Am Ende eines 60-km-Solos für die Ewigkeit breitete Mathieu van der Poel triumphierend die Arme aus und rollte jubelnd über den Zielstrich. Fernab aller Rivalen genoss der übermächtige Weltmeister im legendären Velodrom von Roubaix das Finale seiner denkwürdigen One-Man-Show in der "Hölle des Nordens". Den vergeblichen Sprint des deutschen Hoffnungsträgers Nils Politt um das Podest verfolgte van der Poel bereits als Zuschauer.
Kein Defekt, kein Sturz und unschlagbare Beine: Nach 259,7 Kilometern - 55,7 km davon über das berüchtigte Kopfsteinpflaster - fuhr der Superstar vom Team Alpecin-Deceuninck am Sonntag zum Sieg bei der 121. Ausgabe der "Königin der Klassiker".
"Es war nicht wirklich geplant. Ich wollte das Rennen schwer machen, das ist meine Stärke. Ich hatte einen ziemlich guten Tag", sagte van der Poel. Der 29-Jährige, der am vergangenen Wochenende bereits die Flandern-Rundfahrt gewonnen hatte, hatte am Ende drei Minuten Vorsprung auf seinen belgischen Teamkollegen Jasper Philipsen. Dritter wurde Ex-Weltmeister Mads Pedersen (Lidl-Trek) aus Dänemark.
Politt (UAE Emirates) überzeugte mit einer mutigen und wachsamen Fahrweise, hatte im Sprint der Verfolger aber das Nachsehen und wurde Vierter. Politt verpasste sein zweites Roubaix-Podest nach seinem zweiten Platz 2019 knapp. "Die Beine waren gut. Leider hatte ich zwei schnelle Fahrer an meiner Seite, aber ich kann zufrieden sein", sagte Politt.
John Degenkolb (dsm-firmenich PostNL), der 2015 als zweiter Deutscher nach Josef Fischer (1896) bei der "Königin der Klassiker" triumphiert hatte, belegte einen guten elften Rang.
Die großen Sturzdramen der vergangenen Wochen setzten sich nicht fort. Vereinzelte Unfälle blieben nicht aus, die schlimmsten Befürchtungen bewahrheiteten sich aber nicht. Der größte Crash ereignete sich in der stressigen Anfangsphase weit vor dem ersten Pave-Sektor. 37 km nach den Start kamen in einer Ortschaft rund 20 Fahrer zu Fall, darunter Politt und Jonas Rutsch (EF Education-EasyPost). Für Rutsch war das Rennen gelaufen. Zu weiteren Massenstürzen kam es nicht.
Nach dem ersten Pave-Abschnitt zwischen Troisvilles und Inchy entwickelte das Rennen eine neue Dynamik. Das hohe Tempo an der Spitze, die Holperpisten, Defekte und teils starke Seitenwinde rissen große Lücken in das Feld.
Die Führungsgruppe um van der Poel war früh dezimiert, Politt und Degenkolb überstanden die erste große Selektion dank cleverer und wachsamer Fahrweise. Politt wechselte später sein Rad wegen eines Defekts, fand aber schnell wieder den Anschluss.
Die Spitzengruppe raste geschlossen auf die berüchtigte Schlüsselstelle Wald von Arenberg zu. Die neue Schikane vor der gefürchteten Passage, die die Gefahr für die Fahrer reduzieren sollte, hatte im Vorfeld für Kontroversen gesorgt. Zwischenfälle blieben aus. Auch die enge Waldschneise überstanden die Radprofis unbeschadet.
Politt wagte wenig später eine mutige Attacke und setzte sich mit zwei weiteren Fahrern zwischenzeitlich eine knappe Minute ab. Ins Ziel rettete der Deutsche den Vorsprung aber nicht.
Nichts entgegenzusetzen war stattdessen der Attacke van der Poels. Der Niederländer zündete 60 km vor dem Ziel auf dem Pave-Sektor in Orchies den Turbo und zog davon. Die Rivalen waren sich in der Verfolgung zunächst nicht einig. Van der Poel flog über das Pave, baute seinen Vorsprung sukzessive aus und war nicht mehr einzuholen.