Olympische Spiele in Paris: Ich freue mich am meisten auf ...
Felix Götz: ... besondere Geschichten, wie sie nur Olympische Spiele schreiben - und die man jetzt noch gar nicht auf dem Zettel haben kann. Ich denke dabei weniger an große Triumphe oder Weltrekorde, eher an "kleine Helden" wie Eric Moussambani aus Äquatorialguinea, der sich 2000 in Sydney atemberaubend langsam durch das Schwimmbecken quälte, von 17.000 Zuschauern frenetisch gefeiert über die 100-Meter-Freistil letztlich doch nicht ertrank und als "Eric der Aal" zumindest für mich zur Legende wurde. Abgesehen davon freue ich mich mit der deutschen Brille auf der Nase auf Basketball und Handball, auf die Leichtathletik-Wettbewerbe sowieso. Eigentlich auf fast alles! Morgens die Glotze einschalten, sich zum Frühstück beispielsweise ein gemischtes Badminton-Doppel reinziehen - das macht Olympische Spiele aus.
Olympic Moments: Der Rekordmann mit der Bong
Justin Kraft: ... Sportarten, die ich im Alltag kaum verfolge. Olympia ist für mich vor allem deshalb so besonders, weil wir in unserer Sportlandschaft mal für zwei Wochen zumindest ein wenig von unserem Fußball-Fokus abrücken können und sehen, dass es auch anderen Sport gibt, der begeistern, faszinieren und packen kann. Den ganzen Tag unterschiedliche Arten von Sport verfolgen - das bietet in der Frequenz und Qualität nur Olympia. Ansonsten freue ich mich auf alle Radsportevents, weil ich mein Herz bereits vor langer Zeit an diesen Sport verloren habe - der es einem nicht immer leicht gemacht hat, ihn zu lieben. Die Zeitfahren und Straßenrennen bei den Männern und Frauen versprechen große Spannung.
Stefan Petri: ... authentische Freudentränen von No-Names, die keine Millionen auf der Bank haben, von ihrem Sport teilweise nicht einmal leben können - und dann auf dem Podest stehen und sehen, dass sich die Quälerei gelohnt hat. Ansonsten: einfach alles? Zwei Wochen Ausnahmezustand mit absolutem Sport-Overkill, schöner geht es nicht. Außerdem haben es mir schon immer die alten Recken angetan, die nicht mehr ganz so gut sind wie früher, den jungen Wilden aber mit letzter Kraft ein Schnippchen schlagen wollen. Deshalb werde ich beim Tennis mit Rafael Nadal, Novak Djokovic, Andy Murray und Angie Kerber mitfiebern, mit Laura Ludwig beim Beachvolleyball, Sebastian Brendel beim Kanu und natürlich mit Timo Boll bei seinem letzten Auftritt an der Platte.
Oliver Wittenburg: Turnen, um nur eine Sportart zu nennen, die leider viel zu geil ist - und trotzdem links liegen gelassen wird. Turner*innen sind für mich unter den vielen Freaks, die wir bei den Spielen bestaunen dürfen werden, die allerunglaublichsten. Ich freue mich aber auf viele, viele Dinge, denn die Vielfalt ist schließlich das Entscheidende bei Olympia.
Olympische Spiele in Paris: Das deutsche Olympia-Gesicht wird ...
Felix Götz: ... ein Kanadier namens Gordon Herbert! Weil die deutschen Basketballer angeführt von Kapitän Dennis Schröder nach dem WM-Coup im vergangenen Jahr noch einmal nach den Sternen greifen, LeBron James und das Team USA von der Platte fegen und Gold holen - träumen wird ja wohl erlaubt sein. Sollte dieser Fall eintreten, fordere ich vorsorglich schon mal eine Statue für Bundestrainer Herbert. EM-Bronze, WM-Gold und Olympia-Gold innerhalb von nicht einmal zwei Jahren - das Brandenburger Tor wäre ein passender Ort für einen "Gordie aus Gold".
Stefan Petri: ... hoffentlich ein positives: Bitte keine geschlagenen Pferde mehr wie in Tokio. Ansonsten schlägt mein Herz für viele der "großen" Sportarten, aber auch wenn ich Sascha Zverev, Andi Wolff, Franz Wagner und Co. jede Medaille gönnen würde, stechen die "kleinen" bei Olympia besonders hervor, und das völlig zurecht. Ich könnte ein ganzes Dutzend aufzählen, beschränke mich aber auf fünf: Lukas Dauser, der trotz Verletzung im Vorfeld Gold am Barren holen will. Lukas Märtens und Florian Wellbrock, die im Schwimmen Chancen auf jeweils zweimal Gold haben - Märtens muss man sogar einen Weltrekord zutrauen. Leo Neugebauer, den "neuen Frank Busemann". Und natürlich Malaika Mihambo: Wenn sie in der Weitsprunggrube einen raushaut und ihren Titel verteidigt, wird sie noch lange Titelseiten zieren.
Oliver Wittenburg: Lukas Märtens eröffnet den Medaillenreigen mit Gold und Weltrekord gleich am Samstag und hätte damit alle Chancen auf den inoffiziellen Titel "deutsches Olympiagesicht". Noch ein Lukas, nämlich Lukas Dauser, ist jetzt schon ein Kandidat, denn seine Teilnahme ist ja ohnehin schon ein kleines Wunder. Anna-Maria Wagner hat das Zeug dazu, Malaika Mihambo natürlich auch und die ewige Isabell Werth erst recht. Ich lass mich aber am liebsten überraschen und hätte gar nichts dagegen, einen Andreas Obst oder Marko Grgic mit Gold um den Hals zu sehen.
Justin Kraft: ... niemand. Ich mag die Fokussierung innerhalb eines Sports auf einzelne Akteure schon nicht, bei Olympia ergibt das noch weniger Sinn. Von Badminton bis Wasserspringen hat jede einzelne Disziplin das Potenzial, Menschen zu begeistern. Natürlich wird es wieder einzelne Sportarten geben, die besonders viel Aufmerksamkeit erhalten - ich denke da an die Faszination des 100-Meter-Sprints. Ein ewiges Hinfiebern auf ein gut zehn Sekunden schnelles Rennen. Aber die Show drumherum und die engen Rennen haben ihren Reiz. Die Jamaikanerin Shelly-Ann Fraser-Pryce hat hier gute Karten, ein Superstar der Spiele zu werden. Auch Rafael Nadal, Simone Biles, LeBron James oder Eliud Kipchoge sind Namen, die auf der Welt bekannt sind. In "meinen" Sportarten denke ich vor allem an Aitana Bonmatí (Spanien, Fußball), Mathieu van der Poel (Niederlande, Radsport) oder Lotte Kopecky (Belgien, Radsport). Ich freue mich aber auf alle und bleibe diplomatisch.
Olympische Spiele in Paris: Der Superstar der Spiele wird ...
Oliver Wittenburg: Auch wenn ich es nicht mag, wenn konkrete Fragen ausweichend beantwortet werden, muss ich mich dem einen oder anderen Kollegen anschließen und ganz klar sagen: keine Ahnung bzw. scheißegal! Ich bin mir ziemlich sicher, dass die beste Olympiageschichte von einer Athletin oder einem Athleten geschrieben wird, den wir vorher nicht auf dem Zettel hatten. Und doch will ich den Namen eines Sportlers nennen, der es mir angetan hat, dem ich einfach gerne zugucke und der vermutlich wieder mal einen ziemlich bossmäßigen Auftritt hinlegen wird: Armand Duplantis. Dass ich hier auf einer Wellenlänge mit dem Kollegen Götz liege (siehe unten), spricht für unseren guten Geschmack.
Justin Kraft: ... Liane Lippert! Die Konkurrenz ist riesig und die Quoten stehen schlecht, dass Lippert im Straßenrennen der Frauen triumphiert. Aber wenn die 26-Jährige eines kann, dann für Überraschungen sorgen. Die Radsportlerin hat genug Punch an kurzen Anstiegen und kann Rennen clever fahren. Wenn sie den richtigen Moment erwischt, traue ich ihr einen Sieg zu - und das wäre wirklich eine tolle Olympia-Geschichte, weil mit ihr vermutlich nur wenige rechnen. Bei der Tour de France der Frauen gelang ihr ein Etappensieg. Warum nicht auch der ganz große Wurf bei Olympia?
Olympic Moments: Der Mann mit den goldenen Schuhen
Felix Götz: Turnerin Simone Biles, Schwimmerin Katie Ledecky oder Sprinter Noah Lyles haben beispielsweise das Zeug dazu. Ich entscheide mich einfach mal für Armand Duplantis! Klar, das Szenario, dass der Stabhochsprung-Gott aus Schweden am 5. August nicht sein zweites Olympia-Gold holt, kann eigentlich nur eintreten, sollte der 24-Jährige seinen Stab in der Heimat vergessen. Und selbst dann würde ich nicht darauf wetten. Seit rund vier Jahren dominiert Duplantis seinen Sport nach Belieben, die acht (!!!) höchsten Sprünge der Stabhochsprung-Geschichte gehen auf sein Konto. Der Weltrekord liegt aktuell bei 6,24 Meter. Setzt Duplantis in Paris noch einen drauf? Man muss es ihm zutrauen!
Stefan Petri: Wenn LeBron James Team USA trotz seiner 39 Jahre zu einer hart umkämpften Goldmedaille führen kann, führt an ihm kaum ein Weg vorbei. Prinzipiell haben aber natürlich vor allem die Athletinnen und Athleten die besten Chancen, die gleich mehrfach Gold holen - Felix hat schon ein vielversprechendes Trio genannt. Ich werfe noch Léon Marchand ins Rennen: Der Superschwimmer könnte im 50-Meter-Becken vier Titel absahnen. Extra für ihn wurden übrigens die Finals der 200 Meter Schmetterling und 200 Meter Brust am 31. Juli nachträglich so weit wie möglich auseinandergelegt. Die sollten ursprünglich direkt hintereinander stattfinden - weil es bislang undenkbar war, in beiden Renen Chancen auf Gold zu haben. Und vergesst mir Félix Lebrun nicht: Das französische Tischtennis-Wunderkind ist erst 17, aber schon die Nummer Fünf der Welt.
Olympische Spiele in Paris: Der größte Olympia-Moment für mich war ...
Felix Götz: Da gibt es alleine aus deutscher Sicht so viele Momente, die sich in mein Gehirn eingebrannt haben. Der Coup im Tennis-Doppel 1992 in Barcelona von Boris Becker und Michael Stich, Nils Schumanns Gold-Lauf über 800 Meter 2000 in Sydney, natürlich Gewichtheber Matthias Steiner, der 2008 in Peking zum stärksten und gleichzeitig gefühlvollsten Mann der Welt wurde, oder die Olympiasiege von Fabian Hambüchen am Reck sowie Kira Walkenhorst und Laura Ludwig im Beachvolleyball, die ich 2016 in Rio de Janeiro für SPOX sogar live vor Ort miterleben durfte.
Da Barcelona 1992 die ersten Spiele waren, die ich bewusst wahrgenommen habe und ich außerdem Schwabe bin, nenne ich an dieser Stelle trotzdem Dieter Baumanns Goldmedaille über 5.000 Meter. "Er schaut schon, Ondieki macht ihm das Loch zu außen. Jetzt wäre die Lücke da, da muss er durch. Das geht doch. Dieter, lauf! Dieter Baumann wird Olympiasieger. Dieter Baumann von der Schwäbischen Alb." Niemals werde ich diesen Augenblick und den Kommentar von Gerd Rubenbauer und Dieter Adler vergessen.
Justin Kraft: Auch hier gibt es nicht den einen Moment für mich. Steiners Goldmedaille ist bei mir nachhaltig hängen geblieben. Die Geschichte dahinter, die Tatsache, dass er dieses Gewicht zuvor noch nie geschafft hatte. Es zeigt, wie viel Kraft Schicksalsschläge in einem Menschen freisetzen können. Eine meiner ersten Erinnerungen an Olympia war zudem die Goldmedaille von Jan Ullrich 2000 in Sydney. Trotz seiner Geschichte war er einer der Helden meiner Kindheit. Und ein dritter Moment, den ich hervorheben möchte, ist das schöne Tor zum 1:0 von Dzsenifer Marozsán gegen Schweden im Finale 2016 in Rio. Maroszán war eine herausragende Fußballerin, bei der es Spaß gemacht hat, zuzusehen. Wie sie mit dem Ball umgehen konnte, war einmalig. Deutschland gewann die Goldmedaille und sie war natürlich ein entscheidender Faktor.
Olympic Moments - Matthias Steiner holt Gold in Peking
Außerhalb der deutschen Perspektive hat mich Simone Biles in Tokio nachhaltig beeindruckt. So offen mit mentalen Problemen umzugehen, ist vorbildlich und man kann sich bei Sportlerinnen und Sportlern nur bedanken, wenn sie dieses wichtige Thema in den Mittelpunkt rücken und sich nicht hinter anderen Ausreden verstecken.
Stefan Petri: Mit 28 Medaillen ist Michael Phelps der mit Abstand erfolgreichste Olympionike der Geschichte. 2008 wollte er bekanntlich unfassbare acht Goldmedaillen gewinnen, doch die 4x-100m-Freistilstaffel schien auf der Schlussbahn von den übermächtigen Franzosen schon geschlagen. Bis Schlussschwimmer Jason Lezak auf der letzten Bahn förmlich explodierte und Alain Bernard auf den letzten Metern noch abfing: Seine 46.06 Sekunden sind bis heute (!) die schnellsten je gemessenen 100 Meter. Phelps' Jubel am Beckenrand und vor allem sein Rekord ging in die Geschichte ein, aber ohne Lezak hätte er es nicht geschafft. Ich bekomme beim US-Kommentar noch immer Gänsehaut.
Jason Lezak im SPOX-Interview: "Auf den letzten 15 Metern kam das Adrenalin"
Oliver Wittenburg: Ich muss gestehen, dass Los Angeles 1984 die ersten Spiele für mich waren, die ich sehr bewusst erlebt habe. Wenn man jetzt noch in Betracht zieht, dass ich damals a) noch sehr jung und b) die Menschen zu dieser Zeit medial unterversorgt waren, kann man sich mit etwas Fantasie vielleicht die schiere Wucht der Bilder, Ereignisse und Geschichten erahnen, die mich damals traf. Allein die Eröffnungsfeier werde ich nie vergessen, deren Höhepunkt der Flug von William P. Suitor mit seinem Raketenrucksack war. Ulrike Meyfahrts (zweiter) Goldsprung und der unglaubliche Hype um den unglaublichen Carl Lewis brannten sich mir ebenfalls ins Gedächtnis ein.
Am eindrücklichsten war aber wohl - zumindest in der Retrospektive - ein 85-sekündiger Akt der Resilienz des Ringers Pasquale Passarelli. Im Goldkampf in Führung liegend geriet der damals 27 Jahre alte Ludwigshafener gegen den Japaner Eto in Rückenlage und drohte, von seinem Gegner geschultert zu werden und damit zu verlieren. Doch Passarelli behauptete sich, indem er eine Brücke formte und sich auf wundersame Weise in dieser verrenkten Haltung - auf seinen Kopf und die Fußsohlen gestützt - und unter großen Schmerzen durchhielt, bis Eto entnervt und erschöpft aufgab. Diese 85 Sekunden reichten, um Passarelli zu einer deutschen Sportlegende und einer weltweiten Legende des Ringens werden zu lassen. Ich verstand damals nicht mehr als überhaupt nichts vom Ringen, aber sehr wohl, dass ich Zeuge eines historischen Sportereignisses geworden war.
Wer gewann die meisten Medaillen in der Geschichte der Olympischen Sommerspiele?
Platz | Sportler/in | Sportart | Jahre | Gold | Silber | Bronze | Gesamt |
1 | Michael Phelps (USA) | Schwimmen | 2004-16 | 23 | 3 | 2 | 28 |
2 | Larisa Latynina (UdSSR) | Turnen | 1956-64 | 9 | 5 | 4 | 18 |
3 | Nikolai Andrianov (UdSSR) | Turnen | 1972-80 | 7 | 5 | 3 | 15 |
4 | Boris Shakhlin (UdSSR) | Turnen | 1956-64 | 7 | 4 | 2 | 13 |
5 | Edoardo Margiarotti (ITA) | Fechten | 1936-60 | 6 | 5 | 2 | 13 |
5 | Ireen Wüst (NED) | Eisschnelllauf | 2006-22 | 6 | 5 | 2 | 13 |
7 | Takashi Ono (JPN) | Turnen | 1952-64 | 5 | 4 | 4 | 13 |
8 | Paavo Nurmi (FIN) | Leichtathletik | 1920-28 | 9 | 3 | 0 | 12 |
9 | Birgit Fischer (GER) | Kanu | 1980-2004 | 8 | 4 | 0 | 12 |
10 | Sawao Kato (JPN) | Turnen | 1968-76 | 8 | 3 | 1 | 12 |
10 | Jenny Thompson (USA) | Schwimmen | 1992-2004 | 8 | 3 | 1 | 12 |