Olympia 2024, Basketball: Diese Mannschaft kann auch Team USA bezwingen
Obwohl die Griechen früh einige Dreier verwandelten, blieben die Deutschen bei ihrem Plan, sich von Weltstar Antetokounmpo nicht im Alleingang schlagen zu lassen. Der NBA-MVP von 2019 und 2020 traf zwar 9 seiner 14 Feldwürfe für 22 Punkte, verteilte jedoch nur 3 Assists und leistete sich 4 Turnover. Deutschland gelang es sehr gut, immer wieder Hilfe gegen den "Greek Freak" zu schicken, ohne ihm den einfachen Pass zu einem Mitspieler zu ermöglichen.
Wie schon beim überragenden Erfolg gegen Frankreich und Victor Wembanyama (85:71) stellte Deutschland die Zone zudem dauerhaft mit zwei Big Men zu, während Eliteverteidiger wie Wagner, Isaac Bonga und Nick Weiler-Babb dauerhaft Druck auf den gegnerischen Ballführer ausübten. Während die Truppe von Trainer Gordon Herbert bei diesen Spielen zu größten Teilen als Einheit brilliert, blitzt in den entscheidenden Momenten auch immer wieder die individuelle Klasse auf, wenn Schröder einen wilden Dreier mit auslaufender Wurfuhr trifft oder einer der Wagner-Brüder sich gnadenlos zum Ring durchtankt.
Deutschland hat seine Defensive schon lange als größte Stärke erkannt und ist dann am besten, wenn es das Spiel im Halbfeld verlangsamen kann. In der Offensive hat fast jeder Rotationsspieler einen Distanzwurf, der respektiert werden muss. Gegen die besten Gegner lief dazu meist ein Spieler heiß, der dann zusätzliche Verantwortung übernehmen kann.
Das ist das Erfolgsrezept, mit dem die Deutschen sich mittlerweile als die größte Gefahr für Team USA etabliert haben: Während auch Frankreich die Möglichkeit hat, mit seiner unglaublichen Länge defensiv Erfolg zu haben, fehlt den Franzosen in der Offensive die individuelle Klasse. Dort können die Kanadier wiederum am besten mithalten, ihr Spielstil ähnelt den US-Stars jedoch zu sehr. In einem Spiel im NBA-Stil hat keine Mannschaft eine echte Chance gegen die USA, man muss sie in die Tiefen eines FIBA-Duells ziehen. Auch dann wird es natürlich noch schwierig, Deutschland kann es jedoch schaffen, sollte es im Finale tatsächlich zu diesem Duell kommen.
Olympia 2024, Basketball: Genießt die goldene Generation!
Egal wie weit die Reise noch geht, jetzt gilt erst einmal: Genießt diese Mannschaft, denn sie hat in den letzten zwei Jahren so viel Spaß gemacht! Angefangen mit dem dritten Platz bei der Europameisterschaft 2022, wo der Kern der aktuellen Mannschaft zusammenfand. Dann natürlich der Triumph bei der Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr, als Kollege Robert Arndt schon ahnte: "Dieses Team ist noch nicht fertig."
Erlebt in vollen Zügen, wie Schröder auf FIBA-Level als einer der fünf besten Spieler der Welt überragt und im Zusammenspiel mit seinem Braunschweiger Jugendkumpel Daniel Theis brilliert. Wie Franz Wagner als Youngster wie ein 35 Jahre alter Veteran spielt, gleichzeitig mit seiner Athletik für absolute Highlights sorgt und sogar Victor Wembanyama aufs Poster packt.
Erzählt allen auf der Straßen von Johannes Voigtmann und Theis als Rückgrat dieser überragenden Defense, egal ob es sie interessiert. Vom Kettenhund Weiler-Babb und vom "deutschen Stephen Curry" Andreas Obst. Von den Energizern Bonga und Johannes Thiemann sowie von Moritz Wagner, der sich gegen Weltklassespieler unter dem Korb durchwühlt und sich anschließend mit furchtlosem Trash Talk in ihren Köpfen einnistet.
Und, ganz wichtig: Vergesst nicht Herbert in seinem letzten Turnier als Bundestrainer, der harte Entscheidungen treffen musste, unter anderem gegen Maxi Kleber und Isaiah Hartenstein. Keine andere Mannschaft hat eine derartige Teamchemie zu bieten! Wir sehen hier wahrlich die goldene Generation des deutschen Basketballs - und sollten jede Sekunde genießen.
Olympia 2024, Basketball: Solche Erfolge kennt der deutsche Basketball nicht
Das gilt übrigens nicht nur für die Herren um Schröder: An dieser Stelle erinnere ich natürlich liebend gerne an den gestrigen Triumph der deutschen Basketballerinnen im Finale des 3x3. Wer den Kampf von Sonja "Sunny G" Greinacher, Svenja Brunckhorst, Elisa Mevius und Marie Reichert zum 17:16 gegen Spanien gesehen hat, wird ihn so schnell ohnehin nicht vergessen.
"Die ganze Realisierung, was wir hier gemacht haben, was wir erreicht haben für den Basketball und den Frauen-Basketball in Deutschland - das wird erst später kommen", resümierte Greinacher bei Eurosport schon kurz nach dem Erfolg passend. Es war die erste Medaille jemals im Basketball für Deutschland, und dann gleich Gold - überragend! Wie bei den Herren war Dirk Nowitzki in erster Reihe dabei, um das zu bejubeln.
In der Halle zeigten die deutschen Frauen angeführt von einer überragenden Satou Sabally schon einen guten Kampf gegen die Übermacht aus den USA. Die Frauen sind dort ein noch größerer Favorit auf Gold als die Männer um LeBron James. Am Mittwoch treffen die deutschen Frauen im Viertelfinale auf Frankreich, auch hier scheint viel möglich.
Klar ist: Der deutsche Basketball war noch nie ansatzweise so erfolgreich wie in den vergangenen zwei Jahren. Auch wenn es Ausreißer nach oben gab: 1993 reichte es mit Christian Welp als MVP zur Europameisterschaft, obwohl der erste deutsche NBA-Star Detlef Schrempf mit einer Knieverletzung fehlte. 2005 wurde auch Nowitzki MVP bei der EM, die Deutschen wurden Zweiter. Den Award holte sich Dirkules auch bei der WM 2002, wo Deutschland den dritten Platz erreichte.
Nowitzki ist einer der besten europäischen Spieler jemals, dennoch machte die deutsche Nationalmannschaft einige schwarze Jahre durch. Platz 17 bei der WM 2010, 2014 in Spanien war sie nicht einmal dabei. Ähnlich war das Bild mit einem 17. Platz bei der EM 2013 und dem 18. Platz 2015. Bei Olympia war Deutschland von 1996 bis 2016 überhaupt nur einmal vertreten mit einem zehnten Platz in Peking.
Olympia 2024, Basketball: Schröder und Co. haben eine einmalige Chance
Solche Dürrephasen könnten erstmal der Vergangenheit angehören. Mit Tristan da Silva (Pick 18, Orlando Magic) und Ariel Hukporti (Pick 58, New York Knicks) wurden jüngst zwei weitere deutsche Talente im NBA Draft ausgewählt. Der aktuelle Hype könnte dem Nachwuchs und der Förderung überhaupt einen bedeutenden Schub geben.
Vielleicht kriegt man ja sogar noch Austin Reaves dazu, sich der deutschen Nationalmannschaft anzuschließen. Der Lakers-Star hat eine deutsche Großmutter und erwog es im vergangenen Sommer wohl bereits, bei der WM für das DBB-Team anzutreten, bevor er den Anruf von US-Coach Steve Kerr erhielt. Die besseren Chancen auf Olympische Spiele hätte er aber im deutschen Kader.
Aber garantiert ist für Deutschland nichts: Viele Leistungsträger der aktuellen Heldentruppe wären bei den Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles schon Mitte 30. Während Spanien und Italien nicht mehr so stark sind wie in den früheren Duellen gegen Nowitzki und Co., scheint Frankreich gerade dabei zu sein, Supertalent um Supertalent hervorzubringen. Auch die Konkurrenz rüstet somit weiter auf.
Man kann mit Vorfreude auf die Zukunft der deutschen Basketballer schauen, alleine aufgrund der Wagner-Brüder. Doch erst gilt es, die Gegenwart in vollen Zügen auszukosten. Dass man solche zwei Jahre der deutschen Basketballer und Basketballerinnen noch einmal sieht, ist nicht gesagt. Das spricht jedoch mehr für Schröder, Greinacher, Sabally und Co., als gegen die ihnen nachfolgende Generation.
