Anlässlich seines 50. Geburtstages am 9. November blickt Schulz im Interview mit SPOX auf seine aufregende Laufbahn zurück. Er spricht über seine Anfänge in der DDR, eine durch den Mauerfall versaute Party und seine legendären Duelle mit George Foreman, Francois Botha und Wladimir Klitschko.
SPOX: Herr Schulz, herzlichen Glückwunsch zum 50. Geburtstag. Bereitet Ihnen die Fünf vorne eigentlich schlaflose Nächte?
Axel Schulz: Gar nicht. Ich fühle mich genauso wie immer und ich werde meinen Geburtstag auch nicht wesentlich anders als andere Tage gestalten. Ich stehe gegen 6 Uhr auf, trinke wortlos Kaffee - und los geht's. Ich kenne es vom Sport her so: Wenn man feiert, muss man zuvor etwas geleistet haben. Ich habe nichts dafür getan, dass ich 50 geworden bin. Man müsste eher meiner Mutter danken, die leider schon verstorben ist - und das auch noch an einem 9. November. Auch das ist ein Grund, warum ich meinen Geburtstag grundsätzlich nicht feiern möchte. Meine Frau war ein bisschen zickig, als ich Ihr verklickert habe, dass wir auch zu meinem 50. keine Party schmeißen. (lacht) Wir gehen schön zusammen mit unseren beiden Töchtern essen, mehr nicht.
SPOX: Ist Ihr Geburtstag aufgrund des Todes Ihrer Mutter also eher ein Tag, an dem Sie sich mit der Endlichkeit beschäftigen?
Schulz: Die Endlichkeit ist für mich unabhängig von meinem Geburtstag mindestens schon seit 15 Jahren ein Thema. Manche meiner Freunde sind schon tot, die Einschläge kommen immer näher.
SPOX: Spielt dabei der Tod von Graciano Rocchigiani ebenfalls eine Rolle?
Schulz: Definitiv. Ich habe Gracianos Tod noch nicht verarbeitet, das dauert noch eine ganze Weile. Ich bin auch nicht zu seiner Beerdigung gefahren, weil ich es einfach nicht konnte. Ich kann es immer noch nicht glauben, dass er nicht mehr da ist. Wenn die Zeit reif ist, werde ich alleine an sein Grab gehen und mich verabschieden. Ich habe mit Friedhöfen allerdings meine Probleme. Ich war bei der Beerdigung meiner Mama, die an Krebs gestorben ist, und seither nie wieder an ihrem Grab. Es geht einfach nicht. Meine Mama ist wie Graciano mit 54 Jahren gestorben. Ich finde das ungerecht, das sind keine fertig gelebten Leben.
Axel Schulz über seine Anfänge in der DDR
SPOX: Es ist völlig unmöglich, nun einen akzeptablen Übergang hinzubekommen. Wir wollten eigentlich über Ihre Karriere sprechen.
Schulz: Vollkommen richtig, lassen Sie uns über andere Dinge reden. Was wollen Sie denn eigentlich wissen?
SPOX: Beispielsweise, wie Sie als 11-Jähriger zum Boxen gekommen sind?
Schulz: Ursprünglich wollte ich Fußballer werden und war mit sechs oder sieben Jahren auch in einem Verein. Es hat mir aber keinen Spaß gemacht, hinter einem Ball her zu rennen. Also ging ich zum Schwimmen. Doch das fand ich genauso doof wie anschließend meine Versuche in der Leichtathletik. Irgendwann nahm mich ein Freund mit zum Boxtraining. Er haute mir auf die Nase und ich dachte nur: 'Wow. Das möchte ich auch können.' Von da an habe ich immer mehr trainiert. Irgendwann war ich soweit, dass ich endlich Revanche nehmen und meinem Kumpel auf die Nase hauen konnte. (lacht)
SPOX: Auch Erfolge in Form von gewonnenen Meisterschaften haben sich schnell eingestellt. Inwiefern hat Ihnen das Sportsystem in der DDR dabei geholfen?
Schulz: Für mich war es ein Glück, in der DDR aufzuwachsen. Der Sport wurde gefördert und war nie eine finanzielle Frage. Meine alleinerziehende Mama musste sich also überhaupt keine Gedanken darüber machen, ob sie den Mitgliedsbeitrag bezahlen kann oder nicht. So konnte ich - wie eben angesprochen - verschiedene Sportarten kostenlos ausprobieren. Andernfalls hätte ich womöglich niemals zum Boxen gefunden. Mit 13 wurde ich schließlich erstmals DDR-Meister und in die Sportschule in Frankfurt an der Oder aufgenommen. Nach drei Jahren Schule sind von 18 Boxern zwei durchgekommen. Dirk Eigenbrodt, der später Europameister wurde, und ich. Als ich 17 war, wurde ich schließlich Junioreneuropameister in Kopenhagen.
Schulz: Seine Erfahrungen mit Ulli Wegner und Manfred Wolke
SPOX: Und zwar unter den Fittichen des legendären Trainers Ulli Wegner.
Schulz: Natürlich hat mein Stützpunkttrainer die meiste Arbeit verrichtet. Aber Ulli war sozusagen der Auswahltrainer, der mich in Dänemark betreut hat. Seine Ansprachen in der Ecke waren auch damals schon besonders. Er konnte die Dinge einfach deutlich rüberbringen.
SPOX: Wenn wir schon von Trainern sprechen, dürfen wir auf keinen Fall Manfred Wolke vergessen, dem Sie wohl am meisten zu verdanken haben.
Schulz: Richtig. Ohne Manfred Wolke hätte ich nie im Leben drei Mal um die WM und drei Mal um die EM gekämpft. Er hat mich 1988 mit 19 Jahren zum DDR-Meister der Männer im Schwergewicht gemacht. Ich wurde Zweiter bei der Männer-EM und holte Bronze bei der WM. Das waren damals in diesem jungen Alter schon besondere Erfolge.
Axel Schulz erinnert sich an den Mauerfall
SPOX: Am 9. November 1989, Ihrem 21. Geburtstag, änderte sich vieles. Wie haben Sie den Tag erlebt, an dem die Mauer fiel?
Schulz: Der Mauerfall hat mir den Geburtstag versaut. (lacht) Ich hatte damals in Frankfurt an der Oder eine Einzimmerwohnung, in der ich eine Geburtstagsparty geplant hatte. Das Problem war nur, dass fast keiner kam. Ich wunderte mich darüber, bis ich endlich den Fernseher einschaltete. Wir sahen, dass die Mauer auf ist - da waren auch die restlichen Gäste weg. Ich bin dann erst ein paar Tage später mit dem Zug nach Berlin gefahren, um mir das Begrüßungsgeld abzuholen. (lacht)
SPOX: Haben Sie den Mauerfall anfangs als Chance für sich selbst begriffen, oder waren die Geschehnisse eher ein Schock?
Schulz: Eines vorneweg: Ich bin dankbar, dass die Mauer gefallen ist. Damals war das aber weder eine Chance noch ein Schock für mich. Für mich hat sich nämlich eigentlich gar nicht so unglaublich viel geändert. Höchstens, dass es plötzlich die Möglichkeit gab, für 6.000 DM im Monat nach Leverkusen zu wechseln.
SPOX: Sie wollten aber bei ihrem Lieblingstrainer Wolke bleiben und wie Henry Maske Profi werden.
Schulz: Genau. Ich fragte Wolke, ob er mich auch als Profi trainieren würde. Er antwortete: 'Axel, keine Ahnung ob wir da Erfolg haben. Aber wir trainieren einfach wie die Schweine und dann schauen wir mal, ob das reicht.' Heute bin ich ihm unglaublich dankbar. Ganz wichtig dabei war übrigens, dass wir beide ein Angebot von Promoter Wilfried Sauerland bekommen haben. Ich bekam damals 2.000 DM im Monat. Der Plan war, es zwei Jahre zu versuchen. Falls ich dann nicht erfolgreich gewesen wäre, wollte ich als Mechaniker arbeiten, was ich in der DDR gelernt hatte.
SPOX: Welche Art von Mechaniker wären Sie denn geworden?
Schulz: Das kann man so genau auch nicht sagen. Das war in der DDR eine Ausbildung als Mechaniker für alles, glaube ich. (lacht) Später hätte ich wohl auch Fernseher reparieren können.
SPOX: Können Sie heute tatsächlich irgendwelche Dinge reparieren?
Schulz: Nö, das habe ich verlernt. Meine Frau hat mir mittlerweile sogar verboten, zu Hause auch nur irgendetwas Handwerkliches zu machen. Ich darf nicht mal Löcher bohren. (lacht)