Erst donnerten zwei Düsenjäger über das Hayward-Field von Eugene, Minuten später jagten dann die US-Sprinter um den neuen 100-m-König Fred Kerley zu Gold, Silber und Bronze: Für die Gastgeber hat der große Showdown bei der Heim-WM den ersehnten ganz großen Coup gebracht.
"Wir haben gesagt, dass wir das machen werden - und wir haben es gemacht. USA, Baby!", brüllte Kerley ins Stadion-Mikro, nachdem er bei der Heim-WM in Eugene in 9,86 Sekunden die Königsdisziplin der Leichtathletik gewonnen hatte. Hinter dem 27-Jährigen rannten Marvin Bracy und Trayvon Bromell zeitgleich in 9,88 Sekunden auf Platz zwei und drei.
Zum dritten Mal in der Geschichte der Weltmeisterschaften gelang einer Nation der "Sweep" - und zum dritten Mal gelang er den USA: Bei der Premiere 1983 und 1991 in Tokio hatte der große Carl Lewis jeweils den Dreifach-Sieg der Amerikaner angeführt.
Da konnten die Amerikaner, die mit vier Sprintern im Achterfeld des Finals vertreten waren, sogar verkraften, dass Titelverteidiger Christian Coleman nur Sechster wurde - die Freude über den dritten WM-Titel in Serie über 100 m trübte das nicht.
Olympiasieger Marcell Jacobs muss passen
Allerdings fehlte dem US-Trio der vielleicht härteste Rivale. Olympiasieger Marcell Jacobs aus Italien trat wegen einer Hüftverletzung nicht zum Halbfinale an. Den Verzicht gab der nationale Verband nur kurz vor dem Rennen am Samstagabend bekannt. Demnach laboriert der 27-Jährige an einer Muskelblessur, die er bereits mit in die USA gebracht hatte
"Es ist eine schmerzhafte Entscheidung. Aber ich wollte unbedingt in Eugene dabei sein. Allerdings bin ich nicht bei 100 Prozent", sagte Jacobs. Ob er noch in der Staffel über 4x100 m dabei sein wird, ließen Jacobs und der Verband offen.
Jacobs hatte bei seinem Sensations-Triumph in Tokio 9,80 Sekunden hingelegt - Europarekord. Kerley kam mit einer Saisonbestmarke von 9,76 Sekunden zur WM, lief im Vorlauf bereits 9,79 Sekunden. Es hätte ein ganz großes Duell dieser Titelkämpfe werden können.
Kerley: "Ich bin in der Kirche aufgewachsen"
Kerleys Geschichte ist indes eine, wie sie die Amerikaner lieben. "Ich bin in der Kirche aufgewachsen", sagt Kerley, gläubiger Christ aus Texas: "Man muss den Glauben haben, um nach oben zu kommen. Man muss daran glauben, dass man gewinnen wird. Man muss daran glauben, dass man Großes vollbringen wird - und ich glaube, dass ich Großes vollbringen werde."
Als Kleinkind wurde Kerley zusammen mit seinen vier Geschwistern von seiner Tante Virginia adoptiert, sie zog damit 13 Kinder groß, nicht immer wurden alle satt, als Teenager landete Kerley fast im Gefängnis. Über den Sport schaffte er es ans College. Nun dürfte er weitgehend ausgesorgt haben.
Wang Jianan holt Gold im Weitsprung
Derweil gewann Wang Jianan als erster Chinese WM-Gold im Weitsprung. Der 25-Jährige fing im letzten Durchgang mit 8,36 m den bis dahin führenden Griechen Miltiadis Tentoglou (8,32) ab, der nach Olympia-Gold von Tokio den nächsten großen Coup knapp verpasste. Bronze ging an den Schweizer Simon Ehammer (8,16). Gastgeber USA ging leer aus.
Damit ging Weitsprung-Gold zum fünften Mal in Folge nicht an die große Weitsprung-Nation. Zuletzt hatte Dwight Philips 2011 für die USA gewonnen. Ein deutscher Weitspringer war in Eugene nicht am Start.
Chase Ealey. triumhiert im Kugelstoßen
Eine weitere Goldmedaille für Team USA holte Kugelstoßerin Chase Ealey. Die 27-Jährige setzte sich im Finale mit 20,49 m vor der Chinesin Lijiao Gong (20,39) durch, die 2017 und 2019 triumphiert hatte. Bronze ging an die Niederländerin Jessica Schilder (19,77).
Katharina Maisch (Halle/Saale) als 13. (18,57) und die Wattenscheiderin Julia Ritter als 15. (18,22) waren am Freitag knapp in der Qualifikation gescheitert. Die deutsche Meisterin Sara Gambetta hatte ihren Start wegen einer Virus-Infektion abgesagt.
2015 hatte die mittlerweile zurückgetretene Christina Schwanitz als bislang letzte deutsche Stoßerin WM-Gold geholt.
Gina Lückenkemper erreicht Halbfinale
Die deutsche Sprinterin Gina Lückenkemper ist derweil ins Halbfinale über 100 m eingezogen. Die 25 Jahre alte Westfälin, die für Berlin startet und in den USA trainiert, lief am Samstagabend in der ersten Runde nach einem schwachen Start noch gute 11,09 Sekunden.
Siegerin in Lückenkempers Rennen wurde die Jamaikanerin Shelly-Ann Fraser-Pryce (10,87), die zuletzt dreimal in Folge Weltmeisterin geworden war. Einen Lauf später setzte sich Olympiasiegerin Elaine Thompson-Herah, ebenfalls Jamaika durch, die in 11,15 Sekunden aber nicht den starken Eindruck ihres Landsfrau hinterließ. Vorlaufschnellste war die britische Europameisterin Dina Asher-Smith (10,84). Alexandra Burghardt (Burghausen/11,29) schied als Sechste ihres Laufes aus.
Das Halbfinale und das Finale finden am Sonntagabend statt. Die letzte deutsche Medaille im Frauensprint hatte Katrin Krabbe als Weltmeisterin 1991 in Tokio geholt. Zuletzt stand Melanie Paschke 1997 in einem 100-m-WM-Finale, damals wurde die Wattenscheiderin Sechste.
Lückenkemper war 2017 bei der WM in London als erste Deutsche seit Krabbe unter 11 Sekunden gesprintet (10,95), im Halbfinale aber ausgeschieden. Erst bei der DM in Berlin blieb die Vize-Europameisterin wieder unter der Marke. Eine Final-Teilnahme für Lückenkemper, die seitdem mit langwieriger Leistungsschwäche zu kämpfe hatte, wäre in Eugene eine Überraschung.
Hanna Klein und Katharina Trost verpassen Überraschung
Die frühere deutsche Meisterin Hanna Klein (Tübingen) und die Hallen-Meisterin Katharina Trost (München) haben dagegen den Einzug ins WM-Finale über 1500 m und damit eine Überraschung knapp verpasst. Klein kam in ihrem Halbfinale in 4:04,62 Minuten auf Platz acht, Trost (4:05,85) wurde im zweiten Lauf ebenfalls Achte.
"Heute war irgendwie nicht mehr drin. Ich war platt. Irgendwie war ich hinten heraus nicht mehr so locker. Irgendwas hat gefehlt", sagte Klein im ZDF. Bei den Männern schied Christoph Kessler (Karlsruhe) in 3:37,57 Minuten im Vorlauf aus.