Erst Peking-Paukenschlag, jetzt Trondheim-Triumph: Olympiasiegerin Victoria Carl feiert überraschend ihren ersten Erfolg im Skilanglauf-Weltcup.
Victoria Carl rutschte aufgeregt auf dem Rentierfell in der Leader's Box herum, schlug immer wieder die Hände vor das Gesicht - und durfte nach 20 Minuten bangen Wartens endlich ihren Teamkolleginnen in die Arme fallen: 669 Tage nach dem goldenen Skilanglauf-Wunder von Peking hat die Olympiasiegerin erneut einen ganz großen Coup gelandet und in Trondheim ihren ersten Weltcupsieg gefeiert.
"Ich weiß nicht, wie ich das gemacht habe. Es ist so verrückt, die ganze Mannschaft ist on fire! Ich bin überglücklich", sagte die 28 Jahre alte Thüringerin, nachdem sie im Intervallstartrennen über 10 km im klassischen Stil der versammelten Weltelite nicht den Hauch einer Chance gelassen hatte.
Nach einem Traumlauf von Start bis Ziel mit perfekten Beinen und perfektem Material hatte Carl 19,6 Sekunden Vorsprung auf die US-Amerikanerin Rosie Brennan. Dritte wurde Schwedens Skiathlon-Weltmeisterin Ebba Andersson (+21,6). "Ich bin gar nicht so schnell gestartet. Aber als ich unterwegs die Zwischenzeiten von den Trainern gehört hatte, hat sich das unglaublich angefühlt", sagte Carl.
Es war der erste Einzelsieg für eine deutsche Frau im Weltcup außerhalb von Etappenrennen seit fast 20 Jahren. Zuletzt hatte Claudia Nystad im Januar 2004 in Otepää über 15 km triumphiert. Danach gelangen Nystad bei den Weltcups-Finals 2008 und 2009 im Sprint sowie Katharina Hennig bei der Tour de Ski 2023 in Val di Fiemme über 15 km jeweils Etappensiege.
Hennig, 2022 in Peking Teamsprint-Olympiasiegerin mit Carl, fehlte am Sonntag in Trondheim wegen der Folgen einer Corona-Infektion - die 10 km im klassischen Stil sind eigentlich ihre Domäne. Nun triumphierte dort ihre Kollegin, die schon bei Olympia mit ihrem Zielsprint auf der letzten Runde die Sensation perfekt gemacht hatte.
Carl war am Sonntag relativ früh mit Startnummer 36 ins Rennen gegangen, lag im Ziel dann 47,2 Sekunden vor der bis dahin führende Norwegerin Astrid Oeyre Slind. Diese hatte Carls Teamkollegin Pia Fink abgelöst - Fink erzielte mit Platz sieben letztlich ebenfalls ein Topergebnis.
Früh war eigentlich klar, dass niemand mehr an Carl herankommen konnte. Doch erst als Weltcup-Spitzenreiterin Jessie Diggins aus den USA mit Startnummer 56, die letztlich Vierte wurde, die Topzeit der Deutschen verpasste, fiel der große Druck von Carl ab.
Ihr Premierensieg kam unerwartet - auch wenn Carl zuletzt schon überragende Leistungen zeigte: In der Vorwoche war sie im schwedischen Östersund als Dritte über 10 km Freistil erstmals auf das Podest gelaufen, in Trondheim am Freitag Fünfte im Sprint und am Samstag Sechste im Skiathlon geworden.
"Jetzt werde ich mich gut für die Tour de Ski erholen", sagte Carl. Diese beginnt am 30. Dezember, ist in diesem Winter der Saisonhöhepunkt. Denn eine WM steht erst wieder 2025 an - auf "Vicis" neuer Lieblingsstrecke in Trondheim.