MLB

Believe in Yourself

Tommy Pham ist wohl der beste Positionsspieler der St. Louis Cardinals 2017
© getty

Outfielder Tommy Pham hatte eigentlich niemand bei den St. Louis Cardinals in dieser Saison auf dem Zettel. Doch dann verletzten sich gleich mehrere Stammspieler, sodass Pham ran musste und die Chance beim Schopf ergriff. Hinter ihm liegt eine lange, komplizierte Geschichte, die er ohne sein Lebensmotto wohl nicht bewältigt hätte.

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Der Weg eines Baseballspielers in die MLB kann ein steiniger sein. Nicht jeder ist mit so viel Talent gesegnet wie ein Bryce Harper oder ein Stephen Strasburg, die kaum ein ganzes Jahr in den Minor Leagues verbracht haben. Andere haben vielleicht das Talent, werden aber immer wieder durch Unwägbarkeiten zurückgeworfen. Seien es Verletzungen oder andere Umstände.

Sinnbild dafür wie schwierig es ist, die ganz große Bühne des Baseballs zu erreichen, ist der Werdegang von Tommy Pham, der 2017 endlich seinen Durchbruch geschafft hat. Bis er diesen Punkt erreicht hatte, musste er zahlreiche Rückschläge verkraften. Er stand schon kurz davor, alles hinzuwerfen und seinen großen Traum von den Big Leagues aufzugeben. Doch dann kam 2017.

Im für Profisportler schon recht stattlichen Alter von 29 Jahren gelang Pham endlich der lang ersehnte Durchbruch in der besten Baseball-Liga der Welt. Zu spät ist es für ihn damit aber noch lange nicht. Ein Durchbruch so kurz vorm 30. Geburtstag ist wahrlich keine Seltenheit in diesem so eigenwilligen Sport. Prominente Beispiele wie David Ortiz oder Jose Bautista belegen, dass es manchmal eben länger dauert.

Doch im Gegensatz zu Ortiz und Bautista dümpelte Pham nicht schon einige Jahre wirkungslos in der Liga herum, bevor er plötzlich den Dreh raushatte. Vielmehr waren es andere Hindernisse, die ihn viel zu oft zurückwarfen.

Tommy Pham: Vater bei Geburt der Kinder hinter Gittern

Die komplizierte Geschichte von Tommy Pham begann schon in frühster Kindheit. Eigentlich sogar bei seiner Geburt. Sein Vater war dabei kein Faktor. Als Tommy und seine Zwillingsschwester geboren wurden, saß der Vater bereits hinter Gittern - er war Drogendealer und warf damit auch eine verheißungsvolle College-Football-Karriere aus dem Fenster.

Pham und seine Schwester trafen ihren Erzeuger erstmals im Alter von vier Jahren, ein zweites Mal mit zwölf. Beides waren Gefängnisbesuche. Mehr Kontakt gab es nicht. "Er hatte eine lange Strafe, aber er wurde einmal freigelassen und dann erneut verurteilt, weil er wieder Drogen verkauft hatte", erklärte Pham gegenüber USA Today. "Er hat versucht, danach in Kontakt zu bleiben, aber ich wollte nichts mit ihm zu tun haben. Als er das zweite Mal verknackt wurde, sagte ich mir: 'Weißt du was, ich brauche diese Beziehung nicht.'"

Und so wuchs Pham ohne Vater auf. Diese Rolle jedoch füllte schließlich gewissermaßen Al Ramirez aus, der Vater von Alvino Ramirez, dem wohl besten Kumpel von Pham. Sie kennen sich, seit sie beide neun Jahre alt waren. Ramirez brachte beide Jungs zu Baseball-Spielen und Turnieren, weil Phams Mutter in zwei Jobs arbeiten musste, um irgendwie über die Runden zu kommen mit der kleinen Familie. Während Pham in den Minors spielte, lebte er sogar drei Jahre bei Ramirez.

"Ich versuchte einfach eine Vaterfigur für ihn zu sein. Wir versuchten das Beste aus der Situation, in der er sich befand, zu machen. Er hat nie wirklich über seinen Vater gesprochen. Er ließ Baseball seine Oase sein", sagte Ramirez.

Tommy Pham schlug College-Stipendium für die Familie aus

Von Mitleid wollte Pham jedoch nichts wissen: "Ich brauchte niemanden, der mir die Dinge schönredet oder mich verhätschelt. Ich hatte nur mich selbst und das war in Ordnung für mich. Ich hatte damit all die Motivation, die ich brauchte."

Auf der Durango High-School in Las Vegas wurde er schließlich zum Star und brillierte mit einem Schlagdurchschnitt von .581 mit zehn Homeruns, 56 RBI und 28 Stolen Bases. Überdies hatte er einen 4.5 GPA (Grade-Point Average), was ihn zum Musterschüler machte - ein GPA über 4 ist schon herausragend.

Das alles brachte ihm ein Baseball-Stipendium der Cal State Fullerton ein, doch seine Familie brauchte Geld, weshalb aus dem College-Traum nichts wurde. Stattdessen ging er direkt in den professionellen Baseball - 2006 zogen ihn die St. Louis Cardinals in der 16. Runde des Drafts und gaben ihm einen Signing Bonus in Höhe von 325.000 Dollar.

Erst 2014 jedoch gab Pham sein MLB-Debüt, nicht, weil es sportlich nicht gereicht hätte. Vielmehr machte sein Körper nicht mit - sei es durch unglückliche Verletzungen oder angeborene Krankheiten.

Verletzungen hielten Tommy Pham elf Jahre in den Minor Leagues

In den insgesamt elf Jahren in den Minors brach er sich das Handgelenk, erlitt einen Bänderriss, riss sich eine Gelenkslippe in der Schulter. Und als er es 2016 dann tatsächlich mal über einen längeren Zeitraum ins MLB-Team der Cardinals geschafft hatte, riss er sich auch noch einen schrägen Bauchmuskel beim Versuch, einen Homerun am Zaun zu verhindern.

Obendrein - als wäre die Liste nicht schon lang genug - wurde bei ihm ein Hornhautkegel festgestellt. Die degenerative Augen-Krankheit mit dem Fachbegriff Keratokonus sorgt für eine kontinuierliche Verdickung der Hornhaut, was zu einer Verschlechterung der Sicht führt. Erst 2009, als Pham begann, spezielle Kontaktlinsen zu tragen, konnte er gut genug sehen, um Pitches angemessen zu erkennen. In seinem linken Auge ist der Zustand allerdings bereits so weit fortgeschritten, dass Pham auf diesem Auge offiziell blind ist.

All das hielt Pham jedoch nicht davon ab, immer weiterzumachen und an seinem großen Traum festzuhalten. Sein Motto "Believe in Yourself" (Glaube an dich) ist für ihn mehr als nur ein Slogan, der auf seinem linken Oberarm tätowiert ist. Es ist seine Lebensphilosophie.

Die allein hätte jedoch nicht gereicht, ihn in den Majors zu halten. Nachdem er 2017 im Spring Training schwächelte - er schlug .200 - und den Kampf um den letzten Platz im Outfield gegen Randal Grichuk verlor, wurde er abermals in die Minors zu Triple-A Memphis geschickt. Spätestens da drohte er von seinem Weg abzukehren und das Abenteuer Baseball zu beenden.

Tommy Phams Jugendfreund erweist sich als Prophet

"Er rief mich eines Abends an", erzählte Alvino Ramirez, Phams Jugendfreund aus Las Vegas, USA Today: "Tommy sagte mir, 'Ich denke nicht, dass ich weiterspielen will'." Doch Ramirez wollte das nicht hören: "Ich sagte ihm: 'Ich lasse dich nicht aufgeben. Du hast zu hart dafür gearbeitet. Du hast all diese Verletzungen überstanden, all die Anstrengungen und Rückschläge. Du musst einen Weg finden, kämpfe weiter. Du wirst das schaffen.'"

Ramirez sollte recht behalten, denn zehn Tage später verletzten sich die Outfielder Stephen Piscotty und Dexter Fowler in aufeinanderfolgenden Innings. Am 5. Mai kam der Call-up und Pham war mal wieder in den Majors. Dieses Mal wollte er bleiben und setzte sein Anliegen prompt in die Tat um: In seiner ersten Serie gegen die Braves schaffte er sechs Hits und drei Homeruns. Im Mai war er zugleich der beste Cardinal mit einem .320 Average, fünf Long Balls und 14 RBI. Der Rest ist Geschichte, wie man so schön sagt.

Zwei Wochen vor Saisonende hat Pham auch sein nächstes erklärtes Ziel, 20 Homeruns, erreicht. Mehr noch: Er ist in dieser Saison der mit Abstand wertvollste Cardinals-Spieler! Laut Fangraphs hat er 5 "Wins above Replacement" (WAR) - Platz 15 in der MLB! Er liegt damit gleichauf mit Superstar Bryce Harper. Die nächstbesten Cardinals-Positionsspieler liegen bei 2,4, nämlich Matt Carpenter und Paul DeJong.

Angesichts der Tatsache, dass sowohl Piscotty als auch Fowler wieder fit sind und Pham dennoch im Lineup blieb, darf man ihn durchaus zum Stamm zählen. Und zu jenen, die auch 2018 eine gewichtige Rolle in Missouri spielen werden.

Pham ist angekommen auf der ganz großen Bühne. Und jetzt glaubt auch nicht mehr nur er selbst an ihn.

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