Ihre geliebten Rucksackreisen sind für Malaika Mihambo derzeit ganz weit weg. Dass die Weitsprung-Weltmeisterin mit Proviant und Kleidung auf dem Rücken irgendwo auf der Welt in ein neues Abenteuer startete, liegt bereits mehr als ein Jahr zurück. Ihre Realität in Coronazeiten ist in aller Regel einsames Training. Ziele gibt es natürlich, doch die platzen gerne auch mal kurzfristig. "Leistungssport in der Pandemie ist ein wahrer Balanceakt", sagt Mihambo daher.
Am Samstag aber kann Deutschlands Sportlerin des Jahres endlich wieder einen großen Titel gewinnen. Die Hallen-Europameisterschaften im polnischen Torun stehen an, die ersten internationalen Titelkämpfe in der Leichtathletik seit ihrem Gold-Coup bei der WM in Doha 2019. Damals war Mihambo direkt aus Katar mit ihrem Rucksack zu einem mehrwöchigen Trip nach Thailand aufgebrochen. Die 27-Jährige liebt die Entschleunigung.
"Meine Urlaubsreisen fehlen mir", gab sie zuletzt im FAZ-Interview zu und geriet beim Gedanken an ihren jüngsten Trip nach Skandinavien geradezu ins Schwärmen. "Im März konnte ich noch von meinem Kurzurlaub in Finnland zehren, einer mehrtägigen Hundeschlitten-Tour. Wir haben Polarlichter gesehen. Wasser mussten wir aus dem zugefrorenen Inari-See holen. Die Hunde haben wir mit kiloweise halbaufgetautem Fleisch gefüttert. Das war auch körperlich anstrengend. Eine tolle Erfahrung."
Die Reisen zu Wettkämpfen hingegen empfand Mihambo als eher anstrengend, auch der Trip nach Polen war nicht gerade leicht. Die deutschen Athleten reisten aus Hygienegründen nicht per Flugzeug, sondern stundenlang über die Autobahn in PKWs an. In der Qualifikation am Freitag hatte Deutschlands Aushängeschild dann auch einige Probleme mit dem Anlauf. Mihambo benötigte alle drei Sprünge, qualifizierte sich mit 6,58 m aber letztlich für das Finale am Samstagabend (19.40 Uhr).
Malaika Mihambo: Olympia in Tokio ist das große Ziel
Die gebürtige Heidelbergerin geht als Mitfavoritin in den Wettkampf, auch wenn sie in dieser Saison noch auf einen Sieben-Meter-Sprung wartet. Ein Podestplatz würde ihr die erste Medaille bei einer EM oder WM unter dem Hallendach bescheren. Vor allem denkt sie in diesem Winter aber bereits an Olympia, die EM in Polen ist die letzte große Meisterschaft vor den Spielen in Tokio.
"Hier werden Leistungsspitzen gesetzt", sagte die Überfliegerin dem SWR. Eben diese seien "entscheidend, wenn man maximale Leistung im Sommer bei den Olympischen Spielen bringen will". Ihr konkretes Ziel sei eine Verbesserung ihrer Saisonbestweite. Die liegt bei 6,74 m.
Ob sie in fünf Monaten auch in Tokio wieder weit fliegen kann, ist angesichts der Corona-Lage aber völlig offen - und das zehrt an ihren Nerven. "Mit dieser Unsicherheit zu leben, ist das, was wir in der Pandemie lernen müssen", sagte Mihambo zuletzt dem Nachrichtenportal t-online. Sie würde sich impfen lassen, wenn es verlangt werde. Eine Bevorzugung gegenüber anderen lehnt sie jedoch ab.
Es gibt zweifellos viele offene Fragen mit Blick auf den Sommer, deswegen konzentriert sich Mihambo lieber auf die Gegenwart. Sie schätzt sehr, dass nach einer gefühlten Ewigkeit endlich wieder Medaillen vergeben werden. "Das ist noch mal etwas ganz anderes", sagte sie.