New York hat neben Glanz jetzt auch noch Geld, aber reicht das, um LeBron James in den Garden zu bringen? SPOX-Redakteur Florian Regelmann meint ja und erklärt, wie die Knicks in der neuen Saison aussehen könnten.
In New York,
Concrete jungle where dreams are made of,
There's nothing you can't do,
Now you're in New York,
these streets will make you feel brand new,
the lights will inspire you,
lets here it for New York, New York, New York
Welcome to the bright light.
Wer sich in den Flieger setzt, um in den Big Apple zu jetten und in New York angekommen das erste Mal über den Times Square schlendert, wird sofort mit ihm konfrontiert: dem Selbstverständnis der für viele faszinierendsten Stadt der Welt.
Aus den Geschäften schallt der Refrain des Mega-Hits Empire State of Mind von Jay-Z feat. Alicia Keys (hier geht's zum YouTube-Video) auf die Straßen. Davon nicht angesteckt zu werden, ist praktisch aussichtslos. Was auch daran liegt, dass der Refrain des Liedes alles über New York aussagt. Hier werden Träume wahr, hier stehst du im Rampenlicht, hier bist du Gott.
Es ist dieses unerschütterliche Selbstverständnis, die - salopp formuliert - geilste Stadt der Welt zu sein, die es New Yorkern absolut unmöglich macht, zu verstehen, dass man sie verschmähen könnte.
Wer will schon beim Stadttheater in Bad Salzuflen auftreten, wenn er am Broadway spielen darf. Richtig: niemand. Nun soll Cleveland in keiner Weise mit einer deutschen Kleinstadt verglichen werden, aber der entscheidende Punkt bleibt der gleiche. Für alle Knicks-Fans trägt LeBron James im Herzen schon längst ein Knicks-Jersey.
Die geliebten Yankees vor der Haustür
Wer die Wahl zwischen Cleveland und New York hat, soll in Cleveland bleiben wollen? Auch wenn es die Heimat des King James ist, hier zählen keine Heimatgefühle, hier zählt einzig und allein New York. Hier zählt der Madison Square Garden, die selbst ernannte "the world's most famous arena", in der selbstverständlich der "world's most famous ball player" aufzocken muss.
Zumal dieser auch noch glühender Anhänger der Yankees ist, deren Spieler ebenso wie John McEnroe oder Dustin Hoffman ständige Gäste im MSG sind. So lautet jedenfalls die Argumentationskette der New Yorker.
Auch die theoretische Möglichkeit, dass James zwar Cleveland verlässt, aber zu einem anderen Klub als den Knicks geht - beispielsweise zu den Clippers - erscheint absurd.
Aber ist es wirklich so einfach? "Ich habe keine Ahnung, wo LeBron in der nächsten Saison spielen wird. Ich habe es geliebt, in New York zu coachen, aber New York ist nicht für jeden etwas. Ich habe auch keine Ahnung, nach welchen Kriterien er seine Entscheidung fällen wird", sagt Jeff Van Gundy im Gespräch mit SPOX.
Donnie Walsh als Obama
Der 48-Jährige, der inzwischen beim US-TV-Sender ESPN als NBA-Experte arbeitet und als solcher Kultstatus erreicht hat, war zwischen 1996 und 2001 Headcoach der Knicks und führte sie 1999 sogar bis in die Finals. Kaum einer kennt die Vibrations der Knicks-Franchise und der gesamten Stadt besser.
"Was ich auf jeden Fall weiß, ist, dass die Leidenschaft der Knicks-Fans in der NBA ihresgleichen sucht", sagt Van Gundy. In den letzten Jahren waren es in der Tat unglaubliche Leiden, die den Knicks-Fans zu schaffen machten.
In den Augen vieler Fans hat Isiah Thomas in seiner Rolle als George Bush der Knicks alles kaputt gemacht, was Donnie Walsh als Barack Obama nun alles wieder aufbauen muss. Ein Vergleich, der die Situation durchaus zutreffend beschreibt.
22 Jahre lang hatte Walsh die Geschicke der Indiana Pacers geleitet - 17 Mal stand der Klub in seiner Amtszeit in den Playoffs, sechsmal im Conference-Finale, einmal sogar in den Finals.
In zwei Jahren 100 Millionen eingespart
Kurzum: Walsh hatte bewiesen, dass er es kann, bevor er am 2. April 2008 seinen neuen Job als Retter der Knicks antrat. Bis heute hat der 69-Jährige Bemerkenswertes geleistet. Der Tracy McGrady-Trade vor kurzem hat die Knicks endgültig in eine starke Position für den Sommer 2010 gebracht.
"Wir haben jetzt sehr viel Flexibilität erreicht. In zwei Jahren haben wir 100 Millionen Dollar eingespart. Jetzt können wir einen Titelkandidaten aufbauen. Genau das war das Ziel", sagt Walsh.
"Alle Knicks-Fans sollten begeistert sein. New York hat mit James Dolan einen Top-Besitzer, mit Donnie Walsh einen Top-GM, mit Mike D'Antoni einen Top-Coach - und jetzt haben sie das Geld, um im Sommer gleich zwei Superstars zu verpflichten", meint Van Gundy und spricht damit die Salary-Cap-Situation an.
Der Salary Cap wird für die nächste Saison wohl bei 54 Millionen Dollar liegen, 18,6 Millionen sind durch laufende Verträge vergeben, mit dem Rest kann New York groß aufrüsten.
Welche Optionen haben die Knicks dabei?
Die Dream-Team-Variante: LeBron James, Dwyane Wade und Chris Bosh wechseln alle zu den Knicks. Klingt wild, ist es auch irgendwie, aber ESPN hat dieses Szenario kürzlich erst mal durchgespielt. Das Ergebnis: Warum eigentlich nicht...
Auch wenn James, Wade und Bosh mehr verdienen können, wenn sie neue Maximum-Verträge (6 Jahre, 10,5 Prozent jährliche Erhöhung) bei ihren jetzigen Klubs unterschreiben, als wenn sie sich verändern (5 Jahre, 8 Prozent jährliche Erhöhung), bleibt es eine Möglichkeit, dass zur Abwechslung Sportler auf die Idee kommen, auf Geld zu verzichten, weil sie etwas viel Größeres im Sinn haben.
11 Millionen Dollar für jeden, eine NBA-Dynastie in New York, die ihnen durch Einnahmen außerhalb des Platzes noch viel mehr Geld einbringen würde. Klingt gut, oder? Diese Option käme aber einem Basketball-Erdrutsch gleich und die Wahrscheinlichkeit ist dann doch gering.
Die realistische Variante: Die Knicks haben als Ausgangslage fünf Spieler unter Vertrag. Eddy Curry (11,2), Danilo Gallinari (3,3), Wilson Chandler (2,1), Toney Douglas (1) und Bill Walker (854.000). Als ersten Schachzug ziehen die Knicks die Option bei Sergio Rodriguez und halten den spanischen Spielmacher für 2,8 Millionen Dollar in New York.
Wer denkt, dass Rodriguez im McGrady-Deal nur Beiwerk war, macht einen Fehler. D'Antoni wollte in erster Linie Rodriguez haben, nicht T-Mac. D'Antoni war vor einigen Jahren in Phoenix dafür mitverantwortlich, dass Rodriguez von den Suns gedraftet wurde.
Geht man davon aus, dass die Knicks LeBron James (16 Millionen) bekommen, bleiben auf jeden Fall noch weitere 16 Millionen, die man aber auf mehrere Spieler verteilen könnte. Im besten Fall auf David Lee, Tracy McGrady und Marcus Camby.
All-Star-Lee könnte, wenn er sieht, was in New York für ein Team entsteht, einen Vertrag über 7 Millionen Dollar akzeptieren, bleiben immer noch je 4,5 Millionen für McGrady und Camby.
Dass Camby liebend gerne zurück zu den Knicks will, ist ein offenes Geheimnis. Und McGrady hat seit seinem Trade auch mehrfach bekundet, dass er auf viel Geld verzichten würde, um in New York zu bleiben und mit seinem Freund LeBron zusammenzuspielen.
"Niemand spielt für weniger Geld, außer es ist ein Championship-Team. Diesen Fall hätten wir hier. Außerdem halte ich sehr viel von Gallinari und Chandler", sagt Van Gundy. Da der Vertrag von Curry nach der nächsten Saison ausläuft, haben die Knicks sogar die Chance, noch einmal nachzulegen. Einen guten Point Guard als letztes Puzzleteil per Trade nach New York zu bringen, wäre sicherlich kein Problem mehr.
Die Katastrophen-Variante: Was aber, wenn der Knicks-Plan, wie ein Pokerspieler "all in" zu gehen, misslingt? Wenn LeBron in Cleveland bleibt? Wenn weder Wade noch Bosh nach New York kommen? Und dann auch noch Lee weggeht?
Wenn Walsh nur eine inakzeptable B-Lösung à la Joe Johnson oder Amare Stoudemire präsentieren oder plötzlich erklären muss, dass man jetzt auf 2011 (Carmelo Anthony) und 2012 (Kevin Durant) schaut? Da man alle möglichen Draftpicks verscherbelt hat, wären die Knicks auf Jahre am Boden.
Auch wenn das letzte Szenario nicht völlig ausgeschlossen werden kann, sollte man sich dann doch nicht zu viele Gedanken über Katastrophen machen, die nicht passieren können.
Es ist offensichtlich, dass LeBron James in New York mit einem neuen Knicks-Team mindestens genauso gute Chancen haben wird, die Meisterschaft zu gewinnen wie in Cleveland. Normalerweise muss er nach New York gehen. Dorthin, wo er irgendwo auch hingehört.
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