Der Himmel über dem Carlton Gardens war bedrohlich grau, als Melbourne-Queen Serena Williams zur letzten Audienz ihrer glorreichen Australien-Reise bat. In bauchfreiem Ledertop und hautengem Rock trotzte die 33-Jährige den kühlen Temperaturen und herzte vor der versammelten Weltpresse noch einmal ihre Siegertrophäe. "Die Schönste der Welt übrigens", wie Williams stolz anmerkte.
Längst vergessen waren da die Qualen und Brechanfälle, die Williams rund 17 Stunden zuvor auf dem Weg zu ihrem sechsten Australian-Open-Titel und insgesamt 19. Grand-Slam-Coup durchleben musste.
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Auch Major-Rekordhalterin Steffi Graf (22 Titel) war angetan von der Leistung der jüngeren Williams-Schwester, die im emotionalen Traumfinale die Russin Maria Sharapova (Nr. 2) mit 6:3, 7:6 (7:5) bezwungen hatte. "Sie spielen zu sehen, ist ein Privileg für jeden Tennis-Fan. Well done, Serena!", schrieb Graf bei "Facebook".
"Es begann alles mit einem Schläger"
Und Williams' Antwort ließ nicht lange auf sich warten: "Wow, was für eine Ehre, das von meinem Vorbild zu hören." Grafs Bestmarke hat die Amerikanerin längst im Visier, will sich aber nicht unter Druck setzen lassen: "Ich würde es lieben, auf 22 Titel zu kommen. Aber es wird schwer."
Bereits nach ihrem Triumph in der Rod-Laver-Arena hatte sich die bislang älteste Melbourne-Siegerin demütig gegeben. "Bei mir begann alles mit einem Schläger, einem Ball und einer Hoffnung", sagte die topgesetzte Williams mit Blick auf ihre Kindheit in einem Problemviertel in Los Angeles, in dem Schießereien keine Seltenheit waren. Sie sei in keiner reichen Familie aufgewachsen, "aber wir hatten immer den Glauben an uns".
Anerkennung von Coach und Schwester
Und Williams hätte diesen kaum besser dokumentieren können als bei ihrem dritten Matchball. Nach einem vermeintlichen Ass riss sie bereits die Arme in die Höhe - doch der Aufschlag hatte das Netz berührt.
Kein Problem für den "ultimativen Champion", wie Serena von ihrer großen Schwester Venus genannt wird. Nur wenige Sekunden später setzte die Branchenführerin wie selbstverständlich ihr Service noch einmal in dieselbe Ecke. Bumm. "Das kann einfach nur Serena", sagte ihr Coach Patrick Mouratoglou nach dem siegbringenden 18. Ass, das Williams in die Knie sinken und wenig später wie ein Flummi über den Platz hüpften ließ.
"Einzigartig", titelte die Zeitung "The Age", während die "New York Times" schrieb: "Serena gewinnt mit Husten, Mut und Assen."
Williams bleibt Sharapovas Angstgegnerin
Wirklich nichts scheint Williams, die bereits über 65 Millionen Dollar an Preisgeldern kassiert hat, aufhalten zu können. Erstmals in ihrer 20-jährigen Profikarriere hatte sich die bereits seit einer Woche unter einer Erkältung leidende Rechtshänderin während eines Matches im Kabinengang übergeben müssen. "Danach ging es mir aber besser", sagte Williams.
Auch Sharapova zog den Hut vor ihrer Angstgegnerin, gegen die sie seit 2004 und in nun 16 Matches nicht mehr gewonnen hat. "Serena ist die Beste und hat wieder einmal Geschichte geschrieben", meinte die 27-Jährige und sagte mit Tränen in den Augen: "Es ist immer eine Ehre, gegen sie zu spielen. Ich liebe es, obwohl meine Enttäuschung wieder groß ist."
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