Alexandra Vecic erreichte Anfang des Jahres als erste Deutsche seit Marlene Weingärtner 1997 das Halbfinale der Juniorinnen-Konkurrenz bei den Australian Open in Melbourne. Im Interview mit SPOX und DAZN spricht die 18-Jährige über Ihren Weg auf die Profitour, ihre großen Vorbilder und verrät, was ihr unglaublich schwerfällt.
Wie hat das Jahr 2020 so angefangen, was haben Sie sich für Ziele für dieses Jahr gesetzt?
Alexandra Vecic: Meine erste Turnierreise ging nach Australien, davor war ich in der Schule. Das hat alles gut angefangen und danach waren eigentlich noch ein paar 15.000-Dollar-Turniere geplant, also noch bevor Corona alles auf den Kopf gestellt hat. Die musste ich leider absagen, weil ich eine Schulterverletzung hatte. Mein letztes Match war also das Australian-Open-Halbfinale. Ich hoffe wirklich, die Tour geht im August wieder los, denn ich hatte mir am Anfang des Jahres als Ziel gesetzt, bei den Junior Grand Slams noch mal gut abzuschneiden und dann den Einstieg auf die Profitour zu schaffen. Ich wollte mit 15.000-Dollar-Turnieren anfangen und auch 25.000-Dollar-Turniere waren viele im Sommer geplant, so dass ich mich da hocharbeite - sozusagen die ersten Schritte mache - und am Ende des Jahres eine solide Ranglistenposition habe. Aber mal sehen, inwieweit ich das jetzt noch erfüllen kann.
Sie sind 18 geworden, haben Abi gemacht. Wie sind Sie eigentlich da hingekommen, wo Sie heute sind?
Vecic: Mein Papa ist Tennistrainer und damit hat alles angefangen, als ich klein war. Er musste den ganzen Tag arbeiten, ich habe ihn kaum gesehen, weil ich morgens in der Schule oder im Kindergarten war. Dann kam er spät nach Hause, da habe ich schon geschlafen und so haben wir quasi aneinander vorbeigelebt. Dann kam die Idee, dass meine Mutter mich zu ihm fährt, damit ich ihn immer mal wieder sehe zwischen den Trainingsstunden. Ich habe dann mit ihm Zeit verbracht und erlebt, wie die anderen spielen. Ich fand das cool und habe zum Spaß in den Pausen ein paar Bälle geschlagen. Und dann hat sich mehr daraus entwickelt, ich habe mit fünf Jahren so richtig angefangen und ein, zweimal die Woche eine Stunde wirklich gearbeitet. So bin ich zum Tennis gekommen.
So wie Sie fangen auch viele in dem Alter an, aber dass Sie dann in ein Junioren-Grand-Slam-Halbfinale kommen, das schaffen nur die wenigsten.Wann haben Sie gemerkt, dass Tennis mehr als ein Hobby ist?
Vecic: Das war für mich von Anfang an so, weil es mir vom Charakter her schwerfällt, Sachen halbherzig zu machen. Ich habe auch andere Sportarten parallel als Hobby ausprobiert, aber das hat nie funktioniert. Wenn ich etwas gemacht habe, wollte ich es immer richtig machen, wollte ich darin so gut werden, wie es geht. Deshalb war für mich relativ früh klar, dass ich mich auf Tennis konzentrieren und es dann eben auch als Leistungssport ausüben will. Dass das jetzt natürlich so gut geklappt hat und dass ich jetzt schon so weit gekommen bin, hat sich glücklicherweise ergeben und war dann auch viel harte Arbeit.
Mit wie viel Jahren haben Sie gemerkt, dass Sie besser sind als die anderen, mit denen Sie im Klub gespielt haben?
Vecic: Das habe ich sehr früh gemerkt, weil ich schon in den höheren Altersklassen Turniere in meiner Region gewonnen habe. Das liegt natürlich auch daran, dass die Region jetzt vielleicht ein bisschen schwächer war als andere. Aber grundsätzlich ich habe früh, auch durch einige Erfolge hier in Württemberg, den Eindruck gehabt, dass das in die richtige Richtung geht.
imago images / Beautiful SportsAlexandra Vecic: "Das muss man abwägen, man kann nie alles haben"
Dieses ganze Konzept mit Porsche als Förderer und dem DTB - viel besser kann man es ja eigentlich gar nicht machen in der Nachwuchsförderung. Wie sind die auf Sie aufmerksam geworden?Wie ist dieser Kontakt zustande gekommen?
Vecic: Beim Porsche Kids Cup, der findet im Rahmen des 'richtigen' Porsche-Turniers statt. Da spielen die besten acht U13-Nachwuchsspielerinnen und das habe ich dann mit zwölf Jahren überraschenderweise gewonnen. Das war so der erste Kontakt. Danach ging es weiter, ich wurde für die Jugend-Nationalmannschaft eingeladen, habe bei den deutschen Meisterschaften ganz gute Ergebnisse erzielt und so hat sich das Ganze dann entwickelt.
Als Jugendliche haben Sie sich ja dazu entschieden, Profisportlerin zu werden. Fehlt Ihnen da manchmal etwas im Alltag, was Sie gerne ausprobieren würden?
Vecic: Das fehlt mir gar nicht, muss ich ehrlich sagen, weil ich finde, man muss das immer relativ sehen. Klar, man verpasst viel durch den Leistungssport. Aber man sieht auch sehr vieles, was normale Jugendliche nie sehen. Ich kenne niemanden aus meiner alten Schule, der mit 18 Jahren in Australien war, in Amerika, in fast ganz Europa - das sind einfach andere Dinge, die man da miterlebt. Das muss man abwägen, man kann nie alles haben. Man muss sich entscheiden, was man will. Will man die Sportkarriere oder will man mehr vom normalen Jugendleben haben, was auch sicher sehr schön ist. Aber für mich ist diese Tenniswelt mit den Eindrücken, die man da bekommt, definitiv schöner.
Sie sind in einem Alter, da wird sich jetzt vieles entscheiden. Was würden Sie sagen, auf welchem Stand sind Sie gerade?
Vecic: Schwer zu sagen, denn im letzten halben Jahr lief nicht viel im Tennis. Aber ich denke, im Juniorinnenbereich bin ich auf ein sehr gutes Niveau gekommen. Manche, die dort gut waren, schaffen relativ schnell den Einstieg ins Profitennis, andere brauchen ein bisschen länger. Das ist sehr unterschiedlich, weil das einfach eine ganz neue Stufe ist. Die Profitour ist etwas ganz anderes als das Jugendtennis. Zum einen dieses professionelle Umfeld bei den Turnieren und dann eben diesen Druck zu verspüren, wenn es um Preisgeld, um die Rangliste geht. Man hat ja erst einmal finanziell begrenzte Möglichkeiten. Das sind also verschiedene Faktoren und da muss man einfach mit umgehen können. Jeder macht das ein bisschen anders. Ich denke, ich bin auf einem guten Weg momentan, aber wie schnell ich jetzt den Einstieg schaffe oder wie schnell es jetzt vorangeht, wenn die Tour wieder startet, kann ich schwer einschätzen. Ich werde auf jeden Fall mein Bestes geben, dass ich möglichst schnell einen sehr guten Einstieg finde.
Alexandra Vecic: "Ich finde Andrea Petkovic sehr cool"
Haben Sie Vorbilder?
Vecic: Maria Sharapova. Ich finde ihre Einstellung Wahnsinn. Als ich mit zwölf Jahren den Porsche Kids Cup gewonnen habe, habe ich sie zum ersten Mal trainieren sehen. Das war auch das erste Mal, dass ich wirklich einen Profi habe trainieren sehen. Das hat mich einfach mega begeistert. Das ist mir heute immer noch präsent, weil ich es einfach unglaublich fand, wie professionell sie gearbeitet hat. Von Warm-Up über Einspielen bis zum Dehnen, das war wirklich alles perfekt. Sie war so konzentriert dabei. Und sie hatte auch so eine gute Ausstrahlung, dass sie mich echt beeindruckt hat. Seitdem ist sie wirklich mein Vorbild. Zusätzlich finde ich sie einfach als Person sehr sympathisch, weil sie eben auch bodenständig geblieben ist. Das schätze ich sehr. Deshalb empfinde ich auch Rafael Nadal bei den Herren als ein Vorbild. Auch wegen dieser harten Arbeit, aber auch einfach, weil er wirklich normal geblieben ist, weil er sympathisch ist. Es ist für mich auch sehr wichtig, dass ein Mensch ein Mensch bleibt.
Wie sieht das mit deutschen Vorbildern aus, fühlen Sie sich da irgendwem verbunden?
Vecic: Ich finde Andrea Petkovic sehr cool. Viele sagen lustigerweise, dass wir uns sehr ähnlich sind. Ich mag ihre entspannte, lustige Art. Sie war auch definitiv immer eines meiner Vorbilder. Und klar, Angie Kerber. Es ist einfach mega, was sie geleistet hat. Grand Slams zu gewinnen, die Nummer eins zu sein, das ist unglaublich.
Sie haben nach der Coronapause dieses Spiel gegen Laura Siegemundgemachtund wir haben danach auch kurz mit ihr gesprochen. Sie meinte, dass Sie eine wahnsinnig talentierte Spielerin sind, abersie wusste irgendwann im Spiel, wie Sie zu knacken sind, weil sie natürlich auch erfahrener ist. Was haben Sie in diesem Spiel zum Beispiel für sich rausgezogen?
Vecic: Das ist natürlich interessant, weil es das erste Mal war, dass ich gegen eine Top-100-Spielerin angetreten bin. Mit ihrer Spielweise habe ich grundsätzlich zu kämpfen, weshalb ich davor ziemlich Respekt hatte. Aber man kann da natürlich viel für sich herausholen. Die Einstellung fand ich sehr gut von ihr, wie sie dieses Match angegangen ist, wie fokussiert sie war, wie konzentriert sie war, wie ernst sie das wirklich genommen hat. Für sie ist es auch nicht selbstverständlich, in so einem Ambiente einfach zu spielen. Das fand ich sehr beeindruckend. Man kann sich die Videos von den Matches ja auch ansehen. Das habe ich auch danach gemacht und geschaut, mit welchem Schema sie die Punkte gegen mich gemacht hat und was ich hätte besser machen können.
imago images / HasenkopfAlexandra Vecic: "Das sind für mich zwei komplett unterschiedliche Welten"
Gehen wir nochmal zurück zu den Australian Open. Sie haben die an Eins gesetzte Spielerin geschlagen und dann das Halbfinale in drei Sätzen verloren. Wenn Sie das Match mit dem Spiel gegen Laura Siegemund vergleichen, wo sind da die Unterschiede?
Vecic: Das sind für mich zwei komplett unterschiedliche Welten. In Australien war ich voll drin, hatte viele Trainingsmatches gespielt, war von der Saison davor noch im Matchrhythmus. Das Spiel gegen Laura jetzt war das erste nach einer längeren Pause, das ist ein bisschen gewöhnungsbedürftig, weil man nicht so diese Denkmuster, diese Selbstverständlichkeit auf dem Platz hat. Das ist schon mal der erste Unterschied. Und zweitens einfach diese ganze Atmosphäre beim Grand Slam in Australien. Es motiviert mich, wenn die Stimmung da ist, wenn die Zuschauer da sind, wenn die Energie da ist - und das war in Australien halt der Fall. Da steht man auf dem Platz, macht noch gar nichts und fühlt sich schon, als wäre man auf Flügeln. Das war in Stuttgart leider nicht so, weil einfach keine Zuschauer erlaubt sein durften. Da kann nicht die gleiche Atmosphäre aufkommen. Auch vom Spielerischen her ist ein Vergleich schwierig. In Australien haben wir auf Hartplatz gespielt und in Stuttgart auf Sand. Dazu sind die beiden Gegnerinnen komplett unterschiedliche Spielerinnen und dadurch waren das dann eben auch sehr unterschiedliche Matches.
Mit welchem Ziel haben Sie während dieser Coronazeit gearbeitet? Wie haben Sie sichmotiviert?
Vecic: Mit der Motivation war es relativ leicht. Ich habe einfach an die Ziele gedacht, an die ganz großen Ziele und zu mir selbst gesagt: 'Okay, wo will ich in fünf Jahren stehen?' Und: 'Dafür muss ich jetzt arbeiten, denn es entscheidet darüber, wo ich in fünf Jahren stehen werde.' Das war meine Motivation, um dran zu bleiben, obwohl alles sehr ungewiss war. Klar ist es trotzdem schwer, sich dann jeden Tag richtig ins Zeug zu legen. Vor allem, wenn man kein Tennis spielt, sondern wirklich ein paar Wochen nur Konditionstraining machen muss. Irgendwann wird es dann auch zäh, weil man das so nicht kannte und man natürlich auch das Tennisspielen einfach vermisst. Die Motivation war schon da, aber es war natürlich eine schwere und ungewisse Zeit und eine komplette Umstellung.
Sie haben sich vor einigen Wochen bei einem Turnier verletzt bzw. haben aufgegeben. Können Sie erklären, was passiert ist?
Vecic: Ich bin eine Woche vor dem Turnier umgeknickt und hatte dann ein bisschen Schmerzen im Training. Aber natürlich wollte ich unbedingt versuchen zu spielen, vor allem gegen Laura - klar, da war ich schon etwas beeinträchtigt - aber es ging wirklich noch. Ich konnte relativ frei aufspielen, aber das hat sich dann halt danach verschlimmert. Die Schmerzen waren mehr, die Schwellung war da, man hat gemerkt, es läuft nicht so gut. Und dann wurde das zweite Spiel leider wegen Regen abgebrochen, es ging nochmal in den nächsten Tag und das war dann eben zu viel. Da hatte ich bei jedem Schritt einen stechenden Schmerz und es war klar, dass ich aufgeben muss.
Alexandra Vecic: "Ich will immer viel und ich denke dann: viel Arbeit, viel Erfolg"
Was glauben Sie, wenn jemand über Ihre Schwächen sprechen würde, über was würde er dann sprechen?
Vecic: Ich glaube, mein Aufschlag wäre ziemlich weit vorne. Barbara Rittner würde wahrscheinlich auch den Volley anführen. Aber auch ein bisschen den Ehrgeiz, der manchmal einen Tick zu viel ist, der dann in Verkrampfungen münden kann. Das würde Barbara wahrscheinlich auch ansprechen.
Woran möchten Sie jetzt arbeiten? Was ist der Punkt eins, worin Sie sich verbessern möchten?
Vecic: Also Punkt eins ist definitiv der Aufschlag. Im Defensivspiel bin ich nicht schlecht, aber ich würde trotzdem sagen, dass es nicht mein Spiel ist. Ich mag es sehr gerne, selbst mit meiner Vorhand Druck zu machen. Wenn ich nur hin und her laufe, ist das eigentlich nicht die Art, wie ich meine Punkte mache. Es ist zwar gut, manchmal einen Punkt zu erkämpfen, aber auf Dauer gewinne ich so meine Matches nicht. Und neben dem Aufschlag ist der Volley auch immer noch so ein Thema, an dem ich arbeite. Das ist aber nicht so eine wichtige Sache wie der Aufschlag. Weiterhin würde ich gerne meine Beinarbeit verbessern, weil das bei mir so ein Schlüsselpunkt ist. Wenn ich mich gut bewege auf dem Platz und mich auch von der Beinarbeit her flüssig und schnell fühle, dann spiele ich auch gut. Ansonsten ist die Rückhand immer ein Thema und bei der Vorhand muss ich aggressiv dranbleiben. Das sind einfach die Basics, an denen immer gearbeitet wird.
Wie wichtig ist Regeneration? Warum fällt es Ihnen so schwer zu pausieren?
Vecic: Ich weiß, Regeneration ist für mich sehr wichtig. Und ich verstehe durchaus auch, dass man dem Körper Ruhe geben muss und solche Sachen wie Physio, Eisbad und Sauna finde ich auch gut. Das einzige, was mir schwerfällt, sind diese Auszeiten, diese kompletten Pausen, weil ich einfach so einen ehrgeizigen Charakter habe. Ich will immer viel und ich denke dann: viel Arbeit, viel Erfolg. Das ist für mich der Schlüssel. Und genau deshalb fällt mir das ein bisschen schwer zu akzeptieren, dass es manchmal besser ist, einfach mal drei Tage nichts zu machen, sondern wirklich dem Körper und dem Geist Zeit zu geben, sich zu regenerieren.
Wie ist die Stimmung innerhalb des Teams mit allen Talenten? Wie geht man damit um, wenn man gleichzeitig Konkurrent, aber auch Teamkollege ist?
Vecic: Die Atmosphäre ist entspannt. Wir sind alle gut befreundet untereinander. Das ist gar kein Problem. Man nimmt es auch gar nicht als Konkurrenz wahr. Natürlich ist da auch Ehrgeiz, wenn wir um Punkte spielen. Es ist auch nicht so, dass das alles lasch vor sich geht oder man sich nicht auch mal kurz auf dem Platz anmotzt. Aber es ist nicht so, dass es irgendwelche richtigen Spannungen oder Streitigkeiten gibt, das gar nicht.