In der Major League Baseball gibt es seit jeher das Konzept der Draftpick-Kompensation. Das heißt: Geht ein wertvoller Spieler am Ende seines Vertrages zu einem anderen Team, kann sein alter Klub unter Umständen für diesen Verlust entschädigt werden. Infolge der 2008er Transferperiode verloren die Los Angeles Angels etwa First Baseman Mark Teixeira, damals der Top-Free-Agent des Winters. Er ging zu den New York Yankees, was den Angels letztlich den 25. Pick im Draft 2009 einbrachte.
Mit diesem Pick zogen sie Michael Nelson Trout, einen Outfielder der Millville Senior High School in New Jersey. Dieses Detail ist besonders pikant, da Gerüchten zufolge eben diese Yankees das nächste Team gewesen wäre, das den Spieler mit ihrem 29. Pick im Visier hatte - zumal er gewissermaßen aus deren Hinterhof stammte.
Das komplette Paket
Dieser Mike Trout steht heute in seiner erst vierten MLB-Saison nahe an der Spitze der Major-League-Homerun-Liste und ist auch was Runs-Batted-In (RBI) und erzielte Runs angeht, ganz vorn mit dabei. Er ist das komplette Paket, mehr noch: Egal wen man derzeit fragt, der 24-Jährige wird als - mit Abstand - bester Spieler der MLB angesehen.
Die Angels kämpfen gerade um die Spitze der eigenen West-Division in der American League, sowie parallel um eine der beiden Wildcards. Im Grunde genommen sind sie nach zahlreichen Verletzungen eigentlich nur noch dank des jungen Outfieldesr und dem etablierten und 2015 wiedererstarkten Superstar-Slugger Albert Pujols im Rennen. Beide liefern sich ein Rennen um die meisten Long Balls im Team (33:34).
Beide sind zudem MVP-Kandidaten, wobei Trout sicher die größten Chancen hat, nach 2014 seinen zweiten MVP-Award einzusacken. Im All-Star Game ist ihm dieser Repeat bereits gelungen, er verteidigte seine Ehrung aus dem Vorjahr. Dies gelang vor ihm noch keinem Spieler. Darüber hinaus ist er auch erst der zweite Spieler, der besagte MVP-Awards im selben Jahr gewann - der erste war Hall-of-Famer Cal Ripken Jr.
Schon früh ein Leader
Trout wird als Baseball-Spieler schlechthin angesehen: Er ist sehr schnell, verfügt über beeindruckende Athletik, die er immer wieder mit Highlight-Video-Plays unterstreicht, und hat natürlich auch die große Power, Homeruns in alle Richtungen und in jedem Ballpark zu schlagen. All diese Fähigkeiten zeigten sich im Übrigen schon in frühen Jahren.
Seine Anfänge machte er allerdings als Little Leaguer auf der Position des Shortstops samt Rückennummer 2 - sein Vorbild war selbstredend Derek Jeter von den Yankees. Auf der High School dann zeigte sich seine große Vielseitigkeit: Er war nicht nur ein sogenannter 2-Sport-Athlete im Basketball und Baseball, nein, im Baseball gab er neben Shortstop auch noch den Pitcher! Und das sogar richtig gut, denn in seinem Junior-Jahr pitchte er mal eben einen No-Hitter.
Es sei erwähnt, dass er für Millville die Nummer 1 trug und in seinem letzten Jahr ins Outfield wechselte, da er schlicht zu groß wurde fürs mittlere Infield - man wollte seine Geschwindigkeit gerne in größerem Rahmen ausnutzen. Als Senior gelangen ihm 18 Homeruns, was bis heute ein High-School-Rekord in New Jersey ist.
Er hinterließ großen Eindruck an seiner Schule, denn eigentlich wollte man nach seinem Abschluss die Nummer 1 gar nicht mehr vergeben. Seit 2012 tut man es doch wieder, dafür aber automatisch an den Team-Captain.
Durchbruch in der MLB
Nachdem Trout seine ersten Schritte in den Big Leagues im Jahr 2011 machte und dann auch seinen ersten Hit und ersten Home Run erzielte, legte er 2012 so richtig los. Am 28. April war es soweit: Trout wurde aus den Minors hochbeordert, um den alternden Bobby Abreu zu ersetzen. Sein Rookie-Jahr, das mit dem Rookie of the Year Award endete, beinhaltete unter anderem auch eine Serie von 14 Spielen mit mindestens einem erzielten Run.
Es folgten zahlreiche weitere Meilensteine wie etwa der 200. Run im 249. Spiel im Jahr 2013. Damit avancierte er zum drittschnellsten Spieler, dem dies gelang. Nur der vielleicht beste Hitter der Geschichte, Ted Williams (225 Spiele), sowie Barney McCosky (235) waren schneller. Mehr noch: Trout wurde ins All-Star-Team der AL gewählt und war somit der erste Angels-Starter seit Vladimir Guerrero 2007.
Meilenstein-Verträge
Die Bezahlung von Major-League-Spielern in ihrer Anfangszeit ist ein für europäische Verhältnisse kompliziertes Konstrukt. Im Grunde haben die Teams für die ersten drei Jahre eines Spielers die volle Kontrolle über das Gehalt. Sie können es unter Einhaltung eines Mindestsatzes quasi beliebig bestimmen. Bemerkenswert war daher die Summe von einer Million Dollar, die die Angels Trout für die Saison 2014 zugestanden hatten. Es war sein drittes Jahr, niemand zuvor hatte so viel Geld in einer Saison vor der Arbitration erhalten.
Dennoch war schon damals klar, dass dieser Spieler damit massiv unter Marktwert entlohnt wurde, weshalb die Angels wenig später einen Monstervertrag über sechs Jahre und 144,5 Millionen Dollar mit ihrem Superstar aushandelten, der ihn bis 2020 an Anaheim band. Wobei auch hier die Frage erlaubt sein muss, ob das überhaupt noch seinem Marktwert entspricht.
Vergleich mit den ganz Großen
Nach nunmehr fast vier Jahren in der MLB muss man Mike Trout schon mit den ganz Großen des Sports vergleichen. Ein durchaus treffender Vergleich scheint Mickey Mantle zu sein, der Superstar der 50er Jahre bei den Yankees. Auch er verfügte über unglaubliche Power im Center Field und war ebenfalls sehr schnell für seine Statur. Trout selbst sieht aus wie ein Schrank und verfügt außerdem - wie The Mick - über die Fähigkeit, einen konstant hohen Schlagdurchschnitt zu fabrizieren.
In der Neuzeit scheint in erster Linie Alex Rodriguez ein guter Gradmesser zu sein. Auch er kombinierte Speed und Stärke in ähnlicher Weise in seinen ersten Jahren. A-Rod erreichte den 100/100-Klub (100 Home Runs, 100 Stolen Bases) im Alter von exakt 23 Jahren und 309 Tagen. Trout kam rein mit 23 Jahren und 253 Tagen.
Bei den Angels wurde Trout (übersetzt: Forelle) anfangs Prince Fish genannt, in Anlehnung an die Franchise-Legende Tim Salmon (Lachs). Nach den herausragenden ersten Jahren ist er aber mittlerweile zum King Fish 2.0 aufgestiegen. Viele nennen ihn auch durchaus treffend einfach "God's Gift", denn er ist für das Team und auch die gesamte Liga ein Geschenk Gottes. Ihm zuzusehen macht einfach Spaß.
Wettergott?
Ein ebenfalls durchaus zutreffender Spitzname wäre sicherlich Wettergott oder Wetterfrosch, denn der Junge aus New Jersey ist total begeistert vom Wetter - bzw. Unwetter. Jim Cantore, ein Reporter des Weather Channels, berichtete kürzlich von einer Twitter-Konversation mit Trout, die ihn völlig überraschte: "Plötzlich bekam ich eine Direct Message von Mike Trout. Er fragte mich etwas zu einem Sturm", und er soll direkt an spezifischen Details interessiert gewesen.
Teamkollegen ließen wissen, dass Trout auf seinem Smartphone gleich einen ganzen Ordner für Wetter-Apps habe und erster Ansprechpartner bei Wettervorhersagen sei. Und obwohl er in Laguna Beach lebt und seinen Kaffee jeden Morgen an seinem Privatstrand genießt, ist er einfach fasziniert von schlechtem Wetter. Im Spring Training in Arizona entdeckte er einst eine Schlechtwetterfront Flagstaf/Arizona und da die Angels einen freien Tag hatten, machte er kurzerhand den zweieinhalbstündigen Trip von Tempe, um das Spektakel live mitzuerleben.
Überdies könnte im Winter sein Kindheitstraum von der Weatherman-Karriere in Erfüllung gehen - er verbringt die Offseason in Millville/New Jersey, wo schlechtes Wetter keine Seltenheit ist. Der Weather Channel soll ihm angeboten haben, den nächsten Blizzard in der Region als Korrespondent zu covern. Chancen auf eine weitere Homerun-Karriere: durchaus heiter.
MVP - und dann?
Die diesjährigen Playoffs beginnen Anfang Oktober und das Rennen um die AL West sowie die Wildcard werden für ein dezimiertes Angels-Team, das gerade im Pitching arg gebeutelt ist, kein Zuckerschlecken. Den MVP-Award dürfte Trout (33 HR, .976 OPS, 7.3 WAR) er am Ende wohl dennoch wieder einsacken.
Blickt man auf die kommenden Jahre bis 2020, dann darf man davon ausgehen, dass Trout weiter Maßstäbe setzen wird. Er wird den einen oder anderen Rekord sprengen und weitere individuelle Awards kassieren, da es kaum einen Spieler in der Liga gibt, der ihm das Wasser reichen kann.
Die Frage aber wird sein, ob er mit den Angels, die viel Geld in nur wenige Spieler stecken, den erwünschten Teamerfolg wird haben können. Die Franchise gewann die World Series erst ein Mal, und das ist auch schon 13 Jahre her. Auf dem Papier sahen die Angels vor der Saison gut aus, doch das Pitching wurde als Schwachstelle ausgemacht. Seither hat man durch Verletzungen mit C.J. Wilson und Tyler Skaggs zwei wichtige Säulen verloren.
Das schmälert ihre aktuellen Chancen, doch sie drohen auch auf lange Sicht in erster Linie von den Houston Astros überholt zu werden, die nach ihrem rigorosen Sparkurs der letzten Jahre nun ein Team gespickt mit jungen, talentierten Spielern vorzuweisen haben. Diese werden mit mehr Erfahrung eher nicht schlechter - und die Astros dürften mit den richtigen Ergänzungen auf Jahre hinweg zum Titelanwärter reifen.
So wird sich irgendwann die Frage stellen, ob Trout wirklich zur großen Teamlegende in Kalifornien aufsteigt oder doch eher in der Free Agency das Weite sucht. An Interessenten und weiteren Rekordverträgen dürfte es dann nicht mangeln.
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