Killer-Miller, Würgegriff-Affäre, 4-Point-Play!

Cliff Schmit
06. Mai 201301:22
Reggie Miller und John Starks standen in den Neunzigern im Mittelpunkt zahlreicher Nickligkeitengetty
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Die packenden Playoff-Duelle zwischen den New York Knicks und den Indiana Pacers haben in den 90ern fast eine gesamte Dekade geprägt. Ob Trash Talk, die "Würgegriff-Affäre" oder 8 Reggie-Miller-Punkte in 9 Sekunden, die Begegnungen sorgten stets für jede Menge Zündstoff. Im Vorfeld des Eastern-Conference-Halbfinals (Spiel 1, So., ab 21.30 im LIVE-STREAM FOR FREE) hat SPOX einen Rückblick auf die explosivsten Momente gewagt.

Es gibt im US-Sport so einige Duelle, die die Massen elektrisieren. Man möge nur an die erbitterte Rivalität zwischen den Yankees und den Red Sox im Baseball oder an die wiederkehrenden Feindseligkeiten zwischen den Packers und den Bears oder Steelers und Ravens im American Football denken.

Schränkt man sich spezifisch auf Basketball ein, so kommt einem sicherlich auf Anhieb die Dauerfehde zwischen den Lakers und den Celtics in den Sinn, die in den 80ern mit Larry Bird und Magic Johnson ihren vorläufigen Siedepunkt erreichte.

Direkt hinter dieser nahezu historischen Feindseligkeit zweier Teams kann man jedoch die Abneigung zwischen den New York Knicks und den Indiana Pacers ansiedeln.

Die bis heute andauernde Antipathie entstand natürlich nicht aus heiterem Himmel. Rivalitäten können ohnehin vielfach motiviert sein. Oft ist es in erster Linie die geographische Nähe, die zwei Mannschaften dazu veranlasst, nicht unbedingt zimperlich miteinander umzugehen.

Sechs Duelle in sieben Jahren

Bei den Knicks und den Pacers kam allerdings eine andere, nicht weniger häufige Komponente ins Spiel: wiederkehrende wichtige Aufeinandertreffen innerhalb von einer kurzen Zeitspanne.

In der Tat liefen sich die beiden altehrwürdigen Franchises zwischen 1993 und 2000 nämlich insgesamt gleich sechs Mal in den Playoffs über den Weg und lieferten sich dabei stets Auseinandersetzungen für die Geschichtsbücher. Die Duelle waren nicht bloß sportlich von gesteigertem Wert, sondern wurden in schöner Regelmäßigkeit von Animositäten auf und außerhalb des Spielfelds garniert.

"ESPN" waren diese epischen Schlachten sogar eine äußerst sehenswerte 70-minütige Dokumentation wert.

Gewisse Ähnlichkeiten zu erkennen

Dabei waren sich die beiden Franchises in den 90ern von ihrer Aufstellung und ihrer Gangart her wohl viel ähnlicher, als es ihnen überhaupt lieb sein durfte. Auf der Center-Position lieferten sich Patrick Ewing und der "Dunking Dutchman" Rik Smits harte Kämpfe. Auf den Flügelpositionen vertrauten beide Teams in erster Linie auf ehrliche Arbeiter (Charles Oakley, Anthony Mason, Larry Johnson vs. Antonio, Dale Davis).

Für die Punkte waren vor allem die Guards verantwortlich. John Starks und etwas später Allan Houston und Latrell Sprewell auf Seiten der Knicks, bei den Pacers natürlich in erster Linie Ausnahmekönner Reggie Miller.

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1993 Eastern Conference 1. Runde: 3-1 Knicks: Alles begann in der ersten Playoff-Runde 1993. New York hatte unter der Leitung von "Trainer des Jahres" Pat Riley die Saison als Top-Seed im Osten abgeschlossen und galt gegen ein mittelmäßiges Indiana als klarer Favorit.

Nach den beiden Auftaktsiegen der Knicks schien die Serie ohne große Nebengeräusche ihren erwarteten Lauf zu nehmen. Dies sollte sich in Spiel 3 allerdings schlagartig ändern.

Reggie Miller und John Starks, die sich ohnehin pausenlos behakten, gerieten während eines Trash Talks so heftig aneinander, dass der Guard der Knicks einen Kopfstoß gegen den Scharfschützen der Pacers ansetzte.

"Ich habe ihm bloß gesagt: 'John, schau dir deine Statistiken an. Du willst ein Starting Shooting Guard in dieser Liga sein? Verarschst du mich? Das ist echt peinlich'," erklärte Miller Jahre später.

Dazu muss man wissen, dass der Pacer ein Meister seines Fachs war, wie Fernsehkommentator Ahmad Rashad ganz treffend beschreibt: "Reggie Miller war einer der größten Showman, die es je im Sport gab. Zudem beherrschte er das Trash Talking wie kein Zweiter. Bereits eine Woche vor einer Begegnung sagten sich die Gegenspieler im Training: 'Lass dich nicht von Reggie verunsichern, lass dich bloß nicht von Reggie aus dem Konzept bringen'. Wenn dann das Spiel anfing, brauchte er nur 'Hallo' zu dir zu sagen und es war vorbei mit der Konzentration."

Obwohl Starks, der für seinen Hitzkopf bekannt war, beim Kopfstoß nicht wirklich durchzog, wurde er vor allem auch aufgrund von Millers recht theatralischer Reaktion des Feldes verwiesen.

Nach der Partie fand er natürlich nur wenig freundliche Worte Richtung Miller: "Er hat mal wieder geschauspielert, ist fast nach hinten gefallen und hat sich aufgeführt, als hätte ich jemanden umgebracht."

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Mit dieser Episode war eine Rivalität geboren. Dabei konnten alle Beteiligten natürlich noch nicht wissen, dass man sich in den nächsten sieben Jahren gleich fünf Mal auf Playoff-Ebene duellieren würde.

1994 Eastern Conference Finals, 4-3 Knicks: Die Chance zur Revanche bot sich den Pacers gleich im darauffolgenden Jahr. Die Anspannung vor der Serie war umso größer, weil der Osten nach dem Rücktritt von Michael Jordan weit offen stand und man sich dieses Mal erst in den Conference Finals gegenüberstand.

Es stand also nicht weniger als eine Finalteilnahme auf dem Spiel und beide Teams ließen in ihren jeweiligen ersten beiden Heimspielen nichts anbrennen. Die Stimmung sollte sich dann aber in Game 5 hochschaukeln und Reggie Miller sollte wieder eine der Hauptrollen spielen.

Bis zum letzten Viertel war beim Shooting Guard nicht viel zusammengelaufen. Lediglich 14 Zähler standen auf seinem Konto, bevor er in den letzten zwölf Minuten explodierte und Indiana zum Sieg warf.

25 Punkte erzielte er im Schlussabschnitt, darunter fünf unnachahmliche Miller-Dreier. Und nach dem Film-Regisseur und Knicks-Edelfan Spike Lee dem Pacer während der ersten drei Viertel immer wieder deutlich zu verstehen gegeben hatte, was er von seiner bis dato eher dürftigen Leistung hielt, war es nun Miller, der am längeren Hebel saß und nach jedem Treffer das Gespräch mit Lee suchte.

"Er hat eine ganze Menge für diese Court-Side-Plätze bezahlt, um so nah wie möglich am Spielgeschehen dran zu sein. Spike wollte an der Partie teilnehmen, also habe ich ihn miteinbezogen," sagte Miller lapidar.

Der vollgepackte MSG kochte vor Wut und buhte Miller bei jeder Ballberührung gnadenlos aus. Hinzu kamen, in Anspielung an Millers ebenfalls basketballspielende Schwester Cheryl, laute "Cheryl, Cheryl"-Schmähchöre.

Eine Atmosphäre wie gemalt für den damals 29-Jährigen, der sich anschließend nach einem weiteren Clutch-Wurf beide Hände an den Hals legte und erst Lee und dann allen Zuschauern deutlich machte, dass er den Knicks soeben das Genick gebrochen hatte.

Anschließend wanderte seine Hand sogar noch etwas in etwas tiefere Regionen, sehr zum Missfallen vom zappeligen Filmregisseur: "Nach seinem Griff in die Weichteile musste ich reagieren. Mann, meine Frau saß neben mir. Wie hätte ich sonst dagestanden?"

"Miller, Pacers take Manhattan", titelte am darauffolgenden Tag der "Indianapolis Star". Die Medien aus dem Big Apple, wie die "New York Daily News" hatten sich dagegen eher auf Spike Lee eingeschossen und wählten "Thanks a lot, Spike" als Aufmacher.

Obwohl Indiana erneut knapp in sieben Spielen rausflog, gehörten die Schlagzeilen den Pacers und ihrem Anführer "Killer Miller".

1995 Eastern Conference Semifinals, 4-3 Pacers: Hatten die '93er- und '94er-Serien bereits die Rivalität entfacht, so entwickelte sich die zweite Playoff-Runde 1995 zum regelrechten "Nailbiter". Die Serie stand von Beginn an völlig unter Strom und sollte bis zum finalen Spiel 7 nichts an Intensität verlieren.

Bereits die erste Partie ging als eines der größten Comebacks in die Geschichtsbücher ein. 105:99 führten die Knicks bei nur noch 18 Sekunden auf der Uhr. Was sich anschließend abspielte, beschrieb Pacers Point Guard Mark Jackson im Nachhinein ganz banal als "dann ist es einfach passiert".

Miller verkürzte vom linken Flügel auf 102:105, bevor er den darauffolgenden Einwurf der Knicks abfing, hinter die Dreipunktlinie spurtete und erneut einen Distanzwurf zum Ausgleich einnetzte.

Während den Knicks die Nerven an der Linie versagten, verwandelte Miller seinerseits zwei Freiwürfe eiskalt. Der Pacer hatte 8 Punkte innerhalb von 9 Sekunden erzielt und die Partie somit im Alleingang gedreht.

Auch Spiel 7 war an Dramatik kaum zu überbieten. Nach einer hart umkämpften Begegnung hatte Patrick Ewing die Möglichkeit, die Partie beim Stande von 95:97 aus Sicht der Knicks in die Verlängerung zu schicken.

Dynamisch zog der Center Richtung Zone, doch sein Finger Roll trudelte vom Ring. Mit der Schlusssirene sank Miller auf dem Parkett des MSG zusammen. Erleichterung und Freude waren bei den Pacers nach dem ersten Weiterkommen im dritten Duell einfach nur riesengroß.

Seite 2: Die Duelle 1998, 1999 und 2000

1998 Eastern Conference Semifinals, Pacers 4-1: Nach einer zweijährigen Verschnaufpause duellierten sich die beiden Schwergewichte erstmals 1998 wieder in der zweiten Runde. Die Kräfteverhältnisse hatten sich mittlerweile jedoch verschoben.

In Abwesenheit des verletzten Ewing waren die Pacers klar favorisiert und ließen in fünf Spielen auch nichts anbrennen. Lediglich in Spiel 5 fügte Miller vor den Augen von Lee eine weitere seiner Heldentaten hinzu, als er fünf Sekunden vor Schluss Indiana per Dreier in die letztlich siegreiche Verlängerung rettete.

1999 Eastern Conference Finals, 4-2 Knicks: Das Aufeinandertreffen in den Conference Finals 1999 stand ganz im Zeichen der damaligen legendären Knicks-Truppe um Allan Houston, Latrell Sprewell und Larry Johnson. Selbst ohne den langzeitverletzten Ewing schaffte es New York dank eines 4-2 als erster und bisher einziger Nummer-8-Seed in die Finals.

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Ohne Kontroverse sollte auch diese Serie nicht über die Bühne gehen. In Erinnerung bleibt vor allem "Grandma" Johnsons Vierpunktspiel kurz vor Ende von Spiel 3. Fünf Sekunden standen noch auf der Uhr als der Power Forward der Knicks hochstieg und gegen Antonio Davis zum Ausgleich einnetzte. Die Schiedsrichter entschieden zudem auf Foulspiel und Johnson entschied die Partie von der Linie für die Knicks.

Sehr zum Missfallen von Übeltäter Antonio Davis, der den Pfiff natürlich nicht verstehen wollte: "Ich habe ihn nicht gefoult. Hätte ich das vorgehabt, hätte ich es vor allem früher und härter getan."

2000 Eastern Conference Finals, 4-2 Pacers: Beim bisher letzten Aufeinandertreffen waren es dann erneut die Pacers die den besseren Ausgang für sich kannten. Und in einem gewissen Sinn schloss sich bei der Serie vor allem für Miller ein Kreis.

Sechs Jahre nach seinem ersten Gala-Auftritt im Big Apple lieferte der "Streaky Shooter" erneut eine Glanzleistung im MSG ab. 34 Punkte erzielte Miller, 17 davon im letzten Viertel, und war somit Hauptgarant eines 93:80-Erfolgs.

Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass auch die Presse eine größere Rolle bei der Zeichnung dieser Legende gespielt hat. Die Medien drängten die zwei Teams nämlich nur allzu gerne in Stereotypen.

Auf der einen Seite die Underdogs, die Helden aus dem stolzen, ländlichen und basketballverrückten Staat Indianapolis, die für die Small-Market-Teams stehen sollten und dem Spiel etwas "Menschliches" verleihen sollten. Demgegenüber standen die arroganten Bösewichte aus der Großstadt, aus dem Moloch New York, die alles und jeden zermalmen wollten.

Trotz aller Anfeindungen ist der Respekt stets geblieben. Bei Millers letztem Auftritt im MSG 2005 verabschiedeten die Zuschauer den Pacer mit stehenden Ovationen. Nach der Partie gab es sogar noch eine Umarmung zwischen Miller und seinem "Intimfeind" Lee.

Es bleibt natürlich abzuwarten, wie die heutigen Akteure um Carmelo Anthony und Paul George die Rivalität in die Gegenwart transportieren werden. Obwohl die meisten Spieler in den 90ern noch Schuljungen waren, ist es unvorstellbar, dass sie nichts von diesen legendären Auseinandersetzungen mitbekommen haben.

Sollte dies trotzdem der Fall sein, wird spätestens ein ganz spezieller Knicks-Fan die Akteure darauf hinweisen, was auf dem Spiel steht.

Ergebnisse und Spielplan im Überblick