Play Ball! Über fünf Monate haben Baseball-Liebhaber auf die Rückkehr der Pitcher, Slugger und Baserunner gewartet wie das Publikum in Los Angeles auf den ersten Call von Umpire Enrico Palazzo. Jetzt fliegt das Rawlings-Leder endlich wieder über die Platte - und dort hoffentlich in den Handschuh des Catchers, oder eben auf direktem Weg ins Publikum.
Fünf Monate! Da sind die Erinnerungen an wahrhaft epische Playoffs im Herbst 2015 vielleicht schon etwas im Nebel versunken. Wie war das doch gleich mit Jose Bautistas epischem Bat Flip? Dem Jubel über die Rückkehr der Chicago Cubs auf eine angemessene Bühne? Langhaarigen Fireballern bei den New York Mets, Volksheld Daniel Murphy inklusive? Und natürlich mit der World Series, in der die unkaputtbaren Kansas City Royals gleich drei Spiele trotz Rückstand für sich entschieden, zwei davon in extra Innings? Wie war das? Geil war das!
Also auf geht's in die neue Spielzeit. Insgesamt 2.430 Partien in der Regular Season stehen an, davon vielleicht auch ein oder zwei perfekte. Gelingt den Royals die dritte World-Series-Teilnahme in Folge? Machen die Cubbies diesmal Ernst? Oder gibt am Ende doch wieder der Kalender den Titelträger vor?
American League
Kansas City Royals
Ganz im Sinne des Sportes regiert beim SPOX-Favoritencheck die Tradition: Der Titelverteidiger kommt immer zuerst. 30 Jahre lang hatten die Fans in Kansas City auf den Titel warten müssen, doch dann marschierte das Team sensationell durch die Playoffs. Dabei waren sie in der Wild-Card-Runde eigentlich schon draußen: 6:2 führten die Astros bereits in Game 4 im achten Inning, doch dann folgte ein sensationelles Comeback. Wenige Strikeouts, gut gegen Fastballs, dazu ein undurchdringlicher Bullpen war die Garanten für die Parade, die von... naja, so ziemlich allen Fans besucht wurde. Und diesmal?
Stärken: Jahr um Jahr legen die Royals die sonst so sicheren Logarithmen aufs Kreuz, die aus der Summe der Team-Einzelteile den späteren Record vorhersagen. Das funktioniert bei den Royals einfach nicht - und spätestens nachdem Outfielder Alex Gordon einen 72-Millionen-Dollar-(Discount-)Vertrag unterschrieb, war klar: Die Leistungsträger sind fast alle zurück.
Kansas City Royals: Die Krönung der Comeback-Kids
Heißt: Es wird wohl wieder kaum leichte (Strike-)Outs für die Gegner geben. Die Defense ist fantastisch, die Offense schlägt genügend Homeruns, und mit dem Bullpen-Trio Kelvin Herrera - Joakim Soria - Wade Davis könnte man eigentlich schon nach dem sechsten Inning die Plane aufziehen: Da brennt nichts an!
Schwächen: Irgendwann muss Skynet ja auch mal Recht behalten, oder? Auf dem Papier gibt es eben doch Schwächen: Das Starting Pitching war 2015 in Sachen Earned Run Average nicht einmal unter den Top 20, und der für 70 Millionen geholte Ian Kennedy ist da keine Ausnahme (4.28 ERA). OK, man könnte im Falle eines Falles wieder vor der Trade Deadline zuschlagen, die Verpflichtung von Johnny Cueto hatte sich in den Playoffs schließlich ausgezahlt. Aber ein fehlendes Ass lässt sich nicht immer so einfach kompensieren. Und: Das zusammengehaltene Team wird immer älter. 30 Jahre alt sind die Pitcher im Schnitt, die Hitter über 29. Damit ist man ganz vorne in den Majors dabei. Das bedeutet Erfahrung und Eingespieltheit, aber eben auch Verletzungen und (früher oder später) abfallende Leistungen.
Toronto Blue Jays
Mann, machte das Spaß im letzten Jahr, als Bautista, Edwin Encarnacion und MVP Josh Donaldson (zusammen 119 Dingers) nördlich der Grenze die Füllung aus dem Ball prügelten. 891 Runs waren 127 mehr als die zweitbeste Offense - diesen Vorsprung gab es in der MLB-Geschichte, die ja bekanntlich ungefähr bis zum Turmbau zu Babel zurückreicht, erst viermal. In der ALCS war der Champion dann zu stark, aber was nicht war, kann ja noch werden. Nach der lächerlichen Diskussion um Bautistas Flip, die sich bis in die Offseason erstreckte, wird man es den Kritikern zeigen wollen: Erst feuern, dann feiern. Passt!
Stärken: Wie bereits erwähnt: Eine bessere Offense legten zuletzt die Yankees von 2009 auf - und Trade-Neuzugang Troy Tulowitzki startet diesmal voll integriert in die Saison. Niemand hatte mehr Jacks, mehr Walks, mehr Extra-Base-Hits, mehr Slugging... Gerade Lefties sind gegen Torontos Power-Lineup eigentlich schon gar nicht mehr spielbar. Bautista und Encarnacion spielen für neue Verträge, werden also voll motiviert sein.
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Also nur Power, Power, Power? Von wegen: Die Blue Jays stellen in punkto Defensive Efficiency das beste Team der MLB. Nur die Royals verhinderten mehr Runs, und mit Tulo, Donaldson, Kevin Pillar und Catcher Russell Martin hat man eine ganze Latte an Gold-Glove-Kandidaten. Um es mit Martin zu sagen: "Unsere Defense war einfach Spitzenklasse. Mir fällt da kein besseres Team ein."
Schwächen: Ähnlich wie bei den Royals gibt es auch in Kanada Fragen, was das Starting Pitching angeht: Der für den Stretch Run gemietete David Price schleudert mittlerweile in Boston, und ob der noch recht unerfahrene Marcus Stroman das Ass geben kann, muss sich erst noch zeigen. Danach folgen ein 41 Jahre alter Knuckleballer und jede Menge Durchschnitt. Offense ist gut und schön, wird in der Postseason aber auch oft von Top-Startern ruhig gestellt... Auf dem Diamond müssen die alternden Slugger erst einmal gesund bleiben, und vor allem Justin Smoak auf der ersten Base ist wohl reif für einen Rückschritt.
Boston Red Sox
Hop oder top in Beantown! Drei Mal landete man in den letzten vier Jahren auf dem letzten Platz in der AL East. Außer 2013. Da holte man den Titel. Im letzten Jahr von David Ortiz hat man noch einmal tief in die Tasche gegriffen und will mit neuem Management unter der Führung von Ex-Tigers-GM Dave Dombrowski wieder bei den Großen mitspielen. Ein bisschen Kritik muss aber erlaubt sein: Erst meckert Big Papi über Derek Jeters Abschiedstour, und dann gibt er im November seine eigene bekannt - ausgerechnet auf Jeters Webseite The Players' Tribune...
Stärken: Hallo, David Price! 217 Millionen Dollar für sieben Jahre war der Super-Pitcher den Red Sox wert. Er sitzt jetzt ganz vorn in einer Rotation, die sich nun sehr viel besser machen sollte, denn gerade das Ass fehlte nach dem Abgang von John Lester doch deutlich. Vor Talent sprießt der ganze Roster sowieso: Mookie Betts, Xander Bogaerts, Jackie Bradley Jr., dazu eine Menge Prospects: Man ist jung, schnell, talentiert und einfach nur brandgefährlich. Und damit der Bullpen nicht zu kurz kommt, griff man sich auch noch Closer Craig Kimbrel von den Padres und Setup-Man Carson Smith aus Seattle. From worst to first? Könnte wieder klappen!
Schwächen: Vor einem Jahr wurde im Spring Training noch gejubelt, als man Hanley Ramirez und Kung Fu Panda Pablo Sandoval nach New England lotste. Kostenpunkt: 183 Millionen Dollar. Ein Jahr später sitzt der schwergewichtige Sandoval nur noch auf der Bank, Ramirez muss nach Totalausfall im Outfield nun an der ersten Base herumstümpern. Das Pitching kann hinter Price wunderbar funktionieren, muss aber nicht: Clay Buchholz, Rick Porcello und der Rest sind zwar talentiert, aber eben auch unbeständig. Ein Fragezeichen steht auch hinter Skipper John Farrell, der nach seiner Krebserkankung zurückkehrt. Steht er die harte Saison durch?
Außenseiter:
Zum besten Team der AL West haben sich die Houston Astros gemausert. Angeführt von Ass Dallas Keuchel und Workhorse Doug Fister und einem starken Bullpen steht das Pitching, und Rookie of the Year Carlos Correa dürfte sich in naher Zukunft zu einem absoluten Superstar mausern. Hinter ihnen hoffen die Texas Rangers darauf, mit einem genesenen Yu Darvish in die Erfolgsspur zurückzukehren. Und das Evil Empire? Die New York Yankees sind eine große Wundertüte. Was macht der Arm von Masahiro Tanaka? Immerhin ist man die Albatros-Verträge der Altstars bald los, und mit Andrew Miller, Dellin Betances und Aroldis Chapman könnte der Bullpen-Punch den Royals ebenbürtig oder sogar überlegen sein.