Der Lange! Walter Röhrl ist das Gesicht von Porsche und hat bei Audi Kultstatus. Einst traf SPOX den zweimaligen Rallye-Weltmeister im Bayrischen Wald und sprach mit ihm über die Unprofessionalität von Audi, salzstreuende LKW auf der Monte Carlo Rally, den Rückspiegeltick von Michelle Mouton und die Weißglut von Michael Schumacher, nachdem er auf der Nordschleife im baugleichen Auto überholt wurde.
Bereits 2015 hat SPOX eine Legenden-Serie abseits von König Fußball veröffentlicht. Zu diesem Anlass wurden ausführliche Interviews mit Andreas Thiel (Handball), Michael Groß (Schwimmen), Frank Busemann (Leichtathletik), Walter Röhrl (Motorsport) und Henry Maske (Boxen) geführt. Wir blicken zurück.
Herr Röhrl, Niki Lauda nannte Sie einst ein "Genie auf Rädern". Bedeutet Ihnen ein solches Lob etwas?
Walter Röhrl: Als mich Sebastian Vettel bei der Formel 1 kennen lernen wollte, da fragte Florian König ihn: "Warum hat der Vettel so ein Tamtam mit diesem Röhrl gemacht?" Niki sagte: "Weißt du wer Ayrton Senna war? Walter Röhrl ist der Ayrton Senna des Rallyesports. Er ist der Beste, den es je gegeben hat." Ich war Fahrer des Milleniums, bester Fahrer aller Zeiten - das ist ein Scheiß, auf den ich keinen Wert lege. Aber Niki hatte eine Ausnahmestellung: Er war der Inbegriff des Undiplomatischen und sagte, was er dachte. Solche Menschen liebe ich.
Ihr Ruf bildete sich schon 1980 heraus, bevor Sie Ihren ersten WM-Titel holten. In Portugal haben Sie auf der Königsprüfung um Arganil die gesamte Konkurrenz im Blindflug abgehängt. Die Sichtweite betrug durch Nebel weniger als fünf Meter.
Röhrl: Arganil ist der Grund, dass ich mit Auszeichnungen überhäuft wurde. Es konnte sich keiner vorstellen, dass einer 4:59 Minuten schneller fährt als der Zweite und dann die gesamte Weltelite innerhalb von 30 Sekunden folgt. Das konnte ich aus zwei Gründen: Ich habe ein unheimlich tolles fotografisches Gedächtnis. Und: Kondition ist Konzentration. Über Motorsport hat man damals gedacht: 'Da gibt man Gas, da braucht man nichts tun.' Durch Skisport und Rudern war ich weit besser beieinander. Die Skandinavier haben sich abends kräftig einen weggeschüttet.
Arganil war allerdings aufgrund der Vorgeschichte speziell.
Röhrl: Die Stimmung war angeheizt, weil mein Teamkollege Markku Alen alle durcheinandergebracht hat und ich auf dem Weg zum Service einen Unfall mit einem Mechaniker hatte. Dann stand ich am Start und habe zu meinem Beifahrer gesagt: "Geistdörfer, schnoi di o! Jetza fahr i eana oan hi, dass sie d'Lizenz obgebn." Wenn ich verärgert war, dann war Feuer unterm Dach. Von da an haben mich die anderen nicht mehr ernst genommen. Sie haben gesagt: "Der gehört nicht zu uns, der kommt von einem anderen Planeten."
Wie sind Sie damit umgegangen?
Röhrl: Wenn die Anderen sich unterhielten und rauchten, habe ich mir im Auto das Gebetbuch angeguckt. Die haben alle eine Minute von mir gekriegt, weil sie Blabla gemacht haben. Ich wurde zum Sonderling gestempelt. Ich hatte nichts gegen sie, ich habe mich profihaft vorbereitet. Ich wollte in der Nacht durch den Wald fahren und wissen, ob ich ein Träumer oder der Beste bin.
Ein Grund, dass Sie blind durch Portugal fahren konnten, war die detaillierte Vorbereitung. Ihr Co-Pilot Christian Geistdörfer hat im Vergleich zu seinem Vorgänger Jochen Berger einiges geändert. In Arganil hatten Sie anhand von Bäumen und Steinen selbst die Geraden in kleine Abschnitte unterteilt, um sich trotz Nebel zu orientieren.
Röhrl: Ich bin ein eher depressiver Mensch, deswegen war er als Sunnyboy ein Glücksfall für mich. Er hat mich immer aufgefordert, noch mehr Informationen reinzuschreiben. Normalerweise sind wir jede Prüfung dreimal abgefahren und ich hatte nach dem zweiten Durchgang genug. In Portugal haben wir fünf gemacht, weil da immer Nebel war. Anschließend bin ich ins Hotel, habe im Liegen die Uhr gestartet und bin im Kopf die gleiche Zeit gefahren.
gettyDer genaue Aufschrieb hat Ihnen ein Jahr zuvor nicht geholfen. Bei der Rallye Sanremo 1979 gab es einen Ihrer wenigen Unfälle.
Röhrl: Der einzige, an dem ich selbst schuld war. Es hieß im Gebetbuch: 100 geradeaus links voll, 200 links voll, 100 Achtung! Links Eingang, 30 Kehre rechts. Die ersten zwei Kurven hab ich nicht registriert, weil ich nachdachte, wo wir das Getriebe wechseln können. Ich bin die Kehre im fünften Gang mit 8000 Umdrehungen voll angefahren und mit dem Dach von meinem Fiat auf einem Bauernhaus gelandet, das 40 Meter tiefer lag. Wir sind neben der Eingangstür zum Stehen gekommen. Ohne Schutzengel schaut man da alt aus. Die Bauernfamilie hat sich zum Glück die Rallye angeguckt.
Wie haben Sie auf den Unfall reagiert?
Röhrl: Ich bin aus dem Auto raus und wollte mich aufhängen. 7:30 Minuten Vorsprung im Regen - so viel hatte ich noch nie. Ich war das größte Arschloch auf der Welt. Ich habe die Flucht ergriffen, bin zu Fuß fünf Kilometer zum Ziel gelaufen. Ich dachte, ich drehe durch. Andererseits: Wenn ich mich in verschätzt hätte, dann hätte ich Selbstzweifel bekommen. Ich habe im Nachhinein jede Rallye analysiert, ob ich irgendwo Glück hatte. Darauf wollte ich mich nicht verlassen.
Resultierte Ihre Herangehensweise aus dem Tod Ihres Bruders? Er starb bei einem Autounfall, als Sie noch ein Teenager waren.
Röhrl: Ich wollte meiner Mutter nicht zumuten, dass noch ein Sohn tödlich verunglückt. Der Druck, dass nichts passieren darf, hat mein Leben geprägt. Meine Freunde lachen, aber mein Eindruck war, dass ich es im Griff hatte. Der Rettungsschirm war immer parat. Ich habe versucht, das Risiko so gering wie möglich zu halten.
Wie ist Ihre Familie damit umgegangen, dass Sie trotzdem Motorsportler wurden?
Röhrl: Für mich war die Zeit nach dem Unfall brutal. Er war zehn Jahre älter und in jeder Beziehung mein Vorbild. Zehn Minuten bevor er um 23:23 Uhr verunglückt ist, hat er mich gefragt, ob ich mitkomme. Ich bin mit meinem Heinkel-Roller zum Unfallort, seine Beine lagen auf dem Bauch. Es war abzusehen, dass kein Weg am Tod vorbeiführt. Meine Mutter hat das nie verwunden. Wenn ich zur Rallye gefahren bin, gab es eine Szene. Sie hat jedes Mal Tamtam gemacht, als würde sie mich nie wieder sehen. Deshalb habe ich meine Karriere eigentlich Ende 1971 beendet. Ich war aber so fasziniert, dass ich fahren musste. Ich brauchte den Sport, wollte ohne nicht leben.
Sie sollten ursprünglich den Steinmetz-Betrieb Ihres Vaters übernehmen. Nachdem er sich von Ihrer Mutter trennte, machten Sie jedoch eine Ausbildung beim Ordinariat Regensburg. Nach drei Jahren im Innendienst wurden sie als Sekretär plötzlich Fahrer eines Verwaltungsbeamten der bayrischen Bischöfe. Wie ist der mit Ihrem Fahrstil zurechtgekommen?
Röhrl: Der Mann war über 60 und hat sich nie beschwert. Er fragte nur, ob wir es wieder eilig hätten oder warum uns die Entgegenkommenden anblinkten. "Den hab ich gekannt, Herr Doktor", war meine Antwort. Im Büro erklärte er: "Der Walter kennt jeden Zweiten in Bayern." (lacht) Es gab aber einen Grund, warum ich so gefahren bin: Er hat sich mit beiden Händen festgehalten. So konnte er nicht rauchen. Also bin ich volle Maschine gefahren, ab dem 7. März 1965 im Jahr 120.000 Kilometer. Das war ein Glücksfall für meinen Perfektionswahn. Wenn ich in der Kurve den Einschlag ändern musste, habe ich mich unheimlich geärgert.
Wie kamen Sie dann zum Motorsport?
Röhrl: Ich bin mit Herbert Marecek an den Wochenenden gemeinsam zu unseren Skirennen gefahren. "So wie du Auto fährst, musst du Rallyefahrer werden", hat er gesagt. Ich habe ihn für einen Spinner gehalten. Wer sollte das bezahlen? Er hat die Autos dann besorgt, ich bin in drei Jahren mit ihm als Beifahrer fünf Rallyes gefahren. Nach jeder hat er den Fachzeitungen geschrieben: "Mein Freund ist der beste Autofahrer der Welt." Ich dachte, er sei nicht ganz dicht. Ich bin schon rot geworden, wenn er mir gesagt hat, dass er das schreibt.
Der Plan ging aber auf. Sie bekamen einen Werksfahrervertrag.
Röhrl: Am 23. Dezember 1970 kam ein Telegramm bei ihm an: "Alles klar. Zur Vertragsunterschrift im Januar. Gruß, Ford. Köln, Deutschland." Als ich im Auto saß, habe ich versucht, Dinge vom Skifahren umzusetzen. Wir sind im Ford Capri im Schnee mit 40 Sekunden Vorsprung Bestzeit gefahren. Ich habe nicht erkannt, dass das schnell ist. Dieses Glück muss man haben: Dass einen der Mensch entdeckt und jahrelang pusht, der dein einziges Talent wahrnimmt. Er hat nicht locker gelassen. Ich bin froh, dass es ihn gibt.
Der Durchbruch gelang bei der Olympia-Rallye 1972 von Kiel nach München. Sie schieden zwar kurz vor dem Ziel aus, waren aber trotzdem bekannt, weil Sie lange führten.
Röhrl: Ich war ein Niemand, völlig unbekannt. In Kiel war die gesamte Weltelite am Start. Ich bin mit meinem Capri einfach losgefahren und nach den ersten Prüfungen haben sie meine Bestzeiten gestrichen. "Zeitfehler." Erst nach sieben Prüfungen hat ein Journalist nachgeforscht. Irgendjemand sagte ihm: "Das ist ein Verrückter aus dem Bayrischen Wald. Der fährt wirklich so schnell." Danach war ich in aller Munde und habe bei Opel unterschrieben. 1973 hat mir die Benzinkrise den EM-Titel gekostet, weil die letzten Rallyes ausgefallen sind. 1974 haben wir den Titel mit der Maximalpunktzahl geholt.
Zurück zur Saison 1980 mit Fiat. Schon vor der Nacht von Arganil hatten Sie sich Ihren Traum erfüllt.
Röhrl: Der Höhepunkt meiner Laufbahn! Mein Lebensziel war, einmal die Rally Monte Carlo zu gewinnen. Für mich war das wie Wimbledon beim Tennis - der Inbegriff des Sports. Ich wusste: Wenn ich da gewinne, darf ich mir einbilden, dass ich Auto fahren kann. Das Schlimme: Ich habe am Jahresende rumdiskutiert, dass ich aufhören will. Ich wollte niemand sein, der für Werbung benutzt wird.
imago imagesDie Vorbereitung auf die Monte Carlo war nicht optimal. Sie haben Testfahrten verweigert.
Röhrl: Wir waren fünf Fiats. Am 22. Dezember sollten wir neue Reifen von Pirelli testen und dann über Weihnachten nach Hause fliegen. Sie wurden aber erst einen Tag später fertig. Wir wollten alle abreisen. Der Teamleiter ist angereist und beim Abendessen sind alle umgefallen - außer mir. Ich habe gesagt: "Ob ich die Reifen kenne oder nicht, die Wichser kriegen von mir alle zehn Minuten aufgedrückt!" Ich habe die Rallye mit zehn Minuten Vorsprung gewonnen (lacht).
Plötzlich fieberte eine ganze Nation mit Ihnen mit.
Röhrl: Sobald ein Lokaler in der Weltspitze rumspringt, weckt das Interesse. Das Auto war das Goldene Kalb der Nation. Plötzlich war Deutschland Rallyeland. 1985 wurde der Gegenwind dann stark, die Rallyes sollten sterben, in dem man keine Genehmigungen mehr erteilt hat. Das ist der Grund, warum wir bis heute im Niemandsland leben. Es gab zehn Jahre keinen Nachwuchs, weil keiner fahren durfte. Mir hat das den Abschied erleichtert: Ich mache ungern Dinge, die andere nicht wollen. Das belastet mich.
Nach der Saison 1980 hatten Sie die Qual der Wahl: Es gab unter anderem Angebote von Audi und Mercedes. Sie haben sich für die Stuttgarter entschieden, sind aber nie für sie gefahren.
Röhrl: Sie hatten einen Fünfjahresplan, 1983 sollte zum 100. Firmenjubiläum die WM gewonnen werden. Bei Testfahrten im Dezember hatten wir die Genehmigung der Polizei, die Straße zu sperren. Ein LKW-Fahrer hat den Posten überredet ihn durchzulassen. Ich bin mit 180 km/h entgegengekommen. Das Problem: Ein TV-Reporter hat bei meinem Schwiegervater den Ort herausgefunden und zehn Minuten nach dem Unfall gefilmt. Im Bericht hieß es, Mercedes würde auf nicht gesperrten Straßen testen. Der Vorstand hat deshalb die Sportabteilung geschlossen.
Sie waren plötzlich arbeitslos.
Röhrl: Es hat acht Tage gedauert, bis mich der Entwicklungsvorstand von Porsche anrief und sagte: "Jetzt können wir Sie uns leisten. Das Geld bekommen Sie von Mercedes und das Auto von uns." So bin ich 1981 für Porsche gefahren, danach ging ich wieder zu Opel - ohne den Gedanken an die Weltmeisterschaft. Ich habe wieder die Monte Carlo gewonnen und bin in einen Strudel hineingekommen. Michelle Mouton lag hinter mir. "Das ist eine Katastrophe, wenn ich Zweiter hinter einem Mädel werde", habe ich mir gedacht. Diplomatisch wie ich bin, habe ich das laut gesagt. Deshalb war es ein sehr stressiges Jahr.
Im Vergleich zum Fiat 131 mag der Opel Ascona 400 ein Fortschritt gewesen sein, Mouton fuhr aber den legendären Audi S1 mit Allradantrieb. Sie waren technisch hoffnungslos unterlegen.
Röhrl: Ich habe mein ganzes Leben darunter gelitten, dass ich nach Traktion gesucht habe. Beim Skisport habe ich früh begriffen, dass das Brett nach vorne wegfahren muss und nicht seitwärts rutschen darf. Mit dem Audi war das kein Problem mehr. Das war eine andere Welt: So wie man Gas gegeben hat, ist das Auto vorwärts gefahren - ob auf Schnee, Schotter oder bei Nässe. An diesem Auto ging kein Weg vorbei. Audi ist über die eigene Unfähigkeit gestolpert. Das Team war unprofessionell, hat Fehler beim Zusammenbauen gemacht. Deshalb hat es für mich gereicht. Und es gab noch einen Grund...
Ja?
Röhrl: Michelle Mouton hatte einen unglaublichen Röhrl-Komplex. 1980 startete Sie die Monte Carlo direkt vor mir, ich habe sie auf jeder Prüfung eingeholt. Danach hat sie nur noch in den Spiegel geschaut. In Brasilien führte sie im Audi mit vier Minuten Vorsprung. Es waren nur noch zehn Kilometer. Sie hätte rückwärtsfahren können, ist aber durchgedreht: "Beim Walter weißt du nie, was er tut. Der macht Unmögliches möglich." Genau so ist sie bei der Bandama-Rallye 1982 gescheitert.
Die über 4000 Kilometer lange Materialschlacht in Südafrika war die vorletzte Rallye im Kalender. Sie überholten Mouton kurz vor dem Ende und waren zum zweiten Mal Weltmeister. Wie erklären Sie sich, dass bis heute keine Frau an den Erfolg der Französin herankam?
Röhrl: Heute sage ich: "Scheiße! Mir hat der Titel nichts gegeben." Es wäre für die Ewigkeit gewesen, wenn eine Frau die WM gewonnen hätte. Auf Audi war sie eine Ausnahmeerscheinung. Vielleicht ist Motorsport immer noch ein typischer Männersport, weil man ihm eine gewisse Brutalität nachsagt und Frauen im Zweikampf eher zurückstecken. Rein vom Fahrtechnischen her gibt es keinen Grund, warum eine Frau nicht genauso viel Gefühl für das Auto haben sollte wie ein Mann.
Zurück zum Jahr 1982: Beim Finale in Großbritannien kam es zum Eklat mit dem Opel-Team. Sie starteten nicht.
Röhrl: Nachdem ich unterschrieben hatte, ist Teammanager Tony Fall zu Rothman's gegangen und hat sie dadurch als Sponsor bekommen. Er hat gesagt, ich gehöre ihnen mit Haut, Haar und Hose. Vier Tage vor dem Start zur Monte Carlo sollte ich einen Werbefilm drehen. Ich dachte, die wären nicht ganz dicht. Vier Tage! Da laufe ich allein durch den Bayrischen Wald und bereite mich vor. Für Marlboro habe ich später Reklame gemacht. Ich habe dem Manager von Anfang an gesagt, dass ich jedem erzählen werde, er soll nicht rauchen - auch wenn er mich nicht fragt. Der sagte zu seinem Mitarbeiter: "Pay him double." (lacht) Bei Opel war wegen meiner Weigerung vom ersten Moment an Krieg. Mit Tony Fall habe ich in elf Monaten keine drei Minuten gesprochen. Den gab es für mich nicht.
spoxUnd bei der RAC-Rallye sind Sie dann endgültig aneinander geraten?
Röhrl: Um 19 Uhr klopfte es an der Tür meines Hotelzimmers und die Pressedame sagte, dass ich eine Stunde später zur WM-Party müsse. Ich bin nicht hingegangen, weil mir vorher niemand was gesagt hat. Beim Frühstück sagte Fall dann: "Du bist nicht mehr bei uns. Es ist besser, wenn du nicht fährst." Das waren die ersten vernünftigen Worte aus seinem Mund. Ich bin aufgestanden und direkt zum Bahnhof, damit er es sich nicht anders überlegt. Die Firma, zu der ich bis heute am wenigsten Bindung habe, ist Opel. Wenn ich einen Audi-Test lese und die verlieren gegen BMW, bin ich sauer. Bei Opel ist das überhaupt nicht so, der amerikanische Vorstand hat sich nie interessiert.
Dabei haben Sie Opel zuvor lange die Treue gehalten.
Röhrl: Ich habe die Jahre zwischen '73 und '78 bei Opel vergeudet. Ich dachte, ich müsse ihnen dankbar sein, weil sie mir das Auto gegeben haben. Ich bin vollkommen undiplomatisch, geradeaus und stur. Aber wenn ich eine Entscheidung treffe, ziehe ich es durch - auch wenn ich weiß, dass es verkehrt ist. Mich hat das Geld nie interessiert. Ich habe kein einziges Mal in meinem Leben danach gefragt, immer das genommen, was man mir gegeben hat.
1983 ging es für Sie weiter zu Lancia. Sie haben von vornherein ausgeschlossen, Weltmeister zu werden und sind nur fünf Rallyes gefahren.
Röhrl: Ich wollte nur in Monte Carlo zeigen, wer der Chef ist. Dass ich trotzdem drei Rallyes gewonnen habe, Markku Alen nicht Weltmeister geworden ist und ich mit einem Punkt Rückstand Zweiter war - unglücklich. Ich habe mich aber nicht überreden lassen, dass ich mehr fahre. Das Jahr war wunderbar. Bei den Italienern ist immer eitel Sonnenschein. Wenn du gewinnst, bist du für die Mechaniker der liebe Gott. Nur der Teamchef Cesare Fiori war aalglatt.
Er hatte allerdings seinen Anteil daran, dass sie Ihren dritten Sieg in Monte Carlo eingefahren haben. Der Schnee war plötzlich verschwunden.
Röhrl: Das stimmt tatsächlich. Wir haben trotz Eis und Schnee auf Slicks gewechselt. Nach sechs Kilometern waren die folgenden 20 unerklärlicherweise frei. Fiori hat eine Woche vorher ein paar LKW mit 40 Tonnen Salz hingeschickt. Die haben kräftig gestreut, damit der Schnee weg ist. Ich war außen vor, weil ich so undiplomatisch bin, dass ich es offen erzählt hätte.
Trotz der Wohlfühlatmosphäre bei Lancia haben sind Sie nach der Saison zu Audi gegangen.
Röhrl: Ohne Vierrad ging nichts mehr. Audi hat meinen guten Freund Dieter Scharnagl zum Pressechef gemacht. Und der Assistent von Ferdinand Piech sagte: "Das kann doch nicht sein. Sie sprechen die gleiche Sprache, sind 70 Kilometer vom Werk entfernt - Sie müssen für Audi fahren." Für mich war entscheidend, gegen Stiq Blomqvist im gleichen Auto anzutreten. Gegen alle anderen hatte ich diesen Vergleich schon hinter mir.
Sie haben dann das unerreichte Kunststück vollbracht, zum vierten Mal die Monte Carlo zu gewinnen - mit der vierten Marke.
Röhrl: Ich war angespannt wie nie in meinem Leben. Ich habe mich mit dem Audi die ersten sechs Wochen saudumm angestellt. Mit links bremsen konnte ich nicht. Der Audi war sonst aber nicht in die Kurve zu bewegen. Das Auto hat immer untersteuert. Das System mit dem Motor auf der Vorderachse war für enge Straßen einfach schlecht. Drei Wochen vor der Rallye hat es in Regensburg geschneit, ich habe mir einen Quattro aus Ingolstadt geholt und bin die ganze Nacht durch den Bayrischen Wald geheizt. Da habe ich kapiert, wie es geht. Trotzdem war Blomqvist auf den ersten beiden Prüfungen zwei Minuten schneller. Mein bester Freund hat zum Glück zugeschaut und mir gesagt, dass ich viel schneller war als alle anderen.
Das klingt nach einem Widerspruch.
Röhrl: Er stand an einer der wenigen Stellen, wo die Schneedecke hart war. Sonst gab es durch Regen nur Matsch. Ich habe meinen Mechaniker gepackt und ihm gedroht, dass ich ihn umbringe, wenn er mich anlügt. Beim Service zuvor wurde gesagt: "Wir fahren alle den schmalen Schweden-Spike." Sobald ich weg war, haben sie die richtigen Reifen aufgezogen. Der Hass aus den Jahren, in denen ich ihnen die Weltmeisterschaft versaut habe, war schlimm. Die Audi-Leute wollten es mir heimzahlen. Soviel zu Profisport und Teamarbeit. Ich habe Rennleiter Roland Gumpert gedroht, das Auto während der Rallye über den nächsten Abgrund zu schieben, wenn sowas nochmal passiert. Bei der nächsten Prüfung war ich 1:10 Minuten schneller.
Heute sind Sie eine Audi-Ikone. Wann hat sich das Verhältnis geändert?
Röhrl: Schon bei der nächsten Rallye. In Portugal habe ich anfangs alle Prüfungen gewonnen und dann brach das Federbein. Der Wechsel dauerte neun Minuten, das wäre viel schneller gegangen. Ich war in der Wertung irgendwo im Nirgendwo. Am Abend habe ich meinem Teamkollegen Hannu Mikkola vorgeschlagen, dass ich vor ihm stemple und 100 Meter später stehenbleibe, damit er ohne den Staub immer freie Sicht hat.
Mikkola muss vom Glauben abgefallen sein.
Röhrl: Hannu fragte noch direkt von der Prüfung, ob ich wirklich stehenbleibe. Gewinnen konnte ich nicht mehr. Für mich stand fest, dass ich ihm helfen muss. Nach dem Vorfall in Monte Carlo wollte ich zeigen, dass es auch faire Menschen gibt. Welche, die sich an Abmachungen halten. So hat Hannu die Rallye gewonnen. Von da an hatte ich nie mehr das Gefühl, dass es nicht mit rechten Dingen zugeht. Audi hat den Gumpert entsorgt. Dann war alles in Ordnung.
Es waren die Hochzeiten der Gruppe B. Was im Vergleich zu heute auffällt, ist das aberwitzige Verhalten der Zuschauer.
Röhrl: Wenn ich heute Videos sehe, bin ich schockiert, dass ich voll drauflosfahren konnte. Dafür muss man bescheuert sein. Was wäre, wenn ich jemanden totgefahren hätte? Wäre ich damit jemals zurechtgekommen? Ich habe es komischerweise als Alltag betrachtet. Unvorstellbar. Die Autos waren übermotorisierte Monster. Dazu war das Zuschauerinteresse verrückt. Als 1986 ein Portugiese in die Zuschauer gefahren ist, habe ich als Erster gesagt, dass ich nicht weitermache. Ich habe Piech angerufen und gesagt, dass es nicht mehr zu verantworten ist. Aufgrund dessen haben sich alle Werksteams zurückgezogen. Sonst wäre es ein Desaster geworden.
Nach dem Rückzug von Audi aus der Rallye-WM haben Sie beim Bergrennen am Pikes Peak einen Rekord gesetzt, sind in den USA und in der DTM auf der Rundstrecke gefahren. Allerdings wurden Sie Porsche-Botschafter. Wie kam es dazu?
Röhrl: Plötzlich hieß es: Allrad ist verboten, Audi wollte mit dem A4 STW Frontantrieb fahren. Ich habe mich geweigert, das Auto zu entwickeln und sollte Qualitätssicherung im Büro machen. Audi war froh, als ich mir meine Papiere holte, weil Strietzel Stuck auch nicht mehr fuhr. Lauter Rentner, die sie durchfüttern mussten. Tage später rief mich Wendelin Wiedeking an und bot mir die Arbeit als Repräsentant an. Geld hatte er keins, weil Porsche damals am Boden war. Bei jeder anderen Firma hätte ich nein gesagt, aber ich war durch meinen Bruder schon immer Porsche-Fan. Ich durfte dann auch noch ein bisschen testen.
Bei einer dieser Fahrten sind Sie auf der Nordschleife des Nürburgrings auf einen Formel-1-Weltmeister getroffen.
Röhrl: Das war bei der Schlussabnahme des GT2-RS. Zum Vergleich hatten wir einen Ferrari 599 dabei. Nach sieben Kilometer habe ich ein schwarzes Auto vor mir gesehen, an das ich ganz langsam rangekommen bin. Plötzlich habe ich gesehen, dass es auch ein 599 war. Auf dem Galgenkopf war ich einen Meter hinter ihm, er hat etwas zu spät eingelenkt und ich bin innen vorbei. Ich bin nach der Runde auf die Bundesstraße, um das Auto abkühlen zu lassen. Der Andere kommt hinterher. Ich fahre blinkend auf den Standstreifen, lasse das Fenster runter und dann ist das Michael Schumacher.
Verwunderlich, dass die Geschichte an die Öffentlichkeit kam.
Röhrl: Das hätte niemand erfahren. Aber er ist in die Ferrari-Werkstatt gefahren und hat geschimpft, dass Porsche was Vernünftiges mit dem Fahrwerk gemacht hätte. Das haben die Mechaniker abends im Wirtshaus erzählt.