Auch Didier Deschamps staunte nicht schlecht, als Marie-Jose Perec das Match, das die Tenniswelt in den kommenden Tagen fesseln wird, aus dem Coupe de Mousquetaires zog. Alexander Zverev gegen Rafael Nadal. Der Olympiasieger gegen den Sandplatzkönig. Die Neuauflage dieses denkwürdigen Halbfinal-Duells, das Nadal 2022 an seine Grenzen und Zverev darüber hinaus brachte. Im Rollstuhl wurde der Deutsche damals vom Court Philippe Chatrier in Paris geschoben - in eine ungewisse Zukunft.
Heute, zwei Jahre später, haben sich die Vorzeichen verändert. Zverev (27) gehört nach seinem Sieg beim Masters in Rom zu den Mitfavoriten auf den Titel bei den French Open, Nadal (37) nicht einmal mehr zu den Gesetzten. Der Spanier, 14-maliger Champion in Roland Garros, ist nach zahlreichen Verletzungen bis auf Platz 276 der Weltrangliste zurückgefallen, aber in seinem Sandplatzreich niemals zu unterschätzen.
Das wusste Fußball-Weltmeister Deschamps, das wusste die dreimalige Leichtathletik-Olympiasiegerin Perec - und das weiß auch Zverev selbst. "Rafa wird viel besser spielen als in Madrid oder Rom, da bin ich sicher", sagte er nach seinem Triumph im Foro Italico. Dort war Nadal weit unter seinen außerirdischen Möglichkeiten geblieben, die ihn zum größten Sandplatzspieler der Tennisgeschichte gemacht hatten.
"Wenn man über Roland Garros spricht und Nadal dort ist, ist er für mich immer der größte Favorit", sagte auch Titelverteidiger Novak Djokovic bei seiner Generalprobe in Genf: "Nach all dem, was er auf den Plätzen von Roland Garros getan hat, ist es normal, ihn als den größten Favoriten zu sehen." Natürlich sei Nadals Niveau vor Paris "ein wenig anders" als üblich gewesen, sagte Djokovic, "aber es ist Roland Garros, und es ist Nadal."
Hier hat der 22-malige Grand-Slam-Champion die Grenzen verschoben, hier hat er erst drei (!) Matches verloren, bei 112 Siegen. 14 Mal stand er im Finale, 14 Mal gewann er, musste nie über fünf Sätze. Selbst 2022, als Zverev über weite Strecken wie der bessere Spieler aussah, führte Nadal 7:6 (10:8), 6:6, ehe der Hamburger an der Grundlinie schwer umknickte. Geschlagen geben musste sich Nadal nur Novak Djokovic (2015 und 2021) und Robin Söderling (2009).
Doch Zverev geht als Favorit in die Partie - und könnte derjenige sein, der die einzigartige French-Open-Geschichte des Mallorquiners beendet. Nadal befindet sich auf seiner Abschiedstour, ob er im kommenden Jahr nach Paris zurückkehrt, ist unwahrscheinlich.
Zverev dagegen hat den Tiefpunkt seiner Karriere überwunden und geht so stark und selbstbewusst wie lange nicht an den Start. "Ich muss mich auf mich selbst konzentrieren, um wie früher meinen Rhythmus in Paris zu finden. Dann habe ich alles selbst im Schläger", sagte er.
Doch der Weg ist weit - und wäre auch nach einem Sieg über Nadal mit Topspielern gepflastert. Bereits im Achtelfinale könnte Top-Talent Holger Rune (Dänemark) warten, im Viertelfinale Zverevs Erzrivale Daniil Medwedew. Im Halbfinale bescherte ihm die frühere Weltklassesprinterin Marie-Jose Perec ein mögliches Duell mit Grand-Slam-Rekordchampion Djokovic. Steiniger geht es kaum.
Kohlmann zu Zverev-Nadal: "Sascha ist leichter Favorit"
Aus Sicht des Tennis-Bundestrainers Michael Kohlmann geht Zverev mit Vorteilen ins hochspannende Erstrundenduell. "Ihn in Paris nicht als Favoriten zu nennen, fühlt sich irgendwie komisch an, aber trotzdem würde ich sagen, dass Sascha in dem Match leichter Favorit ist", sagte Kohlmann nach der Auslosung am Donnerstag dem SID.
Die hatte den Tennisfans einen Blockbuster beschert: Mitfavorit Zverev (Hamburg/Nr. 4) gegen den nach zahlreichen Verletzungen ungesetzten Rekordchampion Nadal. "Wahnsinn. Das ist natürlich ein Knaller", sagte Kohlmann: "Ich glaube, dass sich keiner im Feld unbedingt Rafael Nadal als in der ersten Runde gewünscht hat. Das ist natürlich ein Brett."
Nach seinem Masterssieg in Rom habe Zverev (27) "hoffentlich genug Selbstvertrauen getankt, dass er sich das dann auch zutraut". Bei allem Respekt vor Nadal hat die Auslosung für Kohlmann positive Effekte. "Vielleicht ist das gar nicht so schlecht mit einem solchen Match ins Turnier zu starten", sagte er. Zverev wisse, dass er "sofort da sein muss. Es ist gar nicht so schlecht, nur auf die erste Runde gucken zu müssen und nicht weiter."