Ricarda Funk blickte nach ihrem Slalomdrama sekundenlang völlig entgeistert auf die Anzeigetafel, konnte ihren bitteren Fauxpas im Hexenkessel von Vaires-sur-Marne kaum fassen.
Nach Zwischenbestzeit gab die Olympiasiegerin von Tokio die greifbare Medaille im Zielspurt doch noch aus der Hand - nach kurzer Schockstarre kullerten bittere Tränen. Denn die 32-Jährige musste sich im Kajak-Wettbewerb der Sommerspiele in Paris am Sonntag mit dem elften Platz begnügen.
"Ich bin ins Risiko gegangen, aber es war heute zu viel", sagte Funk mit brüchiger Stimme im ZDF: "Ich habe es noch nicht so ganz realisiert. Sehr ärgerlich, ich war im Lauf drin und habe gut gefightet." Sie habe viel "Herzblut" auf der Strecke gezeigt.
Vor etlichen deutschen Fans unter den über 15.000 Zuschauern im Osten von Paris paddelte Funk nach starkem Start am 20. Tor vorbei, dafür kassierte sie 50 Strafsekunden. Auch Mama Claudia und Papa Thorsten waren auf der Tribüne geschockt.
Das Halbfinale hatte die Sportsoldatin noch trotz einer Torstangenberührung gewonnen, ging deshalb im Finale als Letzte in den tückischen Wildwasserkurs. Vor drei Jahren hatte Funk die erste Goldmedaille für die deutsche Olympia-Mannschaft in Tokio gewonnen.
Ricarda Funk: "2016 war ein scheiß Jahr für mich"
Endlich wollte sie in Paris nun einmal die volle Magie von Olympischen Spielen erleben. Denn trotz ihres Triumphs vor drei Jahren lastete auf der Sportsoldatin eine Art Olympia-Fluch.
Rio 2016 hätten ihre ersten Spiele sein sollen. Sie galt als Favoritin, doch der Traum platzte - und dann die Tragödie: Während der Spiele in Brasilien starb ihr Trainer Stefan Henze bei einem Autounfall.
"2016 war ein scheiß Jahr für mich, das geht irgendwie immer noch nicht in meinen Kopf rein, was da passiert ist", sagte sie.
Trotz des Schicksalsschlags nahm sie einen neuen Anlauf für Tokio, wegen Corona aber fanden die Spiele ein Jahr später als geplant statt - und Funk fragte sich: "Was hat Olympia eigentlich gegen mich?"
Beim Nachholtermin 2021 konnte es sportlich besser nicht laufen. Gold! Feiern aber konnte sie das kaum. Wegen der Corona-Auflagen - und weil in ihrer Heimat die Flut wütete. Der Kreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz, wo Funk aufgewachsen ist, wurde von dort nie gesehenen Überschwemmungen heimgesucht.
Ricarda Funk: "Beim Cross bin ich mördernervös"
Die Spiele in Paris werden nun nicht als Höhepunkt in Erinnerung bleiben. Zumindest bleibt noch eine weitere Medaillenchance. Außer im Einer-Kajak tritt Funk auch in der neuen olympischen Disziplin Kajak-Cross an.
Den Wettbewerb sieht Funk als "große Bereicherung. Beim Cross bin ich mördernervös. Da werden die Ellbogen ausgepackt."
In den kommenden Tagen schickt der Deutsche Kanuverband mit Noah Hegge, Elena Lilik, Sideris Tasiadis und Stefan Hengst noch weitere Medaillenkandidaten ins Wildwasser.