parker in einem richtig guten Fight einstimmig nach Punkten.
Elias Stefanescu: Man muss Joshua wie erwähnt als klaren Favoriten in diesem Kampf ansehen, alleine aufgrund der Qualität seiner bisherigen Gegner. Joshua hat ganz andere Kaliber vor die Fäuste bekommen als Parker und dabei eine gute Figur gemacht. Jetzt steht Parker seinem schwersten Gegner gegenüber und wird damit einem echten Härtetest unterzogen. Ich gehe davon aus, dass er sein Pulver früh verschießen wird und daraufhin von Joshua vorzeitig geschlagen wird. Taktisch und konditionell ist Joshua auf einem anderen Level, zudem haben seine Coaches stets den richtigen Gameplan für seine Gegner, an den sich der Brite hält - mit Erfolg, wie seine Bilanz zeigt.
Jan Platte: Joshua gewinnt ganz spät durch technischen K.o., in der zehnten oder elften Runde. Weil er mehr Power hat und dieses Niveau einfach kennt. Boxerisch und auch von der Größe des Events her. Für Parker ist das Neuland.