Jelena Rybakina fiel dem Verbandspräsidenten ihrer neuen Tennis-Heimat um den Hals, Ons Jabeur trauerte ihrer verpassten Chance mit Tränen in den Augen nach. In einem wechselhaften Wimbledonfinale hatte sich die gebürtige Russin Rybakina durchgesetzt und den ersten Grand-Slam-Titel für Kasachstan gewonnen. Jabeur blieben nur der Silberteller und viele anerkennende Worte - auch von Herzogin Kate.
Der Ruhm und die Venus-Rosewater-Schale gehörten nach dem 3:6, 6:2, 6:2 jedoch Rybakina, die mit 23 Jahren aufschlag- und nervenstark das Finale drehte und wusste, bei wem sie sich zu bedanken hatte. Bulat Utemuratow hatte Rybakina früh gefördert und sie 2018 von einem Start unter kasachischer Flagge überzeugt. Als Russin wäre ihr Tennis-Märchen nach dem Bann des All England Club nicht möglich gewesen.
"Ich kann nur sagen, dass ich Kasachstan repräsentiere. Ich habe mir nicht ausgesucht, wo ich geboren bin", sagte Rybakina: "Kasachstan hat mich sehr unterstützt, auch heute haben mich viele unterstützt, ich habe die Fahnen gesehen." Mehr wollte sie zu dem politisch brisanten Thema nicht sagen.
Rybakina richtete ihr Wort an Utemuratow und dankte "für die Unterstützung im Halbfinale und Finale". Die "Wichtigsten", sagte sie aber auch, seien ihre Eltern, die in Moskau leben und nicht nach Wimbledon gereist sind, "ohne die wäre ich nicht hier, so viel steht fest". Die Zuschauer lachten bei der etwas unsicheren, aber sympathischen Siegesrede.
Nette Worte fand Rybakina auch für Jabeur, die nach ihrem Erfolg über Tatjana Maria im Halbfinale letztlich verdient verlor. "Du bist eine Inspiration für alle", sagte sie. Ein schwacher Trost für die Tunesierin, die sich an einem besonderen Tag so viel vorgenommen hatte. "Ich liebe das Turnier so sehr, ich bin sehr traurig", gab Jabeur zu und wünschte allen Muslimen ein glückliches Opferfest: "Happy Eid Al Adha." Ihre Tränen waren noch nicht getrocknet.
Wimbledon: Jabeur startet stark - Rybakina kämpft sich rein
Dabei hatte ihr erstes Grand-Slam-Finale für die Weltranglistenzweite perfekt begonnen. Zweimal nahm sie im ersten Satz Rybakina den Aufschlag ab, laut Rekordsiegerin Martina Navratilova "derzeit die stärkste Waffe im Frauentennis". Doch im zweiten Durchgang verlor Jabeur (27) zuerst ihr Service und dann die Linie. "Vielleicht wollte ich diesen Titel zu sehr", gab sie später zu.
Wie gegen Maria wirkte sie teilweise zu verspielt, Rybakina dagegen erstaunlich kühl. Schnörkellos reagierte die 1,84 m große Kasachin auf die Variation ihrer Gegnerin, so schnörkellos, wie sie sich den Fragen nach ihrer Herkunft entgegengestellt hatte.
Rybakina stammt aus Moskau, dort ist sie aufgewachsen und ausgebildet worden. "Ich spiele schon lange für Kasachstan, ich bin glücklich, Kasachstan zu repräsentierten", hatte Rybakina vor dem Finale betont. Sie habe das schon bei Olympia und im Fed Cup getan.
Tiefer geht Jabeurs Heimatliebe, doch die Last, die sie sich dadurch selbst auferlegt hatte, drückte von Minute zu Minute schwerer auf ihre Schultern. "Ich spiele ja nicht nur für mich", hatte sie gesagt: "Ich spiele für mein Land, für die arabische Welt, für den afrikanischen Kontinent." Dem Druck war sie nicht gewachsen, während Rybakina befreit aufspielte.
Wimbledon: Die Gewinnerinnen der letzten Jahre
Jahr | Siegerin | Finalistin | Ergebnis |
2012 | Serena Williams | Agnieszka Radwańska | 6:1, 5:7, 6:2 |
2013 | Marion Bartoli | Sabine Lisicki | 6:1, 6:4 |
2014 | Petra Kvitová | Eugenie Bouchard | 6:3, 6:0 |
2015 | Serena Williams | Garbiñe Muguruza | 6:4, 6:4 |
2016 | Serena Williams | Angelique Kerber | 7:5, 6:3 |
2017 | Garbiñe Muguruza | Venus Williams | 7:5, 6:0 |
2018 | Angelique Kerber | Serena Williams | 6:3, 6:3 |
2019 | Simona Halep | Serena Williams | 6:2, 6:2 |
2020 | ausgefallen, COVID-19-Pandemie | ||
2021 | Ashleigh Barty | Karolína Plíšková | 6:3, 6:7, 6:3 |
2022 | Jelena Rybakina | Ons Jabeur | 3:6, 6:2, 6:2 |