"Muss mich auf Instinkt verlassen"

Von Aufgezeichnet von Alexander Maack
Nico Hülkenberg (r.) startet mit Earl Bamber (l.) und Nick Tandy für Porsche in Le Mans
© porsche

Formel-1-Pilot Nico Hülkenberg ist die Vorfreude auf seinen ersten Start beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans für Porsche deutlich anzumerken. Im Interview sprach der 27-Jährige über die Herausforderungen der Strecke, die Unterschiede der Autos und Reifen und erklärt, was er für den Marathon in Frankreich an sich selbst verändern musste.

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Frage: Herr Hülkenberg, Sie starten mit Porsche am Samstag erstmals in Le Mans. Die Marke ist als Rekordsieger mit dem Rennen eng verbunden, der wohl schwierigste Streckenabschnitt ist nach ihr benannt. Wie finden Sie die Porsche-Kurven?

Hülkenberg: Sie sind sehr schnell, die Wände sehr nah. Das allein ist eine Herausforderung. Es macht einfach Spaß, das LMP1-Auto da durchzupushen, weil man viel Downforce hat. Die langsamen Kurven sind schwieriger. In Arnage denkt man immer, man könnte noch später bremsen. Wenn man es tut, geht's einfach geradeaus. Das ist knifflig - vor allem bei Nässe.

Frage: Als Formel-1-Pilot sind Sie einige andere berühmte Kurven gewohnt - in Suzuka oder Spa etwa. Stehen die Porsche-Kurven damit auf einer Stufe?

Hülkenberg: Für mich gibt es schon hier in Le Mans mehrere. Die Esses nach der Dunlop-Brücke sind cool und erinnern mich ein wenig an Suzuka. Indy 1 und 2 sind mega. Man kommt richtig schnell dort an, die Kurven sind überhöht - erst rechts, dann links. Das ist richtig cool. Dazu die Porsche-Kurven. Die drei Passagen stechen für mich hier heraus.

Frage: Sie waren beim letzten WEC-Rennen in Spa-Franchorchamps bereits im Einsatz und haben nun Trainings und Qualifying absolviert. Wie stark unterscheiden sich die LMP1-Autos von Formel-1-Autos?

Hülkenberg: Ein fundamentaler Unterschied ist, dass das Auto geschlossen ist. Das ist eine andere Umgebung, ein anderes Gefühl. Es gibt keinen Wind und kaum Lärm, der Helm wird nicht gehoben und gestoßen. Vom Fahrerischen her: Das Auto hat Allradantrieb und Traktionskontrolle. Das ist der große Unterschied, an den ich mich und meinen Fahrstil anpassen muss, damit er zum Auto passt. Am Ende ist es aber immer noch ein Rennauto, das schnell gefahren werden muss. Das machen wir.

Frage: Was bedeutet das, den Fahrstil an ein Auto mit Allradantrieb anzupassen?

Hülkenberg: Man muss sich mehr auf den Kurvenausgang konzentrieren. In der Formel 1 ist die Traktion begrenzt - das gibt es hier verglichen mit der Formel 1 nicht. Das Wichtigste ist, stabil in die Kurve zu gehen und schnell herauszukommen - insbesondere durch die langen Geraden danach. Da will man so schnell wie möglich Geschwindigkeit aufbauen. Dafür muss man früh am Gas sein.

Frage: Immer wieder wird über die Reifen geredet, die Pirelli-Slicks der Formel 1 kritisiert. Die WEC fährt Michelin. Wie bewerten Sie die Unterschiede?

Hülkenberg: Die Reifen sind unterschiedlich und verhalten sich unterschiedlich. Aber es sind beides Rennautos. Das Gefühl, was man bekommt, ist ziemlich verschieden. Die Reifen sind nur ein Element davon.

Frage: Wie lief des erste Qualifying am Mittwoch am Mittwoch für Sie?

Hülkenberg: Ziemlich unkompliziert. Für mich war es das erste Mal in der Nacht hier. Das war aufregend. Wir hatten ein paar Probleme an unserem Auto und haben ein bisschen später angefangen. Dann bekommt man nicht mehr die freie Runde, die alle anderen zu Beginn hatten. Das hat uns ein bisschen beeinträchtigt. Bei diesem Rennen geht es aber nicht um die Quali. Das ist nur ein kleiner Teil und sagt nicht wirklich viel aus.

Frage: Sie haben die Nachtfahrt bereits angesprochen. Wie schwierig ist die Umstellung auf die Dunkelheit für Sie?

Hülkenberg: Es gab keine Probleme mit der Sicht. Schwierig bei Nacht sind die Lichter. Wenn man jemanden überholt hat, leuchtet es im Rückspiegel. Das kann ziemlich störend sein. Manchmal ist es schwierig einzuschätzen, wie weit sie weg sind. Glücklicherweise sitze ich im schnelleren Auto, das meist überholt und nicht überholt wird.

Frage: Bis in die 1960er war es fast normal, dass Formel-1-Fahrer in Le Mans gestartet sind. Mittlerweile ist es eine Ausnahme, der letzte Fall liegt ein gutes Stück zurück. Freuen Sie sich, derjenige zu sein, der diese Tradition fortsetzt?

Hülkenberg: Ja. Es ist ungewöhnlich - auch wenn es noch gar nicht so lange her ist. Sebastien Bourdais hat es 2009 gemacht. Aber davor gab es eine lange Pause. Ich bin stolz darauf, das zu machen. Beides zu managen ist eine große Herausforderung für mich. Aber es ist eine einmalige Gelegenheit, in Le Mans mit Porsche zu starten. Diese Gelegenheit habe ich genutzt.

Frage: Wie nehmen Sie die Atmosphäre hier in Le Mans wahr?

Hülkenberg: Es ist besonders und einzigartig. Ich kenne durch die letzten Jahre das Formel-1-Umfeld. Das ist anders, keine Frage. Hier ist es zugänglicher, mehr Fans in der Nähe, die ein Foto oder Autogramm von dir jagen (lacht). Das ist okay, man kämpft da durch. Ich glaube, das magische Feeling und die Atmosphäre wird sich umso mehr aufbauen, je näher wir dem Rennen und der Nacht kommen.

Frage: Und auf der Strecke? Was ist da der größte Unterschied, den sie mögen?

Hülkenberg: Das klingt vielleicht ziemlich seltsam. Aber ich mag den Verkehr. Das ist etwas, das ich nicht gewöhnt bin. Etwas, das ich bis zum Rennen in Spa nicht kannte. Dadurch kommt noch ein zusätzliche Aufregung hinzu. Es ist eine zusätzliche Aufgabe, die man erledigen muss. Das finde ich ziemlich interessant.

Frage: Kann man den Umgang mit den langsamen GT-Autos lernen?

Hülkenberg: Ich bin mir nicht sicher. Bis zu einem gewissen Punkt hilft die Erfahrung, aber es passiert so dynamisch. Es geht ein wenig um das Abwägen Risiko und Ertrag, wenn man reinhält und das dann zwei Sekunden bringt. Das passiert sehr spontan. Darüber kann man nicht nachdenken. Man muss sich auf seinen Instinkt verlassen. Das ist ziemlich interessant und aufregend.

Frage: Welches Ziel haben Sie für sich persönlich gesetzt?

Hülkenberg: Es ist ein 24-Stunden-Rennen, eine gewaltige Herausforderung. Persönlich will ich meinen Job gut machen solide Stints abliefern und fehlerfrei bleiben. Es wäre fantastisch, vorne dabei zu sein. Aber das ist Träumerei.

Frage: Sind Sie schon aufgeregt?

Hülkenberg: Bis jetzt nicht. Ich bin ruhig wie ein Fels. Die Aufregung wird wohl Samstagmorgen kommen. Ich bin glücklich und fühle mich gut vorbereitet. Klar, es könnte immer besser sein. Wenn wir mehr Zeit hätten, würden wir mehr testen. Aber ich finde es gut, dass jetzt die Zeit gekommen ist und wir hier sind. Es ist gut, dass das Reden zu ende geht und es ernst wird.

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