SPOX: Herr Kepler, mit vollem Namen heißen Sie eigentlich Maximilian Kepler-Rozycki ...
Max Kepler: Richtig.
SPOX: Aber auf dem Trikot steht nur Kepler. War der Hintergedanke, dass die Amerikaner das noch schlechter aussprechen als ich, oder warum benutzen Sie nur den Nachnamen Ihrer Mutter?
Kepler: Ja, genau deswegen: Der polnische Name ist eben schwer auszusprechen. Zusammen wäre es auch ein sehr langer Name auf dem Rücken. Aber es gibt jetzt einen Tag im August, an dem wir einen anderen Namen tragen dürfen, zum Beispiel einen Spitznamen oder so. Da werde ich dann den Namen meines Vaters tragen.
SPOX: Nur mal zur Erklärung: Ihre Mutter, Kathy Kepler, ist Texanerin, Ihr Vater hat polnische Wurzeln. Beide waren in Berlin an der Deutschen Oper angestellt. Und der Sohn wird dann - klar - Baseballprofi. Wie haben Ihre Eltern es damals aufgenommen, als bei Ihnen die Idee aufkam, Baseball zu spielen - und das vielleicht sogar ein bisschen professioneller?
Kepler: Ich bin in Berlin auf eine amerikanische Schule, die John F. Kennedy Schule, gegangen und dort fing ich mit dem Baseball an. In meiner Freizeit habe ich viel Sport getrieben, auch Fußball und Tennis, und als ich mich schließlich für einen Sport entscheiden musste, meinte meine Mum: "Wieso wählst du nicht einfach Baseball aus und gehst nach Amerika, da hast du auch ein bisschen Familie. So kannst du dir etwas Neues anschauen, ein neues Land." Deswegen habe ich mich für Baseball entschieden. Mein Vater war auf jeden Fall für Fußball, aber er freut sich jetzt, dass ich es im Baseball geschafft habe.
SPOX: Haben Ihnen Ihre Wurzeln und die Angehörigen in den USA den Schritt über den großen Teich leichter gemacht?
Kepler: Ja, die USA waren mir dann nicht so fremd, denn jeden Sommer sind wir in den Ferien nach Amerika gereist und haben dort Zeit mit der Familie verbracht. Ich hatte ein paar Camps mitgemacht und schon ein bisschen Baseball gespielt. Deswegen hatte ich Lust auf die Herausforderung und schon eine Vorstellung davon, was das Land zu bieten hat.
SPOX: Wenn man nun zum Beispiel einen Zuschauer in Deutschland nimmt - wir übertragen ja die MLB auf DAZN regelmäßig - und Sie müssten ihm oder ihr erklären, was das Geile am Baseball ist: Was würden Sie sagen?
Kepler: Die meisten, die sich den Sport anschauen, halten ihn für sehr langweilig, weil da halt einfach Leute im Feld rumstehen und auf den Ball warten. Aber das Schwierige dabei ist, dass man in diesen im Schnitt drei Stunden Fokus braucht, und zwar 100 Prozent Fokus - denn jede Sekunde könnte ein Ball in deine Richtung kommen. Baseball ist eine Sportart, die nicht jeder ausleben kann. Fußball kann jeder trainieren, würde ich sagen. Aber wenn du für Baseball nicht geschaffen bist, dann ist es nicht dein Sport, weil es unheimlich schwer ist. Baseball hat auch viel mit Misserfolg zu tun: Es gibt viele Strikeouts oder geschlagene Bälle, die zum Out führen. Dafür muss man mental sehr stark sein. Als Profi im Fußball oder Basketball hast du eine relativ hohe Erfolgsquote, und es ist ein Teamsport.
SPOX: Aber Baseball doch auch.
Kepler: Ja, aber im Baseball stehst du trotzdem oft alleine da. Und wenn du nicht durchziehst, wenn du keinen Erfolg hast, dann kannst du dich hinter niemandem verstecken. Deswegen ist es für mich ein sehr cooler Sport - auch wenn es sich jetzt nicht so anhört. Es ist unheimlich schwer. Aber wenn du es schaffst, wenn du die mentale Stärke hast - und daran arbeite ich immer noch jeden Tag - dann ist es für mich der geilste Sport der Welt.
SPOX: Haben Sie trotzdem mal drüber nachgedacht, was aus Ihnen geworden wäre, wenn Sie dem Wunsch Ihres Papas gefolgt wären und sich für Fußball entschieden hätten? Oder für Tennis, Sie waren ja auch ein sehr talentierter Tennisspieler.
Kepler: Ich wäre wahrscheinlich noch in Deutschland, wenn ich im Fußball oder im Tennis weitergemacht hätte. In welcher Mannschaft oder auf welcher Position ich spielen würde, das weiß ich nicht. Aber ich vermute, dass es mir in jedem Sport großen Spaß gemacht hätte.
SPOX: Sie sind 2009 in die USA gegangen. Es war ein langer Weg, bis Sie endgültig in der MLB angekommen sind.
Kepler: Es hat sieben Jahre in den Minor Leagues gebraucht, also in den unteren Ligen.
SPOX: Wie ist das abgelaufen?
Kepler: Ich habe viel Geduld gebraucht. 2009 war ich noch nicht mit der Highschool fertig und habe deswegen gleichzeitig Baseball gespielt und die Schule fertig gemacht, was kein anderer Mitspieler gemacht hat. Ich hatte viele Online-Klassen direkt nach dem Training oder nach einem Spiel. Das war eine schwere Zeit, ein halbes Jahr hatte ich keine Freizeit. Dann wurde ich endlich mit der Schule fertig und konnte mich 2010 und 2011 auf Baseball konzentrieren.
SPOX: Hatten Sie in dieser Zeit nie die Hoffnung verloren? Gab es Zweifel, dass Sie es vielleicht doch nicht schaffen, sich Ihren großen Traum von der MLB zu erfüllen?
Kepler: Wie gesagt, sieben Jahre waren eine lange Zeit in den Minor Leagues. Einige Spieler schaffen es in weniger als drei Jahren, deswegen hatte ich ein paar Probleme mit der Geduld, aber zum Glück habe ich nicht aufgegeben.
SPOX: In den Minor Leagues muss man ja auch über größere Dörfer reisen und in der Pampa spielen. Hat man irgendwann die Nase voll von dieser Tingelei?
Kepler: Ja, schon. Am Anfang war mir das alles ziemlich egal, weil ich jung war. Aber mit der Zeit, als ich 22 Jahre alt wurde, dachte ich mir: Okay, ich muss jetzt ein richtiges Leben anfangen können und nicht jedes Jahr über diese kleinen Dörfer reisen und für unser niedriges Gehalt Baseball spielen. Aber meine ganze Familie hat mich ermutigt, voll durchzuziehen und die restlichen zwei Jahre meines Vertrags alles zu geben. Wenn es nicht klappt, gehe ich eben aufs College und fange ein anderes Leben an. Zum Glück habe ich es durchgezogen.
SPOX: Umso krasser war die Entwicklung, als Sie in der Liga angekommen sind. Können Sie sich noch an Ihren ersten Hit erinnern?
Kepler: Ja, das war Ende 2015 gegen Johnny Cueto von den Kansas City Royals. Ich wurde im September aus der Minor League zu den Twins hochgerufen, spielte in den ersten Wochen aber kaum. Aber am letzten Tag der Saison durfte ich ein ganzes Spiel durchspielen und habe meinen ersten Hit bekommen.
SPOX: Haben Sie den Ball als Erinnerungsstück behalten?
Kepler: Ich habe ihn meiner Mutter gegeben.