Pitcher Randy Johnson gilt als der vielleicht beste Linkshänder in der Geschichte des Sports. SPOX blickt zurück auf seine Karriere, die besten Spiele und erklärt, warum Vögel und John Kruk vielleicht nicht seine größten Fans sind.
Dieser Artikel wurde erstmals 2018 veröffentlicht.
Wir schreiben den 4. November 2001: Die World Series hat ihr Spiel 7 so spät wie nie, da die MLB wie alles andere auch nach dem 11. September zwischenzeitlich unterbrochen war. Im "Bank One Ballpark" von Phoenix/Arizona sind die zuvor dreimaligen Serien-Champions, die New York Yankees, gerade im achten Inning mit 2:1 in Führung gegangen. Der Moment für Diamondbacks-Manager Bob Brenly, Starter Curt Schilling nach einem Out im Achten aus dem Spiel zu nehmen. Es kommt Miguel Batista, der Derek Jeter mit Runner auf der ersten Base zu einem Force Out zwingt. Als nächstes wäre Paul O'Neill am Schlagmal an der Reihe, seines Zeichens Clutch-Hitter und Linkshänder.
Brenly greift erneut auf seinen Bullpen zurück - und bringt Randy Johnson, den Mann, der am Tag zuvor Spiel 6 mit einem Complete Game gewonnen hatte. Yankee-Manager Joe Torre reagiert ebenfalls, bringt als Pinch-Hitter den Rechtshänder Chuck Knoblauch, und beendet damit O'Neills an Titeln reiche Karriere. Es ist sein letztes Spiel. Johnson schafft das nötige Out, mäht im neunten Inning auch noch die Yankee-Größen Bernie Williams, Tino Martinez und Jorge Posada nieder und ermöglicht es damit seinen Teamkollegen in der Folge, Mega-Closer Mariano Rivera zu überwinden und dank Luis Gonzalez' Bloop-Single die World Series zu gewinnen.
"The Big Unit" ist der Held des Abends und zusammen mit Schilling Co-MVP dieses Fall Classics. Es ist der vielleicht größte Moment in der Karriere des großen Linkshänders. Aber wahrlich nicht der Einzige auf dessen Weg in die heiligen Hallen von Cooperstown.
imago imagesHall of Famer Randy Johnson
Fünf Jahre nach seinem letzten Pitch ist es soweit, Randall David Johnson aus Walnut Creek/Kalifornien steht in der Baseball Hall of Fame. Der Lefty gehört nun auch verbrieft zu den Größten dieses Sports, weil er eine Ära geprägt hat wie kein anderer linkshändiger Starter vor ihm. Sicher, andere mögen mehr Spiele gewonnen haben. Aber keiner war so dominant wie der heute 51-Jährige.
Randy Johnson in Hall of Fame aufgenommen!
Ein Hall of Famer verkörpert per se das Beste, was eine Generation in einem Sport zu bieten hatte, und viel besser als Johnson war einfacher keiner über zehn bis 15 Jahre zwischen 1990 und 2004. Es hat für ihn nur zu einem Ring gereicht, doch diesen hätten die Arizona Diamondbacks ohne ihn sicher nicht errungen. Aber neben dieser wohl wichtigsten Errungenschaft sorgte The Big Unit auch immer wieder für weitere herausragende Momente des Baseballs.
Highspeed-Stuff und John Kruks Albtraum
In seiner besten Zeit zeichneten Johnson, der aufgrund seiner Körpergröße von 2,08 Metern ohnehin eine imposante Erscheinung ist und für Pitcher eher untypisch von oben und nicht von der Seite gepitcht hat, in erster Linie ein extrem harter Fastball im oberen 90-Meilen-pro-Stunde-Bereich sowie ein Slider aus, der auch über 90 Meilen pro Stunde flog. Dieser hatte eine so extreme Flugkurve, dass er für Linkshänder immer so aussah, als würde der Ball genau auf sie zufliegen - nur um dann brutal nach außen wegzubrechen. Ein sicheres Mittel für Strikeouts. Und ein Grund, warum viele Manager gegen Johnson schlicht auf ihre linkshändigen Hitter verzichteten.
Trotz seiner Größe war der Lefty aber äußerst schlank, regelrecht schlaksig. Dazu kam ein amtlicher Schnäuzer und in seinen wilden Jahren eine lange Mähne, die bei seiner Höhe episch im Wind wehte. Seinen Spitznamen Big Unit verdankt er im Übrigen seinem damaligen Teamkollegen Tim Raines, der im Training mal mit dem Pitcher kollidiert war, erschrak und rief: "You're a big unit!"
Etwas weniger Spaß mit Johnson hatte dagegen John Kruk, ein damaliger Infielder der Philadelphia Phillies. Im All-Star Game 1993 hatte er das zweifelhafte Vergnügen, dem Lefty gegenüberzustehen und ihm war die blanke Angst anzusehen, zumal Johnson ihm einen Fastball über den Kopf gefeuert hatte - aus Spaß natürlich. Am Ende gab es ein Strikeout und einen sichtlich erleichterten Kruk: "Als ich in die Box stieg, sagte ich: 'Alles, was ich will, ist, den Ball nur irgendwie zu berühren.' Und nach dem ersten Pitch dachte ich mir: 'Alles, was ich will, ist leben.' Und ich blieb am Leben. Also hatte ich ein gutes At-Bat!"
Perfect Game
Sicherlich war die World Series 2001 Randy Johnsons herausragendste Serie und sein Meisterstück, aber sein wohl größtes Spiel gelang ihm am 18. Mai 2004. Ein Perfect Game beim 2:0 seiner Diamondbacks bei den Atlanta Braves. Und die hatten damals mit Chipper und Andruw Jones sowie J.D. Drew oder auch Methusalem Julio Franco einige wohlklingende Namen am Start. Doch keinem gelang es, die erste Base zu erreichen.
Den besten Versuch lieferte Catcher Johnny Estrada ab, der sich ein elendig langes At-Bat mit dem Southpaw leistete, am Ende aber dennoch per Strikeout zurück in den Dugout geschickt wurde. Am Ende waren es 13 Strikeouts für Johnson, für den es das erste und einzige Perfect Game war - das 17. in der Geschichte der MLB. Zudem pitchte er 1990 für die Mariners gegen die Tigers einen No-Hitter (mit sechs Walks).
Cy Youngs und der Astros-Trade
Nachdem Johnson in seiner ersten vollen Saison 1989 noch einen Earned Run Average von 4.82 aufwies, sollte diese Zahl bis 2002 am Ende einer Saison grundsätzlich unter 4 liegen - und teilweise sogar unter 3. 1995 etwa, als er mit einem 2.48 ERA, einer 18-2-Bilanz und 294 Strikeouts seinen ersten von fünf Cy Young Awards für den besten Pitcher gewann.
Die wohl beste Saison oder wenigstens der beste Saisonabschnitt sollte jedoch weder im Trikot der Mariners noch in dem der D-backs gelingen. Mitte der Saison 1998 wurde Johnon zu den Houston Astros getradet. Ein Trade, der den Mariners immerhin Freddy Garcia und Carlos Guillen einbrachte. Den Astros gab der Deal den wohl besten Starter des Jahres. Johnson machte für die Texaner elf Starts und gewann zehn (eine Niederlage) mit einem mikroskopischen 1.28 ERA und 116 Strikeouts in nur 84 1/3 Innings.
Diese Leistung brachte ihm schließlich einen hochdotierten Deal bei den Diamondbacks ein, mit denen er von 1999 bis 2002 jedes Mal den Cy Young gewann und damit einer von nur vier Pitchern überhaupt ist, dem dies sowohl in der American League als auch in der National League gelang.
Statistiken vom anderen Stern
Unter dem Strich gewann Randy Johnson 303 Spiele bei 166 Niederlagen. Sein Karriere-ERA betrug 3.29 und er brachte es auf 4875 Strikeouts. Das sind die zweitmeisten in der Geschichte des Sports, nur Nolan Ryan (5714) sammelte noch mehr. Überhaupt gibt es nur vier Pitcher, die 4000 Punchouts gesammelt haben - Roger Clemens (4672) und Steve Carlton (4136) sind die anderen.
Es gibt eine Statistik, die die Strikeouts eines Pitchers auf ein komplettes Spiel hochrechnet, die "Strikeouts pro 9 Innings". Johnsons Wert liegt bei 10.6, der beste in der Geschichte des Sports. Hinzu kommen 100 Complete Games, die unglaublich sind, wenn man bedenkt, dass Big Unit in einer Zeit spielte, in der man die Wichtigkeit des Bullpens so langsam erkannte.
Nicht statistisch erfasst ist dagegen sein Mord - oder besser Totschlag - an einer Möwe, die ihm im Spring Training 2001 vor den Fastball geflogen war. Am Ende sah man nur noch ein Meer von Federn, die ein Bild des Grauens hinterließen. Dabei wollte der Lefty doch nur einen Strike werfen.
Yankees, Giants und das i-Tüpfelchen
Seine Saison 2003 fand aufgrund zahlreicher Verletzungen ein frühzeitiges Ende. Doch er kehrte 2004 wiedererstarkt zurück, was nicht nur das Perfect Game untermauerte. Es reichte in jedem Fall, um die New York Yankees davon zu überzeugen, für ihn zu traden.
Dort bekam er einen neuen Dreijahresvertrag und pitchte 2005 und 2006 insgesamt ordentlich, gewann 34 Spiele und damit mehr als viele andere in der Zeit. Aber glücklich wurde der dann 43-Jährige nie. So ging es zur 2007er Saison wieder zurück nach Arizona, wo es einzig und allein darum ging, die 300-Siege-Marke zu erreichen, das letzte große Ziel des Linkshänders.
Nach zahlreichen Verletzungen war Johnson aber auch Ende 2008 noch fünf Siege von 300 entfernt. Es musste also noch ein Jahr her, aber nicht mehr bei den D-backs, die auf jüngere Leute setzten. Stattdessen ließen es sich die San Francisco Giants nicht nehmen, der lebenden Legende die magische Marke zu ermöglichen. Und 2009 sollte es auch gelingen. In einem Auswärtsspiel bei den Washington Nationals gewann Randy Johnson Spiel Nummer 300 und wurde damit der 24. Pitcher, der diese Schwelle überquerte.
Nachdem Johnson dann am Ende der 2009er-Saison seinen Handschuh an den Nagel hängte, fing er an, zu relaxen und nicht mehr ganz so angespannt durchs Leben zu gehen wie in seiner besten Zeit. Damals durfte man ihn an Spieltagen nicht mal ansprechen. Mittlerweile ist er ein recht kommunikativer Typ geworden, der sich über "Twitter" mit Leuten unterhält und ein Faible für Fotographie entwickelt hat. Er covert des Öfteren sogar Konzerte und andere Events, zum Beispiel für "Rolling Stone".
Erst kürzlich war er im Rahmen einer USO-Tour in Südkorea und besuchte dort die amerikanischen Militärtruppen, von wo er auch ein Bild von der berüchtigten "Bridge of No Return" an der Grenze zu Nordkorea gemacht hat.
Zudem - seine Wegbegleiter mögen es kaum glauben - hat er auch eine lustige Seite. Im vergangenen Jahr gab er einen Gastauftritt in der amerikanischen Anwalts-(Comedy)-Serie "Franklin & Bash". Er spielte die Rolle, die ihm am besten liegt - sich selbst - und kehrte für Batting Practice kurz auf den Mound zurück.
Der 300er-Klub
Früher galten 300 Siege noch als Goldstandard für Pitcher, um es in die Hall of Fame zu schaffen. Ebenso wie 500 Home Runs für einen Hitter. Doch Randy Johnson könnte der letzte Pitcher überhaupt sein, der 300 Spiele gewann. Nicht, weil alle anderen schlechter geworden sind. Vielmehr, weil sich die Zeiten geändert haben.
In der Anfangszeit des Baseballs gab es noch keine großen Pítching-Rotations oder Bullpens. Ein Pitcher stand im Grunde alle zwei, drei Tage auf dem Mound, startete also erheblich mehr Spiele als die ca. 34, die ein Starter der heutigen Zeit absolviert im Jahr. Und er beendete in der Regel auch sein Spiel und gab den Ball nicht irgendwann an einen Reliever ab. Für die sehr guten Pitcher erhöhte das die Chance auf Siege ungemein. Der Allzeit-Rekordhalter Cy Young brachte es auf 511 - heute vollkommen unmöglich.
22 Jahre auf hohem Niveau
Johnson pitchte zwar auch in der Fünf-Mann-Rotation, aber er tat dies für 22 Jahre und war extrem konstant. Doch selbst er erreichte 300 nur mit Mühe und ein paar Extra-Jahren in seiner Karriere, die er sich ohne dieses Ziel wohl geschenkt hätte.
Es gibt viele Faktoren, die gegen einen weiteren 300-Game-Winner sprechen. Der Hauptgrund sind die nur 34 Starts pro Jahr, von denen in der Regel nicht mal die Hälfte gewonnen wird. Johnson hatte gleich drei Spielzeiten, in denen er über 20 Spiele gewann. Auch das ist alles andere als alltäglich.
Gehälter kontra Motivation
Und dann geben heutige Gehälter auch weniger Grund, bis in alle Ewigkeit zu spielen. Wer es zehn bis 15 Jahre in der MLB auf hohem Niveau aushält, hat ausgesorgt und kann in den Sonnenuntergang reiten.
Clayton Kershaw ist der nächste Kandidat. Er ist 26 und hat nach sieben Jahren 98 Siege. Das sind im Schnitt knapp 14 pro Jahr. Also müsste er noch ca. 13 bis 14 Jahre auf seinem Durchschnittsniveau spielen, um 300 zu erreichen. Allerdings hat er erst kürzlich einen Wahnsinnsvertrag unterschrieben, durch den er ausgesorgt hat. Und wer sagt, dass dieser Lefty am Ende des Kontrakts 2020 noch das aktuelle Niveau hat?
Und so liegt der Schluss nahe, dass wohl in der Tat Randy Johnson der letzte Pitcher sein wird, der es auf 300 Siege insgesamt bringt. Er ist der letzte seiner Art.