LeBron James schrammte mit 26 Punkten (10/20 FG), 12 Assists und 9 Rebounds nur ganz knapp an einem Triple-Double vorbei. Der NBA MVP stand 44 Minuten auf dem Feld und bekam im Schlussviertel so starke Krämpfe in seinem linken Oberschenkel, dass er vom Feld getragen werden musste und phasenweise nicht mehr weitermachen konnte.
James traf zwar selbst humpelnd noch einen wichtigen Dreier, aber trotz seiner erneut starken Leistung war er nicht der Mann des Spiels. Dieser hieß nicht James - und er hieß auch nicht Dwyane Wade, obwohl der Shooting Guard mit 25 Punkten (8/19 FG), 5 Rebounds, 3 Assists, 2 Steals und 2 Blocks das Boxscore füllte.
Nein, der Mann des Spiels hieß völlig überraschend Mario Chalmers. Der Heat-Point-Guard erzielte 25 Punkte (9/15 FG), traf die entscheidenden Würfe und machte das Spiel seines Lebens. Das Gleiche gilt allerdings auch für Russell Westbrook. Der Thunder-Point-Guard lieferte mit 43 Punkten (20/32 FG), 7 Rebounds und 5 Assists eine absolute Monster-Vorstellung ab.
Es war eine der besten Finals-Leistungen der Geschichte, nur Michael Jordan und Shaquille O'Neal hatten in den letzten 25 Jahren Finals-Spiele mit diesen Zahlen. Kevin Durant beendete das Spiel mit 28 Punkten (9/19 FG). Außer Westbrook und Durant punktete kein Spieler der Thunder zweistellig.
Reaktionen:
LeBron James (Miami): "Ich werde bereit sein für Spiel 5. Natürlich denkt man jetzt darüber nach, wie nahe wir am Titel sind."
Mario Chalmers (Miami): "Ich habe es als kleines Zeichen für mangelnden Respekt gesehen." (über die Thunder-Umstellung, Durant in der Defense gegen ihn zu stellen, um ihn vor Fouls zu schützen)
Dwyane Wade (Miami): "Mario Chalmers ist ein Winner. Er war fällig, ein großes Spiel zu machen."
Scott Brooks (Trainer Oklahoma City): "Eines kann ich garantieren. Wir haben noch Fighting-Spirit in uns."
... über Westbrook: "Russell war fantastisch. Er hat nie nachgelassen. Er war aggressiv, er hat uns im Spiel gehalten und uns eine Chance gegeben, das Spiel zu gewinnen."
Russell Westbrook (Oklahoma City): "Die Würfe sind für mich gefallen, aber es bedeutet alles nichts. Wir haben das Spiel nicht gewonnen."
Der SPOX-Spielfilm:
Vor dem Tipoff: Beide Teams beginnen wie gewohnt. Chalmers, Wade, James, Battier und Bosh starten für die Heat, Westbrook, Sefolosha, Durant, Ibaka und Perkins für die Thunder. Trash Talk zwischen Ibaka ("LeBron ist kein guter Verteidiger") und James ("Er ist dumm") sorgen für zusätzlich Feuer. Durant, in den Spielen 2 und 3 in Foulproblemen, beginnt in der Defense nicht gegen James sondern gegen Chalmers.
4.: Westbrook überragend in der Anfangsphase! Erst zieht er zum Korb und steckt wunderbar durch für Perkins, dann haut er seinen nächsten Jumper rein. Miami hat die letzten 5 Würfe versemmelt. 13:3 OKC! Timeout Heat. Mit Abstand der beste Start, den die Thunder in den Finals erwischt haben.
12.: Harden zieht in die Zone, passt auf Durant, scores! Dann klaut Durant Haslem den Ball, Pass auf Harden, Layup, drin! 33:16 OKC! Drei Sekunden vor Viertelende trifft Cole nach LeBron-Assist noch einen Dreier aus der Ecke. OKC (62,5 Prozent FG) führt nach 12 Minuten 33:19. LeBron nur 2/7. Wade 1/3.
16.: Chalmers zieht zum Korb und trifft. Starkes Finish! Plus Foul von Sefolosha. Dreipunktspiel. 16:0-Run für Miami. 33:32 OKC.
17.: Wade steigt zum Dunk hoch und wird von Ibaka weggeblockt. Wade kracht auf den Rücken und bleibt liegen. Auf der anderen Seite trifft Harden den Dreier. 40:35 OKC. Aber die Heat müssen sich erst mal um Wade kümmern, der krümmt sich immer noch vor Schmerzen. Timeout.
24.: Sefolosha verlegt den Layup, aber Westbrook kommt angeflogen und stopft das Ding rein! Krass. Wade antwortet mit dem Baseline-Jumper. 47:46 OKC.
29.: Was die Thunder in der Transition-Defense machen, ist so jämmerlich schlecht, einfach nicht zu glauben. Jetzt lassen sie Chalmers völlig frei an der Dreierlinie stehen. Chalmers trifft seinen zweiten Dreier des Spiels. Assist Nr. 11 für LeBron. Miami mit seiner höchsten Führung des Spiels. 64:60. Brooks ist sauer und nimmt die Auszeit.
36.: James hat jetzt das Kommando übernommen. Sein Jumper sorgt für das 79:72, dann fällt ein schwieriger Dreier aber nicht. Das wäre die 10-Punkte-Führung gewesen. So kommen die Thunder noch mal. Westbrooks Pull-up-Jumper wenige Sekunden vor Viertelende ist wieder drin, dazu gibt es noch ein Loose Ball Foul gegen Jones. Durant macht den Freiwurf. Miami gewinnt das dritte Viertel aber dennoch klar mit 33:26 und führt 79:75.
40.: Willkommen zur Mario-Chalmers-Show! Der Driving-Layup sitzt - und dann schlägt Chalmers erneut von Downtown zu. Sein dritter Dreier des Spiels. Chalmers ist schon bei 18 Punkten angekommen. 85:79 Miami. Timeout OKC.
42.: Und schon wieder Westbrook! Pull-up-Magic! Die letzten 11 Thunder-Punkte gehen auf sein Konto, Westbrook hält bei 37 (!) Punkten, 18/28 aus dem Feld - nur noch 90:88 Heat. Timeout Spoelstra.
43.: Drama um James. Gerade hat er noch die Punkte gemacht, aber bei seiner Aktion davor, als er zum Korb zog und hinfiel, hat er sich irgendwie am Bein verletzt. Er musste jetzt sogar zur Heat-Bank getragen werden. Sieht nach einem fürchterlichen Krampf aus.
46: James.... die Shot Clock läuft runter... über Sefolosha hinweg for threeeeeeee! Wahnsinn! Er humpelt immer noch, aber was soll's. Dann Chalmers mit dem Steal gegen Durant, Durant fordert den Call, bekommt ihn aber nicht. Wade erhöht sogar auf 99:94. Timeout Thunder. 2:17 Minuten noch.
48.: James hat wieder Probleme mit seinen Krämpfen und muss auf der Bank bleiben, aber Chalmers ist ja da! Chalmers zieht zum Korb und legt den Layup trotz Ibaka-Präsenz rein. Sensationeller Drive. 101:96 Heat. 44 Sekunden noch.
Das Spiel zum Nachlesen im LIVE-TICKER
Der Star des Spiels: Mario Chalmers. Hätte OKC das Spiel gewonnen, müsste an dieser Stelle natürlich Russell Westbrook stehen. Was der Thunder-Point-Guard in Spiel 4 zeigte, war atemberaubend. 43 Punkte, 20/32 aus dem Feld (62,5 Prozent) - da soll noch mal jemand sagen, Westbrook würde zu viele Würfe nehmen. Westbrook hatte von Beginn an den Attackier-Modus eingeschaltet und war mit seiner Mischung aus Drives und Pull-up-Jumpern schlicht und ergreifend nicht zu verteidigen. Dazu gab er einen so guten Floor-Leader, dass er sogar von Magic Johnson in den höchsten Tönen gelobt wurde. Sein bitterer Aussetzer am Ende, als er dachte, foulen zu müssen, war der einzige Makel.
So wurde aber letztlich Chalmers zum Helden des Abends. Der Heat-Point-Guard hatte es in den drei Finals-Spielen vorher zusammen auf 17 Punkte gebracht. In Spiel 2 und 3 lag Chalmers' Quote bei 2/15 - als er dann auch zu Beginn von Spiel 4 drei offene Dreier vergab, steckte er mitten in einer 2/18-Krise. Brutal. Aber was machte Chalmers dann? Er drehte auf sensationelle Art und Weise auf und erzielte 12 seiner 25 Punkte im letzten Viertel. Darunter den Killer-Layup in der letzten Minute - mit LeBron auf der Bank.
Der Flop des Spiels: James Harden. Es war vor Spiel 4 klar, dass die Thunder die Serie nicht gewinnen können, wenn Harden nicht in die Gänge kommt. Und Harden kommt weiterhin überhaupt nicht in die Gänge. Nach seiner 2/10-Performance aus Spiel 3 legte Harden die nächste 2/10-Performance nach. Er kam zwar immerhin auf 10 Rebounds neben seinen mickrigen 8 Punkten, aber er leistete sich auch 4 Turnover. Harden will unbedingt, aber es klappt so gut wie nichts. Der Sixth Man of the Year trifft vor allem keine offenen Dreier (1/9 in den letzten beiden Spielen) mehr und kommt weiter viel zu selten zum Korb durch. Bezeichnend war eine Szene, als er im Fastbreak nicht mal den leichten Layup verwandeln konnte. Am Schluss wirkte Harden völlig verunsichert und verweigerte beinahe schon Würfe. Es bleibt dabei: Wenn OKC noch mal in die Finals zurückkommen will, dann geht das nur über eine gewaltige Steigerung bei Harden.
Die Analyse: Jedes Finals-Spiel ist von einer enormen Intensität geprägt, aber was in Spiel 4 in der American Airlines Arena abging, spielte sich noch mal auf einem höheren Level ab. Vor allem im ersten Viertel war das Tempo extrem hoch. Die Thunder setzten zu Beginn alles um, was sie sich vorgenommen hatten. Aggressiv, schnell, entschlossen - OKC drückte wahnsinnig aufs Gaspedal und zog deshalb auch früh auf 17 Punkte weg.
Genauso schnell wie OKC den ersten Punch gelandet hatte, holte Miami aber zum Counter-Punch aus. Die Heat kamen ins Spiel zurück und waren ab dem zweiten Viertel klar die bessere Mannschaft. Die Thunder hatten einen außerirdischen Westbrook und einen starken Durant, aber das war es dann auch.
In den letzten knapp 17 Minuten punktete für die Thunder niemand, der nicht Westbrook oder Durant hieß. Es war mal wieder ständiger One-on-One-Basketball (nur 13 Team-Assists) bzw. es war ein Duell 2 gegen 5. Denn Miami hatte mehr als James und Wade. Das ist der entscheidende Punkt.
James und Wade lieferten zwar großartige Leistungen ab, aber sie hatten auch die nötige Unterstützung. Durch Chalmers, aber auch durch einen erneut effektiven Chris Bosh (13 Punkte, 9 Rebounds), oder auch durch einen Norris Cole. Der Rookie gab den Heat in Halbzeit eins mit 8 schnellen Punkten einen dringend benötigten Schub.
Mehrere Faktoren trugen außerdem zum Sieg bei. Erstens: Dreier. Während die Heat viele offene Dreier trafen (10/26), waren die Thunder von Downtown schwach (3/16). Zweitens: Es bestätigte sich einmal mehr, wie entscheidend das Rebounding-Duell und die Points in the Paint sind.
Miami war zum dritten Mal besser an den Brettern (40:35-Rebounds) und Miami erzielte zum dritten Mal mehr Punkte in der Zone (46:40). OKC lag mit 17 vorne, OKC bekam eine historische Leistung von Westbrook - und im letzten Viertel wurde James vom Feld getragen. Und es hat trotzdem nicht gereicht. Es fällt schwer, jetzt noch an ein Thunder-Comeback zu glauben. Sehr schwer.
Kein Team hat in der NBA-Finals-Geschichte jemals einen 1-3-Rückstand gedreht. Kein Team hat es nach einem 1-3-Rückstand jemals auch nur in ein Spiel 7 geschafft.
NBA: Die Playoffs im Überblick