MLB - San Francisco Giants: Der Kampf gegen selbsterrichtete Windmühlen

Marcus Blumberg
14. März 201814:13
Pablo Sandoval gehört auch 2018 zum Kader der San Francisco Giants.getty
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Die San Francisco Giants legten 2017 ihre schlechteste Saison seit über 30 Jahren hin. Darauf reagierten sie mit namhaften, aber eher kurzsichtigen Transfers, um den Anschluss an die Konkurrenz wiederherzustellen. Nun besteht die Gefahr, dass dies nur ein Pflaster auf einer klaffenden Wunde sein könnte.

Nach drei Erfolgen in der World Series seit Anfang des Jahrzehnts erreichten die San Francisco Giants 2017 den ganz harten Boden der Tatsachen. Doch keiner wusste so recht, warum. Keiner konnte erklären, warum dieses eigentlich gar nicht so schlechte Team, das im Idealfall sogar Playoff-Anwärter gewesen wäre, das Kunststück vollbrachte, 98 Spiele zu verlieren.

Diesen Eindruck unterstrich auch Neuzugang Reliever Tony Watson, der zuletzt bei den Los Angeles Dodgers aktiv war und gegen die Giants bei den Pirates gespielt hatte: "Als wir gegen die Giants im letzten Jahr gespielt haben, sahen die nicht wie ein 98-Pleiten-Team aus. Ich erinnere mich, mir den Scouting Report vor einem Spiel angesehen zu haben und da hieß es: 'Nimm den Spieler nicht auf die leichte Schulter, nimm den anderen Spieler ernst.' Ich kann nicht sagen, was letztes Jahr hier passiert ist, aber dies ist kein 98-Niederlagen-Team."

Und Watson sollte es wissen, schließlich kassierte er mit den Pirates seinerzeit einen Sweep gegen die Giants vor heimischer Kulisse. Es war sogar der einzige Auswärts-Sweep der Giants im ganzen Jahr. Und eine von nur drei Auswärtsserien, die die Giants gewannen.

Seither allerdings ist einiges passiert. Die Giants rüsteten kräftig auf und setzten schon in der Offseason alles daran, das schlimme Jahr 2017 mit all seinen Facetten nicht zu wiederholen.

Pablo Sandoval gehört auch 2018 zum Kader der San Francisco Giants.getty

Giants wollen mit Neuzugängen wieder angreifen

Namhafte Neuzugänge sollen zuvorderst dafür sorgen, dass 2018 wieder in die Spur gefunden wird. In Trades holte man die Franchise-Gesichter Evan Longoria aus Tampa Bay sowie Andrew McCutchen von besagten Pirates. Zudem kamen via Free Agency der neue Center Fielder Austin Jackson sowie Watson für den wichtigen Teil des Bullpens.

Den Rest der Aufgabe Wiedergutmachung sollen indes die etablierten Stars übernehmen. Ein Hunter Pence etwa, der 2017 sein schwächstes Jahr überhaupt hinlegte, seit er 2007 den Sprung in die MLB geschafft hatte. Eine 86 OPS+ stand letztlich zu Buche. Nur in seinem ersten Jahr in der Bay Area 2012 präsentierte er sich insgesamt schwächer - in 59 Spielen nach seinem Trade von den Phillies hatte er eine 90 OPS+.

Pence ist mit seinen 35 Jahren nun der Alterspräsident der Giants und gelobt Besserung: "Wir sind alle eifrig und haben in der Offseason hart gearbeitet, weil wir etwas verändern wollen." Ganz vergessen will Pence die Vorsaison aber keineswegs: "Ich habe viel aus der Herangehensweise des letzten Jahres gelernt und wie ich sie nun verändern will. Nimm das Gute und wirf das Schlechte weg. Es ist eine Chance für mich."

Veränderungen wird er aber nicht nur in seiner generellen Herangehensweise an seinen Beruf - er hat unter anderem sein Offseason-Workout-Programm angepasst - hinnehmen müssen. 2018 wird Pence nämlich erstmals in seiner Karriere im Left Field auflaufen. Ein Schritt, der nach der Verpflichtung von McCutchen notwendig wurde.

McCutchen und Jackson sollen für neue Dynamik sorgen

McCutchen und Jackson, genau genommen, denn theoretisch hätte "Cutch" natürlich auch im Center Field spielen können, wo er einen Gold Glove und einen MVP Award einheimste. Doch auch er ist nun über 30 und Jackson hat mehr Range für diese Position.

McCutchen und Jackson stehen jedoch beide auch für Dynamik, die dem Spiel der Giants zuletzt etwas abging. Beide sind gute Base Runner und als solche prädestiniert für mehr Action im Spiel. Insgesamt passt das wunderbar in die neue Philosophie der Giants, wenn es ums Verhalten auf Base geht.

Zwar gehörte San Francisco auch schon 2017 zu den besseren Teams im Base Running - Baseball-Reference hatte die Giants bei 41 Prozent in der Statistik "Extra Bases Taken", womit man gleichauf mit den Washington Nationals auf Platz 10 der Liga lag. Doch insgesamt erhofft man sich gerade durch die neuen Outfielder mehr Effektivität beim Stehlen von Bases. Mit den 76 im Vorjahr lag man aber auch auf Rang 10, weshalb auch diese Statistik nicht unbedingt als Manko angesehen werden musste.

Allerdings betonte Third Base Coach Ron Wotus kürzlich gegenüber MLB.com, dass "Athletik und Speed" zwar helfe, aber: "Man muss nicht schnell sein, um ein guter Base Runner zu sein. Ein gutes Beispiel ist Catcher Buster Posey. Bei einem Pitch in den Dreck geht er zur nächsten Base. Bei einem Basehit weiß er, wo die Outfielder stehen und erkennt die Situation gut. Diese Dinge wollen wir als Team verbessern, egal ob wir schnell oder langsam sind, denn wir müssen von der zweiten Base punkten, wenn wir Hits schaffen."

Giants: Posey, McCutchen und Longoria als Herzstück der Offense

Für die generelle Run-Produktion ist freilich neben McCutchen und Posey auch Longoria zuständig. Es ist sogar gut möglich, dass dieses Trio demnächst grundsätzlich nacheinander schlägt. In welcher Reihenfolge? Egal, wenn man Manager Bruce Bochy glaubt: "Wir haben darüber gesprochen, was wir sehen und was wir denken. Und wir haben Analytik hinzugezogen. Sie alle haben eine Nase für ein RBI. Sie sind alle schon immer Run-Produzenten gewesen. Sie sind wirklich untereinander austauschbar. Ich denke nicht, dass es einen Unterschied macht, ob Buster an 3 und Longo an 4 schlägt. Oder ob McCutchen an der 4 schlägt. Es sticht einfach nichts heraus."

Allerdings deutete Bochy an, dass er die Variante mit Posey als Clean-Up-Hitter bevorzuge: "Er war unser Clean-Up-Hitter und wir hatten sehr viel Erfolg mit ihm." Und in der Tat schlug Posey hauptsächlich an 4 in seiner Karriere: Von seinen 4260 Plate Appearances kamen 25 Prozent von Position 3 in der Batting Order, 69 Prozent aber an 4.

Im Gegensatz dazu schlug Longoria (für die Rays) in 61 Prozent seiner 6151 PA an Position 3, in 31 Prozent an 4 und nur in 6 Prozent an 5. Das macht ihn aber noch nicht zum Favoriten auf das 3-Hole, denn McCutchen schlug in 71 Prozent seiner 5829 PA an 3, in 18 Prozent der Fälle als Lead-Off-Hitter, zu 6 Prozent an zwei und zu 2 Prozent an 4.

Das wiederum macht die Sache umso schwerer vorauszusagen, denn einer von beiden müsste somit zwangsläufig aus seinem gewohnten Spot weichen. Ein Ansatz wäre es, den besten On-Base-Guy der drei an 2 schlagen zu lassen, doch damit wäre Posey eben dieser mit einer 2017er OBP von .400 - McCutchen kam auf .363, Longoria lediglich auf .313!

Neuesten Eindrücken zufolge scheint dies aber ohnehin nicht geplant zu sein. Vielmehr werden wohl Joe Panik und Brandon Belt an der Spitze der Batting Order stehen. Panik wird hoch gehandelt seitens der Giants und galt als einer der Spieler, die im grundsätzlich mit den Marlins ausgehandelten Trade für Giancarlo Stanton nach Miami gegangen wären. Belt wiederum hat sich zu einem fähigen First Baseman mit ansprechender Power entwickelt und würde dem Trend folgen, einen potenziellen Homerun-Hitter an 2 schlagen zu lassen.

San Francisco Giants: Alternder Kader statt Jugendwahn

Schaut man sich den Kader insgesamt an, dann fällt auf, dass hier nicht unbedingt betont auf den Nachwuchs gesetzt wird. Nur zwei Spieler sind unter 30 - Belt wird in diesem Jahr noch den dritten Nuller erreichen. Auch auf der Bank findet sich mit Infielder Kelby Tomlinson nur ein unter 30-jähriger Spieler wieder.

Batting OrderSpielerPositionAlter
1Joe PanikSecond Baseman27
2Brandon BeltFirst Baseman29
3Andrew McCutchenRight Fielder31
4Buster PoseyCatcher30
5Evan LongoriaThird Baseman32
6Hunter PenceLeft Fielder34
7Brandon CrawfordShortstop31
8Austin JacksonCenter Fielder31

Immerhin die Rotation versprüht ein wenig jugendliche Frische. Nur Johnny Cueto und Jeff Samardzija sind hier deutlich über 30, der Rest 27 oder 28. Insgesamt ist der Kader aber nicht für die nächsten paar Jahre konzipiert, sondern möglichst für diese oder nächste Saison - höchstens.

Wenn man so will, ist der Ansatz der Giants eine Antithese zum derzeit branchenüblichen Jugendwahn. Allerorts ist der Altersschnitt niedrig oder im Prozess, drastisch gesenkt zu werden. Dynamik ist das Stichwort. Die Giants hingegen holten gerade drei neue Positionsspieler, die allesamt 31 Jahre und älter sind. In der Welt des Baseballs ist dies zwar noch nicht Asbach, aber immerhin bedenklich.

Erschwerend hinzu kommt, dass die Giants-Organisation auch nicht gerade mit hochkarätigen Talenten gesegnet ist. Nach den getätigten Trades bleibt lediglich Outfielder Heliot Ramos als Top-100-Prospect (Nummer 63 bei MLBPipeline) übrig. Und dessen Ankunft wird aktuell für 2022 erwartet. Alle anderen Talente zählen nicht zur nationalen Elite.

San Francisco Giants kämpfen langfristig gegen Windmühlen

Die Möglichkeit, via Free Agency weiter nachzubessern, besteht im Grunde genommen auch nicht. Nachdem man in den letzten zwei Jahren jeweils Payrolls nördlich der 200 Millionen Dollar anhäufte und auch für 2018 drauf und dran ist, die Luxussteuergrenze zu überschreiten, scheinen große finanzielle Sprünge fast ausgeschlossen.

Und so kämpfen die Giants langfristig gegen Windmühlen, an deren Konstruktion sie gewissermaßen selbst beteiligt waren. Nahezu das komplette Lineup des Teams besteht aus Großverdienern, während kaum ein junges Eigengewächs in den letzten Jahren eingebaut wurde, um den Gesetzen der Branche entgegenzuwirken und Kosten zu senken. Die Konkurrenz machte in diesen Bereichen deutlich bessere Jobs, sodass sich der sportliche Status Quo im Westen der NL in den nächsten Jahren nur noch weiter verhärten wird.

Und so stellt sich die Frage, wo denn die Reise hingehen soll für San Francisco. Die Konkurrenz in der National League West schläft nicht - die Dodgers, D-backs und Rockies erreichten allesamt mit jungen Kaderkernen die Playoffs und die Padres haben ihren Rebuild-Plan mit der Verpflichtung von Eric Hosmer signifikant beschleunigt. Wie lange wollen die Giants also in diesem Umfeld mithalten?

Dieser Artikel wurde ohne vorherige Ansicht durch die Major League Baseball veröffentlicht.