Nach der Bronzemedaille der Herren wollen nun die deutschen Volleyballerinnen bei ihrer eigenen WM nachziehen. Vor dem Turnier in Italien spricht Spielführerin Margareta Kozuch über ihre Rolle im Team, abenteuerliche Unterkünfte und das Leben als Weltenbummlerin.
SPOX: Margareta, die deutschen Volleyballer haben mit ihrer Bronzemedaille bei der WM in Polen Geschichte geschrieben. Sind die Damen hinsichtlich ihrer eigenen WM jetzt ein wenig unter Druck?
Margareta Kozuch: Nein, auch nicht mehr als davor (lacht). Ich sehe den Erfolg der Männer eher als Motivationsspritze. Es ist klasse, was sie erreicht haben. Und warum haben sie das geschafft? Weil sie von Spiel zu Spiel gedacht haben und einfach ihren Weg gegangen sind. Daran können wir uns ein Beispiel nehmen.
SPOX: Trotz des großen Erfolgs war die WM der Herren nicht im TV vertreten. Ist der Volleyball-Boom, von dem nach der Damen-Heim-EM 2013 häufig die Rede war, bereits wieder abgeflacht?
Kozuch: Natürlich ist es schade, dass wir ein wenig unter dem Radar fliegen. Von einer Fußball-WM spricht man schon zwei Jahre im Vorfeld, bei uns wissen dagegen 80 Prozent der Leute nicht, dass ein Turnier stattfindet. Trotzdem glaube ich, dass die EM im letzten Jahr ein Schritt in die richtige Richtung war.
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SPOX: Woran machen Sie das fest?
Kozuch: Unsere Partien in der Vorbereitung haben mich positiv gestimmt. Es waren immer viele Fans vor Ort, das Publikum ist sogar nach dem Spielende noch ein wenig da geblieben und hat sich die Interviews angehört. Das ist ja nicht mal bei den Fußballern der Fall. Da schauen mittlerweile einige, dass sie nach einem Spiel bloß nicht in den Stau kommen.
SPOX: Für eine bessere Zukunft wird viel davon abhängen, wie erfolgreich die Damen bei der WM sein werden. Wollen Sie ein konkretes Ziel formulieren?
Kozuch: Auf jeden Fall! Es ist unglaublich wichtig, ein großes Ziel zu haben. Und das lautet bei uns: Wir wollen eine Medaille. Auch Gold ist natürlich ein Thema.
SPOX: Also doch nichts mit "von Spiel zu Spiel denken"...
Kozuch: Das habe ich nicht gesagt. Man muss aber verstehen, dass diese Einstellung keine Plattitüde ist, sondern durchaus Sinn macht. Natürlich ist das große Ziel im Hinterkopf. Aber es ist einfacher und vor allem sinnvoller, sich darüber Gedanken zu machen, was im nächsten Moment greifbar ist. Und das ist nun mal der nächste Aufschlag oder das nächste Spiel, die Medaille steht dann erst ganz am Ende.
SPOX: Die WM in Italien wird für Sie ein Art Rückkehr. Sie haben lange Jahre bei Asystel Volley Novara und Unicom Starker Kerakoll Sassuolo gespielt. Wie groß ist die Vorfreude?
Kozuch: Riesig! Italien ist neben Deutschland und Polen so etwas wie meine dritte Heimat. Das Lebensgefühl ist einmalig, ich hatte eine tolle Zeit dort und bin immer noch häufig da, weil mein Freund in Italien lebt.
SPOX: Sie geraten richtig ins Schwärmen. Mal abseits vom Volleyball: Was können die Deutschen von den Italienern lernen?
Kozuch: Ach, die Italiener genießen das Leben mehr. Man lässt sich auch für die Kleinigkeiten im Leben einfach mehr Zeit und kostet sie aus. Das perfekte Beispiel ist eigentlich der Espresso am Mittag oder Nachmittag. Während man es in Deutschland gar nicht erwarten kann, wieder im Büro zu sitzen, genießt man diese Zeit in Italien richtig. Das würde uns vielleicht auch ab und zu ganz gut tun.
SPOX: Für einen deutschen Erfolg bei der WM wird aber wohl mehr nötig sein. Sind Sie zufrieden mit der Vorbereitung?
Kozuch: Wir hatten viele Hochs, aber auch ein paar Tiefs. Allerdings ist so etwas ganz normal und hängt auch damit zusammen, dass der Kader ein bisschen durchrotiert wurde. Nach dem Turnier in Montreux und dem Auftakt in die Europa League durften die Älteren erst mal Urlaub machen. Beim Grand Prix trafen dann alle wieder aufeinander, da ist es normal, dass ein Rädchen noch nicht ins andere greift. Aber mittlerweile haben wir uns gefunden, die Abläufe wurden aufeinander abgestimmt.
SPOX: Sie haben die nächste Generation angesprochen. Inwiefern sind Sie als Kapitän gefordert, damit die Jüngeren gut integriert werden?
Kozuch: Das läuft ohne Probleme ab, die sind nicht auf den Mund gefallen und bringen sich ganz gut selber ein. Aber natürlich bin ich darauf bedacht, dass sich jeder wohl fühlt. Wenn jemand Probleme hat, darf er immer zu mir kommen, dann spiele ich gerne den Kummerkasten. Vor allem bringt mir die komplette Gruppe aber viel Spaß, das kann die Basis für unseren Erfolg sein.
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SPOX: Beim WM-Titel der Fußballer wurde viel von einem besonderen Team Spirit gesprochen, auch auf Grund der einzelnen WGs in Brasilien. Wie läuft das bei Ihnen ab?
Kozuch: Nun ja, wir haben keinen Strand vor der Tür, wenn Sie das meinen. Meistens ist es so, dass wir uns zu zweit ein Zimmer teilen, alle Spielerinnen jedoch auf einer Etage sind. Da kann man sich ganz leicht am Abend mal zum Karten spielen und Musik hören treffen.
SPOX: Und die Zeit im Badezimmer wird streng reguliert, damit jede auf ihre Kosten kommt?
Kozuch: (lacht) So schlimm ist es nicht. Ich kann zwar nur von mir sprechen, aber ich bin mittlerweile seit sieben Jahren mit Kathleen Weiß auf dem Zimmer, wir sind da gut eingespielt. Wir sind fast schon ein altes Ehepaar und machen Witze darüber, dass wir uns wohl besser kennen als unsere jeweiligen Partner. Und zum Spiegel: Manchmal teilt man sich ihn eben, es gibt Schlimmeres.
SPOX: Im Gegensatz zu den Fußballern hatten Sie in Ihrer Karriere sicherlich nicht immer die luxuriösesten Unterkünfte. Blieb Ihnen eine besonders im Kopf?
Kozuch: Eigentlich will ich mich gar nicht beschweren. Natürlich kommt es mal vor, dass wir ein extrem kleines Zimmer haben. Wir müssen dann aufpassen, unsere Taschen irgendwie unterzubekommen, ohne selber darüber zu stolpern. Aber das ist ja nicht tragisch, wir sind keine Prinzessinnen auf der Erbse. In Sachen "abenteuerlich" fällt mir eigentlich nur eine Sache ein.
SPOX: Nämlich?
Kozuch: Das müsste vor einigen Jahren beim Grand Prix gewesen sind, irgendwo in Asien. Wir waren zusammen mit den Brasilianerinnen untergebracht, aber in dem Hotel ging es drunter und drüber. Überall waren Heuschrecken und Kakerlaken, die Klimaanlage war kaputt, das war kein Spaß. Zum Glück sind wir noch in der Nacht umgezogen.
SPOX: Eine Weltenbummlerin, wie Sie es sind, wirft so etwas wohl nicht mehr aus der Bahn. Sie haben in den letzten Jahren bereits in Polen, Italien, Russland und Aserbaidschan gespielt. Warum Sind Sie 2013 nach Baku gegangen?
Kozuch: Natürlich hat das Finanzielle gepasst, keine Frage. Aber man muss auch die Begebenheiten damals kennen. Ich habe mir im EM-Halbfinale den kleinen Finger gebrochen, damit ist es erst mal schwer, einen Verein zu finden. Doch die Verantwortlichen haben Verständnis gezeigt. Außerdem ist das Niveau dort unglaublich hoch. Individuell gesehen dürfte es die höchste Dichte an Weltklasse-Spielerinnen sein. Das Problem ist eher das ständige Kommen und Gehen der Aktiven. Ein Team schafft es kaum mal, sich wirklich zu finden und weiterzuentwickeln.
SPOX: Nach der WM wartet bereits das nächste Abenteuer. Sie wechseln nach Shanghai. Warum?
Kozuch: Ich war bereits im letzten Jahr kurz davor, nach China zu gehen. Das hat mich gereizt. Umso mehr freue ich mich, dass es in diesem Jahr klappt. Das ist noch mal ein ganz anderes Kaliber. Ich habe schon gehört, dass das Training sehr hart sein soll.
SPOX: Haben Sie Angst?
Kozuch: Nein, um Gottes Willen! Ich freue mich auf diese Herausforderung. Natürlich muss man sich auch an die jeweiligen "Spielregeln" gewöhnen, ich denke da vor allem an die Zusammenarbeit zwischen Spielern und Trainern, die vielleicht ein wenig anders ablaufen wird in Sachen Kommunikation. Aber das ist doch immer so, wenn man ins Ausland geht.
SPOX: Sie sind seit acht Jahren im Ausland unterwegs. Haben Sie jemals Heimweh?
Kozuch: Ich habe mittlerweile ein dickes Fell, das muss man auch irgendwie haben. Wobei ich zugeben muss, dass ich mich bislang fast überall wohl gefühlt habe.
SPOX: Was war die Ausnahme?
Kozuch: Nun ja, während meines einen Jahres in Russland war es nicht so einfach. Ich bin jemand, der immer mit einem Lächeln durch das Leben geht und sehr kommunikativ ist. Das war in Russland leider nicht der Fall. Mir hat diese Barmherzigkeit gefehlt, ich hatte immer den Eindruck, wenn ich jemanden angelächelt habe, bekam ich einen verwunderten oder bösen Blick zurück. Das war wie eine Negativspirale, weil ich mir solche Sachen zu sehr zu Herzen genommen habe. Dazu der viele Schnee, der Verkehr, die Kälte, es war irgendwie alles düster. Aber das liegt hinter mir, aus dieser Erfahrung habe ich viel gelernt. Manchmal muss man einfach seine eigenen Erwartungen herunterschrauben.
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