Nobody Shura Kitata posierte schon strahlend für das Siegerfoto, als der große Eliud Kipchoge mit über einer Minute Rückstand schwer geschlagen endlich ins Ziel trudelte. Abgekämpft vom Regen, der Kälte und dem ungewohnten Gefühl der Niederlage blieb dem Olympiasieger, dem Weltrekordler, dem Superstar aus Kenia beim Geisterrennen in London sensationell nur Platz acht.
"Ich bin hierhergekommen, um zum fünften Mal in London zu gewinnen. Jetzt bin ich sehr enttäuscht", sagte Kipchoge, nachdem er erst zum zweiten Mal überhaupt in seiner Karriere die 42,195 km nicht als Erster beendet hatte. Und das ausgerechnet ziemlich genau ein Jahr nach seinem Wunderlauf von Wien, als der 35-Jährige unter Laborbedingungen als erster Mensch unter zwei Stunden (1:59:40) gerannt war.
Auch diesmal schien der Sieg für Kipchoge reserviert zu sein. Zumal sein Rivale Kenenisa Bekele, nach Kipchoge der zweitschnellste Marathon-Läufer der Geschichte, kurzfristig verletzungsbedingt abgesagt hatte. Doch dann kam beim Klassiker in London, der nur unter strengsten Hygieneauflagen und ohne Zuschauer durchgeführt werden konnte, alles ganz anders.
Kitata setzte sich bei widrigen Bedingungen nach einem Zielsprint in 2:05:41 Stunden mit nur einer Sekunde Vorsprung gegen Vincent Kipchumba (Kenia) durch. Dritter wurde Sisay Lemma aus Äthiopien in 2:05:45 Stunden.
"Ich bin überglücklich", sagte Kitata nach dem größten Erfolg seiner Karriere - der Äthiopier konnte wohl selbst kaum fassen, dass er Kipchoge wirklich geschlagen hatte. In dessen Heimat Eldoret, wo Hunderte Fans das Rennen bei einem Public Viewing auf einer riesigen Leinwand verfolgten, herrschte erst einmal Tristesse.
Kipchoge war nur einmal langsamer
Obwohl die Läufer auf dem abgesperrten Rundkurs durch den St. James's Park am Buckingham Palace ein Bummeltempo hinlegten, wirkte Kipchoge schnell nicht so souverän wie sonst immer. Er habe während des Rennens Probleme mit seinem rechten Ohr bekommen, berichtete Kipchoge hinterher. Er sei "verkrampft" gelaufen und etwas stimmte mit seiner Hüfte nicht, sagte er. "Es war kalt, aber ich schiebe es nicht auf die Bedingungen", sagte Kipchoge, der mit Handschuhen lief, andere Läufer trugen sogar Mützen.
Nur einmal lief Kipchoge einen Marathon langsamer als jetzt in London, wo er 2:06:49 Stunden benötigte. Und zwar bei seinem Olympiasieg 2016 in der Hitze von Rio. Damals sicherte er sich Gold nach 2:08:44 Stunden. Aber er werde "zurückkommen", versprach Kipchoge: "Ich habe noch viele Marathons in mir."
Auch der deutsche Rekordler Arne Gabius erlebte eine Enttäuschung. Der 39-Jährige blieb auf Rang 22 in 2:14:25 Stunden über der angepeilten Olympianorm von 2:11:30. Bei den Frauen gewann Kipchoges Landsfrau Brigid Kosgei. Die 26 Jahre alte Weltrekordlerin wiederholte ihren Triumph aus dem Vorjahr souverän in 2:18:58 Stunden.