Schampus für die Bärenjungen?

Stefan Petri
04. April 201623:18
Cy-Young-Gewinner Jake Arrieta: Führt er die Chicago Cubs endlich zum Titel?getty
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Take me out to the ballgame: Die Major League Baseball-Saison 2016 steht in den Startlöchern. Wird es diesmal endlich das Jahr der aufgerüsteten Chicago Cubs? Sind die Kansas City Royals in der American League weiter nicht zu schlagen? Oder bestimmt am Ende doch der Kalender den neuen Champion? SPOX macht den Favoritencheck.

Play Ball! Über fünf Monate haben Baseball-Liebhaber auf die Rückkehr der Pitcher, Slugger und Baserunner gewartet wie das Publikum in Los Angeles auf den ersten Call von Umpire Enrico Palazzo. Jetzt fliegt das Rawlings-Leder endlich wieder über die Platte - und dort hoffentlich in den Handschuh des Catchers, oder eben auf direktem Weg ins Publikum.

Fünf Monate! Da sind die Erinnerungen an wahrhaft epische Playoffs im Herbst 2015 vielleicht schon etwas im Nebel versunken. Wie war das doch gleich mit Jose Bautistas epischem Bat Flip? Dem Jubel über die Rückkehr der Chicago Cubs auf eine angemessene Bühne? Langhaarigen Fireballern bei den New York Mets, Volksheld Daniel Murphy inklusive? Und natürlich mit der World Series, in der die unkaputtbaren Kansas City Royals gleich drei Spiele trotz Rückstand für sich entschieden, zwei davon in extra Innings? Wie war das? Geil war das!

Also auf geht's in die neue Spielzeit. Insgesamt 2.430 Partien in der Regular Season stehen an, davon vielleicht auch ein oder zwei perfekte. Gelingt den Royals die dritte World-Series-Teilnahme in Folge? Machen die Cubbies diesmal Ernst? Oder gibt am Ende doch wieder der Kalender den Titelträger vor?

American League

Kansas City Royals

Ganz im Sinne des Sportes regiert beim SPOX-Favoritencheck die Tradition: Der Titelverteidiger kommt immer zuerst. 30 Jahre lang hatten die Fans in Kansas City auf den Titel warten müssen, doch dann marschierte das Team sensationell durch die Playoffs. Dabei waren sie in der Wild-Card-Runde eigentlich schon draußen: 6:2 führten die Astros bereits in Game 4 im achten Inning, doch dann folgte ein sensationelles Comeback. Wenige Strikeouts, gut gegen Fastballs, dazu ein undurchdringlicher Bullpen war die Garanten für die Parade, die von... naja, so ziemlich allen Fans besucht wurde. Und diesmal?

Stärken: Jahr um Jahr legen die Royals die sonst so sicheren Logarithmen aufs Kreuz, die aus der Summe der Team-Einzelteile den späteren Record vorhersagen. Das funktioniert bei den Royals einfach nicht - und spätestens nachdem Outfielder Alex Gordon einen 72-Millionen-Dollar-(Discount-)Vertrag unterschrieb, war klar: Die Leistungsträger sind fast alle zurück.

Kansas City Royals: Die Krönung der Comeback-Kids

Heißt: Es wird wohl wieder kaum leichte (Strike-)Outs für die Gegner geben. Die Defense ist fantastisch, die Offense schlägt genügend Homeruns, und mit dem Bullpen-Trio Kelvin Herrera - Joakim Soria - Wade Davis könnte man eigentlich schon nach dem sechsten Inning die Plane aufziehen: Da brennt nichts an!

Schwächen: Irgendwann muss Skynet ja auch mal Recht behalten, oder? Auf dem Papier gibt es eben doch Schwächen: Das Starting Pitching war 2015 in Sachen Earned Run Average nicht einmal unter den Top 20, und der für 70 Millionen geholte Ian Kennedy ist da keine Ausnahme (4.28 ERA). OK, man könnte im Falle eines Falles wieder vor der Trade Deadline zuschlagen, die Verpflichtung von Johnny Cueto hatte sich in den Playoffs schließlich ausgezahlt. Aber ein fehlendes Ass lässt sich nicht immer so einfach kompensieren. Und: Das zusammengehaltene Team wird immer älter. 30 Jahre alt sind die Pitcher im Schnitt, die Hitter über 29. Damit ist man ganz vorne in den Majors dabei. Das bedeutet Erfahrung und Eingespieltheit, aber eben auch Verletzungen und (früher oder später) abfallende Leistungen.

Toronto Blue Jays

Mann, machte das Spaß im letzten Jahr, als Bautista, Edwin Encarnacion und MVP Josh Donaldson (zusammen 119 Dingers) nördlich der Grenze die Füllung aus dem Ball prügelten. 891 Runs waren 127 mehr als die zweitbeste Offense - diesen Vorsprung gab es in der MLB-Geschichte, die ja bekanntlich ungefähr bis zum Turmbau zu Babel zurückreicht, erst viermal. In der ALCS war der Champion dann zu stark, aber was nicht war, kann ja noch werden. Nach der lächerlichen Diskussion um Bautistas Flip, die sich bis in die Offseason erstreckte, wird man es den Kritikern zeigen wollen: Erst feuern, dann feiern. Passt!

Stärken: Wie bereits erwähnt: Eine bessere Offense legten zuletzt die Yankees von 2009 auf - und Trade-Neuzugang Troy Tulowitzki startet diesmal voll integriert in die Saison. Niemand hatte mehr Jacks, mehr Walks, mehr Extra-Base-Hits, mehr Slugging... Gerade Lefties sind gegen Torontos Power-Lineup eigentlich schon gar nicht mehr spielbar. Bautista und Encarnacion spielen für neue Verträge, werden also voll motiviert sein.

Mit Obama: MLB-Gastspiel in Kuba ein voller Erfolg

Also nur Power, Power, Power? Von wegen: Die Blue Jays stellen in punkto Defensive Efficiency das beste Team der MLB. Nur die Royals verhinderten mehr Runs, und mit Tulo, Donaldson, Kevin Pillar und Catcher Russell Martin hat man eine ganze Latte an Gold-Glove-Kandidaten. Um es mit Martin zu sagen: "Unsere Defense war einfach Spitzenklasse. Mir fällt da kein besseres Team ein."

Schwächen: Ähnlich wie bei den Royals gibt es auch in Kanada Fragen, was das Starting Pitching angeht: Der für den Stretch Run gemietete David Price schleudert mittlerweile in Boston, und ob der noch recht unerfahrene Marcus Stroman das Ass geben kann, muss sich erst noch zeigen. Danach folgen ein 41 Jahre alter Knuckleballer und jede Menge Durchschnitt. Offense ist gut und schön, wird in der Postseason aber auch oft von Top-Startern ruhig gestellt... Auf dem Diamond müssen die alternden Slugger erst einmal gesund bleiben, und vor allem Justin Smoak auf der ersten Base ist wohl reif für einen Rückschritt.

Boston Red Sox

Hop oder top in Beantown! Drei Mal landete man in den letzten vier Jahren auf dem letzten Platz in der AL East. Außer 2013. Da holte man den Titel. Im letzten Jahr von David Ortiz hat man noch einmal tief in die Tasche gegriffen und will mit neuem Management unter der Führung von Ex-Tigers-GM Dave Dombrowski wieder bei den Großen mitspielen. Ein bisschen Kritik muss aber erlaubt sein: Erst meckert Big Papi über Derek Jeters Abschiedstour, und dann gibt er im November seine eigene bekannt - ausgerechnet auf Jeters Webseite The Players' Tribune...

Stärken: Hallo, David Price! 217 Millionen Dollar für sieben Jahre war der Super-Pitcher den Red Sox wert. Er sitzt jetzt ganz vorn in einer Rotation, die sich nun sehr viel besser machen sollte, denn gerade das Ass fehlte nach dem Abgang von John Lester doch deutlich. Vor Talent sprießt der ganze Roster sowieso: Mookie Betts, Xander Bogaerts, Jackie Bradley Jr., dazu eine Menge Prospects: Man ist jung, schnell, talentiert und einfach nur brandgefährlich. Und damit der Bullpen nicht zu kurz kommt, griff man sich auch noch Closer Craig Kimbrel von den Padres und Setup-Man Carson Smith aus Seattle. From worst to first? Könnte wieder klappen!

Schwächen: Vor einem Jahr wurde im Spring Training noch gejubelt, als man Hanley Ramirez und Kung Fu Panda Pablo Sandoval nach New England lotste. Kostenpunkt: 183 Millionen Dollar. Ein Jahr später sitzt der schwergewichtige Sandoval nur noch auf der Bank, Ramirez muss nach Totalausfall im Outfield nun an der ersten Base herumstümpern. Das Pitching kann hinter Price wunderbar funktionieren, muss aber nicht: Clay Buchholz, Rick Porcello und der Rest sind zwar talentiert, aber eben auch unbeständig. Ein Fragezeichen steht auch hinter Skipper John Farrell, der nach seiner Krebserkankung zurückkehrt. Steht er die harte Saison durch?

Außenseiter:

Zum besten Team der AL West haben sich die Houston Astros gemausert. Angeführt von Ass Dallas Keuchel und Workhorse Doug Fister und einem starken Bullpen steht das Pitching, und Rookie of the Year Carlos Correa dürfte sich in naher Zukunft zu einem absoluten Superstar mausern. Hinter ihnen hoffen die Texas Rangers darauf, mit einem genesenen Yu Darvish in die Erfolgsspur zurückzukehren. Und das Evil Empire? Die New York Yankees sind eine große Wundertüte. Was macht der Arm von Masahiro Tanaka? Immerhin ist man die Albatros-Verträge der Altstars bald los, und mit Andrew Miller, Dellin Betances und Aroldis Chapman könnte der Bullpen-Punch den Royals ebenbürtig oder sogar überlegen sein.

National League

Chicago Cubs

Umgestoßen hatte man den Bock im letzten Jahr noch nicht. Unter großem Jubel wurde der Erzfeind aus St. Louis in den Playoffs endlich besiegt, doch dann musste das so gepeinigte Team aus der Windy City einen bitteren Sweep gegen die Pitching-Power der Mets hinnehmen. Was solls - man war sowieso vor dem Zeitplan.

Deshalb rüstete GM Theo Epstein in der Offseason noch einmal auf: John Lackey, Jason Heyward, Ben Zobrist... Die erste Championship seit 1908 muss doch endlich mal zu gewinnen sein, zum Donnerwetter! Las Vegas sieht zumindest gute Chancen und bescheinigt den Blauen die beste Quote, und auch die Statistiker an ihren Laptops stimmen zu: Der Titel geht nur über die Cubs. Eigentlich gibt es nur einen, der das Team derzeit nicht mag. Wobei der auch nicht sonderlich beliebt ist...

Stärken: Wo soll man da anfangen? Vielleicht mit Cy-Young-Gewinner Jake Arrieta, ihr wisst schon, mit dem überirdischen 1.77 ERA. Dahinter wartet mit Jon Lester das nächste Ass, und nun folgt Altmeister Lackey. Joa. "Ich will nicht wie ein [Arsch] klingen, aber ich weiß nicht, ob meine zweite Saisonhälfte jemals übertrumpft werden wird", tönte Arrieta in der Sports Illustrated - und angesichts eines 0.75 ERA in 15 Starts kann man das nicht einmal arrogant nennen.

Und die Hitter? "Zu Hülf!", hört man die Konkurrenz schon schreien. Rookie of the Year Kris Bryant, Sophomore-Slugger Kyle Schwarber, First Baseman Anthony Rizzo (30 HR, 100 RBI), Shortstop Addison Russell... sie alle können ein Spiel mit ihrer Keule im Alleingang entscheiden. Und nun füge man noch die Schweizer Taschenmesser Heyward und Zobrist hinzu. Das Team ist so jung, talentiert und tief aufgestellt - dieses Lineup gönnt dem Gegner einfach keine Pause.

Schwächen: Viele gibt es nicht. Vielleicht sind die Leistungsträger noch etwas zu jung, wobei die Playoff-Luft von 2015 in dieser Hinsicht helfen könnte. Das Ende der Rotation mit Jason Hammel und Kyle Hendricks ist nicht die allererste Garde, ebenso der Bullpen hinter Closer Hector Rondon. Die Konkurrenz in der eigenen Division ist groß. Macht wirklich niemand einen Schritt zurück? Immerhin ist Lackey bereits 37, Lester 32. Man muss schon mit der Lupe suchen, das Erreichen der Playoffs scheint fast in Stein gemeißelt. Danach kann bekanntlich alles passieren, aber die Cubs sind definitiv noch einmal besser aufgestellt als 2015.

New York Mets

So viel hat nicht gefehlt zum Championship Ring im Big Apple. Mit Hilfe von unfassbarem Starting Pitching und den Heldentaten von Daniel Murphy elektrisierte zum ersten Mal seit langer Zeit der rothaarige Stiefbruder der Bronx Bombers New York City. Am Ende war man einfach nicht abgezockt genug.

Bleibt Grund für Optimismus: Die Leistungsträger sind zurück und fit, nur Murphy war nach seinem irren Oktober etwas zu teuer. Matt Harvey machte zuletzt Sorgen, aber dann überstand er sein Blutgerinnsel in der Blase (!) doch unbeschadet. Grund für die schmerzhafte Angelegenheit: "Ich halte es zu lange zurück, statt regelmäßig zu pinkeln. Ich muss meine Blase wohl umerziehen." Ja gut. Wasser lassen muss eben gelernt sein.

Stärken: Erinnert sich noch jemand an die Fünf Asse der Washington Nationals? Wenn Überschriften-Klau nicht verpönt wäre, er würde hier passen. Harvey, Noah Syndergaard, Jacob deGrom sind allesamt Weltklasse, Steven Matz (2.27 ERA im vergangenen Jahr) auf dem besten Wege, und dann kommt ja auch noch Zack Wheeler nach seiner Tommy-John-Op zurück. Das ist einfach nur brutal gut: Die Mets könnten mit ihren Fireballern, die alle 95+ Meilen auf der Radar Gun hinlegen, als erstes Team überhaupt die 1.000 Strikeouts in einer Saison angreifen.

Im Outfield konnte man Yoenis Cespedes mit 75 Millionen Dollar von einem Verbleib überzeugen - er war bekanntlich hauptsächlich dafür verantwortlich, dass die Offense nach dem All-Star Break fast Ligaspitze war. Kapitän David Wright ist wieder fit, und Bartolo "Big Sexy" Colon sorgt mit seinen 42 Jahren weiter für gute Stimmung und Twitter-Highlights.

Schwächen: Colon ist mittlerweile fast mehr Maskottchen als fähiger Starter. Sollte er wieder hauptamtlich in letztere Rolle schlüpfen müssen, könnte es eng werden - und da schon drei der fünf Starter Tommy-John-Operationen vorweisen und im Vorjahr körperlich durchaus an ihre Grenzen gingen, kann man sich darauf nicht unbedingt verlassen. Auch Closer Jeurys Familia musste 2015 dank eines wackeligen Bullpens eigentlich viel zu oft ran, und das Relief Pitching ist weiter ein Schwachpunkt im Kader. Wo andere Teams ohne Starting Pitching gewinnen wollen, schlägt das Pendel bei Manager Terry Collins in die andere Richtung aus.

San Francisco Giants

Champion 2010, Champion 2012, Champion 2014 - eigentlich klar, wer diesmal die Commissioner's Trophy in Empfang nimmt, oder? Die Giants haben nach einer Saison ohne Postseason noch einmal aufgerüstet und zu einem guten Stamm an Hittern ein paar echte Kracher geholt. 210 Millionen Dollar gingen an Johnny Cueto und Jeff Samardzija, die sich hinter World-Series-MVP Madison Bumgarner einreihen. Wenige Teams stellen nun höhere Gehaltsschecks aus, und das soll sich bezahlt machen.

Stärken: Natürlich das Pitching, mit MadBum und Cueto dahinter, der ebenfalls das Zeug zum Ass hat. Jake Peavy und Matt Cain sind erfahrene Veteranen, es könnte eine Rotation ohne Schwachpunkt werden. In Sachen Hitting ist man ebenfalls sehr gut aufgestellt. Local Hero Buster Posey führt den besten Batting Average der vergangenen Saison ins Feld, und es gibt keinen Grund anzunehmen, warum man deutlich abbauen sollte.

Schwächen: Cueto kann richtig gut sein - muss aber nicht. Hin und wieder ist der Pitcher auch recht unbeständig. "Shark" Samardzija muss zeigen, dass sein eher mäßiges letztes Jahr nur ein Ausrutscher war, die Mannen dahinter müssen gesund bleiben. Außerdem ist das komplette Outfield mindestens 32 Jahre alt. Da kommen schnell mal Verletzungen und/oder Formschwankungen ins Spiel.

Außenseiter

Die Dodgers als Außenseiter? Kaum zu glauben, aber nach dem Abgang von Zach Greinke hat das Team vielleicht einen kleinen Schritt zurück gemacht. Trotzdem muss man sie schon aufgrund von Clayton Kershaw auf der Rechnung haben. Die Cardinals gehören sowieso immer zum erlauchten Postseason-Kreis, und wenn das Pitching dieses Jahr hält, könnten auch die Nationals und MVP Bryce Harper durchstarten. Pittsburgh führt seinerseits das vielleicht beste Outfield und den besten Bullpen der NL ins Rennen.

Top 10 Storylines der Saison

  • Hält der Offensiv-Trend an? 2015 stiegen die Zahlen erstmals seit Jahren wieder leicht an
  • Wann kommt Seattle wieder in die Playoffs? Seit 2001 wartet man schon, so lange wie kein anderes Team
  • Ichiro Suzuki: Der Altstar könnte im Sommer seinen 3.000. Hit in den Major Leagues einfahren
  • Giancarlo Stanton: Schafft der Marlins-Star dank Hitting-Coach Barry Bonds in diesem Jahr die 50 Homeruns?
  • Bryce Harper: Wird der MVP mit einem neuen Vertrag ausgestattet? Wenn ja: Knackt der die 500 Millionen?
  • A-Rod: 27 Homeruns fehlen auf Babe Ruth. Verdrängt der Doping-Buhmann doch noch "The Babe"?
  • Big Papi: Verabschiedet sich der Sox-Slugger mit seiner vierten Championship?
  • NL-Cy-Young: Kershaw, Scherzer, Greinke, Arrieta... wer liefert am Ende das beste Jahr ab?
  • Gelingt den Royals der Threepeat in der American League?
  • Brechen die Cubs endlich den Meisterschaftsfluch?

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