Die 25-Jährige setzte sich im Olympiastadion nach einem packenden Finish in 10,99 Sekunden vor der zeitgleichen Schweizerin Mujinga Kambundji durch. Bronze ging an die Britin Daryll Neita (11,00).
"Ich bin euch so unfassbar dankbar", rief die erste deutsche Europameisterin seit Verena Sailer 2010 den 40.000 im Olympiastadion zu. In 10,99 Sekunden lief sie zu Gold, der zeitgleichen schweizerischen Mitfavoritin Mujinga Kambundji blieb nur Silber. Bronze ging an die Britin Daryll Neita (11,00). "In diesem Hexenkessel heute zu stehen, hat mich unfassbar motiviert", ergänzte Lückenkemper in der ARD.
Lückenkemper fügte sich beim Straucheln nach dem Zieleinlauf eine blutende Wunde am linken Knie zu, doch das war ihr zunächst egal. Bald flossen Tränen des Glücks bei der EM-Zweiten von 2018, die 25 Jahre alte Berlinerin sank überwältigt auf die Knie und ließ ihren Gefühlen freien Lauf. Erst nachdem sie noch auf der Bahn verarztet worden war, konnte sie auf ihre Ehrenrunde im Olympiastadion gehen.
Noch märchenhafter erschien Lückenkempers Sprint zu Gold, weil sie bereits im Halbfinale mit einem Tape am linken Oberschenkel hatte laufen müssen - "ich wusste nicht, ob ich das Finale starten kann", verriet sie. Doch ihre Betreuer hätten Wunder bewirkt.
Lückenkemper muss nach EM-Titel ins Krankenhaus
Lückenkempers Wunde wurde am späten Dienstagabend im Krankenhaus mit acht Stichen genäht. "Mission Händchenhalten war erfolgreich", freute sich Lückenkemper bei Instagram. "Darf wieder zurück ins Hotel." Der Deutsche Leichtathletik-Verband ist im Münchner Norden untergebracht, nicht weit entfernt vom Olympiastadion.
"Ich weiß noch nicht genau, woher die Wunde kommt. Ob vom Sturz oder etwas anderem. Aber mir geht es gut! Ich bin überglücklich und kann das alles noch gar nicht so richtig fassen", sagte Lückenkemper, nachdem sie um 1.10 Uhr im Teamhotel in München eingetroffen und vom Rest der deutschen Mannschaft mit großem Jubel empfangen worden war.
Ob Lückenkempers Start in der 4x100m-Staffel am Schlusstag der Heim-EM in München gefährdet ist, ließ sich am Dienstagabend noch nicht absehen. Am Sonntag peilt das DLV-Quartett mit Tatjana Pinto (Wattenscheid), Alexandra Burghardt (Burghausen) und Lückenkemper (Berlin) nach WM-Bronze auch eine EM-Medaille an.
Lückenkemper holte die achte Medaille für das deutsche Leichtathletik-Team in München, vor vier Jahren in Berlin hatte sie Silber gewonnen.
Titelverteidigerin und Europas Jahresbeste Dina Asher-Smith (Großbritannien) musste verletzungsbedingt aufgeben. Zuletzt hatte Verena Sailer 2010 in Barcelona Gold über die 100 m für Deutschland gewonnen.
100 Meter der Herren: Olympiasieger Jacobs holt Gold
Olympiasieger Marcell Jacobs ließ derweil keine Zweifel daran aufkommen, dass er mindestens der schnellste Mann Europas ist. Nach eher mäßigem Start kam das Kraftpaket schnell auf Touren, zog nach 50 Metern unwiderstehlich davon und siegte in 9,95 Sekunden vor dem britischen Titelverteidiger Zharnel Hughes (9,99) und dessen Landsmann Jeremiah Azu (10,13).
Bei der WM vor drei Wochen in Eugene hatte Jacobs wegen Muskelproblemen vor dem Halbfinale zurückziehen müssen. Im Münchner Olympiastadion holte er sich dafür nach Gold bei Olympia auch Gold bei der EM, ein Double das zuletzt der Brite Linford Christie 1994 vollendet hatte.
Das DLV-Trio Owen Ansah, Lucas Ansah-Peprah (beide Hamburg) und Julian Wagner (Erfurt) war im Halbfinale ausgeschieden. Zuletzt hatte mit Lucas Jakubczyk (Berlin) 2014 in Zürich ein Deutscher in einem EM-Finale über 100 m gestanden.