Dennis Schröder kletterte mit einem Grinsen in den Flieger zur ultimativen Olympia-Generalprobe gegen NBA-Legende LeBron James und das "Dream Team 2.0" - und am späten Samstagabend dürfte es noch ein ganzes Stück breiter gewesen sein. Als ausgerechnet der Basketball-Zwerg Südsudan die US-Superstars beinahe heftig blamierte, dämmerte den deutschen Weltmeistern endgültig: Der große Goldfavorit ist verwundbar!
Schon vor dem letzten und mit Spannung erwarteten Härtetest am Montag (20.00 Uhr/ProSieben) in London gab sich der Kapitän optimistisch: "Das sind zwölf der besten Spieler der Welt in einem Team. Wir müssen da natürlich voll konzentriert ran", sagte Schröder bei MagentaSport: "Aber wir sollten trotzdem mit Selbstvertrauen spielen." Auch Daniel Theis betonte im Sky-Interview, er "glaube nicht, dass sie unschlagbar sind".
Und auch das Selbstverständnis der Goldhelden von Manila ist längst ein ganz anderes. Vor allem bei Schröder, Theis sowie Moritz und Franz Wagner, die sich in der NBA ständig mit Kalibern a la James messen. Als Kind, sagte Franz Wagner, habe er ein Trikot von LeBron gehabt, er sei eines seiner Vorbilder gewesen: "Natürlich ist ein Teil von mir noch Fan. Aber wenn wir gegeneinander spielen, will ich natürlich gewinnen."
Dass dies keine Utopie sein muss, zeigte sich am Samstag. Völlig überraschend zwangen die Südsudanesen James und Co. im vermeintlich einfachsten aller Tests an den Rand einer Pleite, zur Halbzeit hatten die USA gar mit 14 Punkten zurückgelegen. Erst acht Sekunden vor Schluss sicherte "King James" höchstpersönlich per Korbleger den 101:100-Sieg gegen die Afrikaner. Der Schreck war den millionenschweren Megastars trotz des vierten Erfolgs im vierten Vorbereitungsspiel anzumerken.
Sie hatten den Gegner einfach unterschätzt. "Wir können geschlagen werden, wenn wir nicht unsere Art Basketball spielen. Und unsere Art Basketball ist Defense", sagte Dreier-Experte Stephen Curry, während James um Sachlichkeit bemüht war. "Wir müssen weiterhin einen Schritt nach vorne machen", so der 39-Jährige.
Nochmal werden sich die US-Amerikaner einen solch fahrigen Auftritt wohl nicht leisten. Schon gar nicht gegen die Deutschen. Schließlich sind sie, die ein B-Team der USA im Halbfinale der WM im Vorjahr gedemütigt hatten, der Hauptgrund dafür, dass der Rekord-Olympiasieger diesmal mit den "Basketball-Avengers" um James, Curry und Kevin Durant anrückt.
"Für mich ist das US-Team von Paris stärker als das Dream Team von 1992", schwärmte der frühere Bundestrainer Svetislav Pesic im Gespräch mit der Sport Bild.
Besser als die ikonische Truppe um Michael Jordan, Magic Johnson und Larry Bird? Das kommt dem aktuellen Bundestrainer Gordon Herbert gerade recht. Da das DBB-Team, bisher Sieger in drei von vier Tests - zuletzt die schwächeren Gegner Japan und Niederlande - klar dominiert hatte, war ihm die Notwendigkeit einer wahren Herausforderung bewusst. Zum Olympia-Auftakt am 27. Juli in Lille geht es erneut gegen die Japaner.
Seine Mannschaft brauche dieses Spiel jetzt, so Herbert: "Es ist gut für uns, gegen einen harten, physischen Gegner zu spielen." Auch Maodo Lo befand, die USA seien der "härteste Test", den die Mannschaft haben könne. Doch auch diese Aufgabe, so überwältigend sie auch scheint, lässt sich lösen. Der Südsudan hat es bewiesen.