Auf dem sehr berglastigen 54,5 km langen Kurs hatte Martin in einer Zeit von 1:15,33 Stunden stolze 3:18,33 Minuten Rückstand auf Cancellara, den der Cottbuser zu seinen besten Zeiten klar im Griff hatte.
Doch Cancellara, Zeitfahr-Olympiasieger 2008 und viermaliger Weltmeister, fuhr bei schwierigen Bedingungen mit Wind und Regen in einer eigenen Liga. Silber ging an Tom Dumoulin (Niederlande), Tour-Sieger Chris Froome (Großbritannien) fuhr zu Bronze. Simon Geschke wurde guter 13.
Das Rennen der Frauen gewann zuvor Radsport-Oma Kristin Armstrong. Einen Tag vor ihrem 43. Geburtstag holte die Spezialistin zum dritten Mal nacheinander olympisches Gold im Kampf gegen die Uhr - als erste Radsportlerin überhaupt. Als Gratulant trat der lebenslange gesperrte Doper Lance Armstrong auf, weder verwandt noch verschwägert mit der Siegerin.
Martins schwacher zweiter Abschnitt
Bei komplizierten Bedingungen mit teils nassen Straßen begann Martin gut, büßte dann aber schon im zweiten schweren Anstieg eine Menge Zeit ein. Der Lausitzer durchbrach den Bann damit auch beim wichtigsten Zeitfahren des Jahres nicht.
Seit den Etappensiegen bei der Tour und der Vuelta 2014 hat Martin kein großes internationales Rennen in seiner Paradedisziplin gewonnen, Weltmeister war er zuletzt 2013. "Ich muss eben akzeptieren, dass ich zurzeit nicht absolute Weltspitze bin", hatte der Wahl-Schweizer vor dem Rennen gesagt.
Um 11.36 Ortszeit war Martin als vierletzter Starter auf die Rundstrecke mit vier schweren Anstiegen gegangen, direkt vor ihm der mitfavorisierte Cancellara. Der Lausitzer blieb zunächst einigermaßen in Schlagdistanz zum Schweizer, nach dem ersten schweren Anstieg fehlten 16 Sekunden.
Fokussiert sah Martin aus unter seinem hellen Visier und dem grellorangen Helm aus, doch er verlor zunehmend an Boden. Die Spitze geriet schon bald außer Reichweite, irgendwann schien Martin zu resignieren. Im Ziel ließ er den Kopf hängen, während Cancellara Tränen der Freude vergoss.
Martin schockiert von Streckenprofil
Von seinem Traum von Olympia-Gold hatte sich Martin bereits nach der ersten Streckenbesichtigung im Vorjahr verabschiedet, nachdem 2012 in London ein Kahnbeinbruch bei der Tour dazwischengekommen war und es dort für ihn "nur" zu Silber gereicht hatte. Der 31-Jährige war regelrecht schockiert, als den bergigen Kurs von Rio nach der WM 2015 gesehen hatte, entschloss sich dann aber trotzdem, die Herausforderung anzunehmen.
Martin hatte in diesem Jahr an Gewicht verloren und sein Klettertraining intensiviert, um in Rio konkurrenzfähig zu sein. Dazu arbeitete der Profi vom Team Etixx-Quick Step in den letzten Monaten beharrlich an Position und Material, um seine alte Zeitfahr-Verfassung zurück zu erlangen. Doch seit der großen WM-Enttäuschung 2015 mit Rang sieben war endgültig irgendwie der Wurm drin, dazu kamen Knieprobleme bei der Tour.