Wisconsin: Defense und Kaminsky
Basketball ist in den letzten Jahren deutlich temporeicher geworden. Das gilt für die NBA nach der Saison 2004/2005, als der Fokus scheinbar zu sehr auf Defense lag und Teams wie die Detroit Pistons ihre Gegner regelmäßig bei unter 80 Punkten hielten. Einige Regeländerungen wurden verabschiedet, um das Spiel wieder schneller und attraktiver zu gestalten.
Das gilt ebenso für Highschool- und College-Basketball. Das gilt aber nicht in Wisconsin, und das gilt ganz sicher nicht für Bo Ryan.
Ryan ist ein Anachronismus aus eigentlich längst vergangenen Zeiten. Sucht man einen Vergleich, landet man nahezu automatisch bei Gene Hackman in "Hoosiers" - ein Film, der die Geschichte einer Highschool-Saison aus dem Jahr 1954 erzählt. So viel zu "längst vergangenen Zeiten".
Auch der Spielstil, den Ryan predigt, wirkt mehr oder weniger altbacken. Langsam spielen, nur keine Ballverluste. Ball zum großen Mann in die Mitte. Die Uhr melken. Defense steht über allem. Der durchschnittliche Scoring-Output der Badgers betrug über die Saison 73,5 Punkte - das reichte für Platz 92 in der NCAA.
Gegenüber Reporten inszeniert sich Ryan ebenfalls als konservativer, muffeliger Typ. Nie bekommt ein Spieler öffentlich ein Lob - Ryan meint, das würde der Arbeitseinstellung seiner Jungs schaden. Über Frank Kaminskys Gala gegen Michigan sagte Ryan, er habe "opportunistisch" gespielt, will sagen, er habe seine Chancen genutzt. Für Ryans Verhältnisse war das bereits nah dran an einer Lobeshymne.
Dabei hatte Kaminsky diese durchaus verdient. Mit 28 Punkten und 11 Rebounds war der Big Man neben der wie üblich erstickenden Defense der Hauptgrund für den Sieg der Badgers, überhaupt spielt er bisher ein extrem starkes Tournament. Gegen Kentucky wird erneut der Großteil der Verantwortung auf seinen Schultern liegen, denn Kaminsky ist nichts anderes als ein Matchup-Albtraum.
Dass Dreier-schießende Seven-Footer eher schwer zu verteidigen sind, weiß die Basketball-Welt nicht erst seit Dirk Nowitzki. Kaminsky fühlt sich zudem auch im Lowpost heimisch und kann mit dem Rücken zum Korb operieren. Bisher hat kein Team im Turnier eine Antwort auf diese Kombination gefunden - als nächstes darf sich John Calipari daran versuchen.
"Wenn man es fühlt, fühlt man es", sagte Kaminsky über seine Offensiv-Explosion gegen Michigan, "dann muss man auf sein Gefühl hören." Die Badgers können hoffen, dass er es auch am Sonntag "fühlt". Vielleicht klopft ihm dann auch Bo Ryan mal auf die Schulter.
Florida: Die Gators rollen
Seit 18 Jahren führt Billy Donovan die Florida Gators. Zweimal holten seine Teams die Championship, fünf weitere Male reichte es bis zum Elite Eight. Zu seinen ehemaligen Schützlingen gehören heutige NBA-Stars wie Bradley Beal, Joakim Noah, Al Horford oder David Lee. Abgesehen von seinen ersten beiden Jahren hat er keine einzige Saison mit mehr Niederlagen als Siegen erlebt und die vorher als "Football"-College verschrieene Uni zu einem Basketball-Powerhouse gemacht.
Dennoch hat auch er noch keine Saison wie diese erlebt, viele sehen sie sogar als sein Meisterwerk an. Warum auch nicht? Gegen mittlerweile 30 (dreißig!) Siege in Folge lässt sich nur schwer argumentieren.
Zu Anfang der Saison gab es noch ein paar Verletzungsprobleme, aber seitdem alle Mann an Bord sind, ist gegen die Alligatoren einfach kein Kraut mehr gewachsen. Wie eine perfekt geölte Maschine pflügt Florida seitdem durch die Liga.
Im NCAA-Tournament hat Florida noch keinen Sieg mit weniger als 10 Punkten Abstand eingefahren. Das Team wirkt stets fokussiert, findet dank dem cleveren Point Guard Scottie Wilbekin scheinbar immer die richtige Lösung und scheint die Championship-Mentalität zu haben, die ihm in den letzten drei Jahren, als man jeweils im Elite Eight scheiterte, noch abging.
Insbesondere Wilbekin hat in seinem Senior-Jahr noch einmal einen Schritt gemacht und legt im Tournament durchschnittlich 16,8 Punkte und 3 Assists auf. Noch wichtiger ist allerdings seine Abgezocktheit: Nur zwei mal verlor er den Ball! Unfassbar für einen Point Guard. Napier mag ein besserer Scorer sein als Wilbekin, in Sachen Toughness und Cleverness steht der ihm aber in nichts nach.
"Man weiß schon, was erwartet wird, wenn man zu so einem Programm kommt", sagt Forward Dorian Finney-Smith über die Siegermentalität in Gainesville, "hier ist das etabliert." Tatsächlich verzieht mittlerweile schon kaum noch jemand eine Miene, wenn die Gators Ende März noch im Turnier vertreten sind.
Im Großen und Ganzen wirkt Florida wie das beste Team im Tournament, auch wenn in diesem Jahr kaum ein Spiel mal richtig vorhergesagt werden konnte. Trotzdem sollten sie auf der Hut sein. Der letzte Gegner, der die Gators in dieser Saison schlagen konnte, ist schließlich auch der nächste.