"Die Einstellung hat mir nicht gefallen"

Thorsten Schmidt
01. März 201418:23
Tyson Chandler (r.) verpasste den Großteil der ersten Saisonhälfte mit einem Wadenbeinbruchgetty
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Gemeinsam mit Dirk Nowitzki holte er 2011 die Meisterschaft nach Dallas. Nun spielt Tyson Chandler für die strauchelnden New York Knicks. Im Interview mit SPOX spricht Chandler über seine Freundschaft zu Nowitzki, seinen erneuten Meistertraum und eine inspirierende Ali-Rede.

SPOX

SPOX: Herr Chandler, 2011 gewannen Sie mit Dirk Nowitzki und den Dallas Mavericks die Meisterschaft. Wie oft danken Sie daran heute zurück?

Tyson Chandler: Während der Saison überhaupt nicht. Da stehst du voll unter Strom, hast alle zwei Tage ein Spiel und findest kaum eine ruhige Sekunde. Leider bleiben für solche Erinnerungen momentan keine Zeit. Zumal die Saison hier bei den Knicks sehr turbulent verläuft.

SPOX: Aber wenn Sie es jetzt doch einmal versuchen würden: Welche Erinnerungen haben Sie an den 13. Juni 2011?

Chandler: Das war bestimmt der Tag des sechsten und letzten Finalspiels?

SPOX: Genau.

Chandler: Das war Gänsehaut pur. Als kleiner Junge habe ich davon geträumt, irgendwann die Larry-O'Brien-Trophäe in Händen zu halten. Wenn ich in ein paar Jahren meine Karriere beendet habe, werde ich an diesen Tag ganz bestimmt viel häufiger zurückdenken.

SPOX: Wie enttäuscht waren Sie, dass die Mannschaft damals sofort nach dem Titelgewinn auseinandergefallen ist?

Chandler: Am Ende ging es nur ums Geld. Ich hätte mir vorstellen können, in Dallas zu bleiben. Aber es war eine reine Business-Entscheidung. So ist das in der NBA. Das musst du als Spieler einfach akzeptieren, du kannst es nicht ändern.

SPOX: Sind Sie mit Nowitzki heute noch in Kontakt?

Chandler: Wie gesagt, während der Saison bleibt auch dafür kaum Zeit. Aber Dirk ist ein großartiger Kerl, ich habe ihn wahnsinnig gern. Wir werden für immer und ewig Freunde bleiben. Der Meistertitel hat uns zusammengeschweißt.

SPOX: Von Dallas wechselten Sie zu den New York Knicks. Dort läuft es für Sie nicht so gut wie an Nowitzkis Seite.

Chandler: Naja, so schlimm ist es nicht. Wir sind bislang immer in die Playoffs gekommen...

SPOX: ... wo Sie spätestens in der zweiten Runde ausgeschieden sind. Und in dieser Saison könnten Sie die Playoffs sogar komplett verpassen.

Chandler: Das stimmt, momentan stehen wir außerhalb der Playoff-Plätze. Wir hatten einen sehr schlechten Saisonstart - vor allem, weil viele Spieler inklusive mir verletzt waren und wir keinerlei Rhythmus finden konnten. Aber jetzt geht es wieder langsam bergauf. Ein Schlüsselmoment könnte dieses unfassbare Spiel von Carmelo gewesen sein.

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SPOX: Sie meinen das 125:96 gegen die Charlotte Bobcats, als Carmelo Anthony mit 62 Zählern eine neue Rekordpunktzahl im Madison Square Garden auflegte?

Chandler: Genau. Das war hoffentlich eine Initialzündung für die zweite Saisonhälfte.

SPOX: Wie ist dieser Abend aus Ihrer Sicht abgelaufen?

Chandler: Carmelo war einfach on fire. Wir Teamkollegen haben versucht, ihn durchweg freizuspielen oder freizublocken, damit er so wie Würfe wie möglich nehmen kann. Er ist ein wahnsinnig guter Scorer. Wenn er heiß läuft, sind solche Spiele keine Überraschung.

SPOX: War es Anthony schon vor dem Spiel anzumerken, dass er einen außergewöhnlichen Tag erwischt hat?

Chandler: Carmelo war extrem fokussiert. Den letzten Kick hat ihm eine Rede von Muhammad Ali gegeben, die wir uns vor dem Spiel in der Kabine angehört haben.

SPOX: Um was ging es dabei?

Chandler: Es war eine typische Ali-Rede über Größe und Willensstärke. Alle waren gegen ihn, trotzdem hat er sich gegen alle Widerstände durchgebissen. Dies thematisierte Ali in der Rede. Carmelo hat sich das ganz offensichtlich zu Herzen genommen. Auch er wird ja häufig kritisiert.

SPOX: Sie sprechen es an: In nicht wenigen Momenten wird Anthony Egoismus vorgeworfen. Was halten Sie davon?

Chandler: Carmelo ist einer der besten Basketballer unseres Planeten. Wenn er auf diesem wahnsinnig hohen Level weiterspielt, sollten die Playoffs definitiv machbar sein. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

Seite 1: Chandler über die Meisterschaft mit Dallas

Seite 2: Chandler über die Probleme der Knicks

SPOX

SPOX: Trotz der jüngsten Carmelo-Show: Was läuft diese Saison schief?

Chandler: Die Einstellung der Mannschaft hat mir über weitere Strecken der Saison nicht gefallen. Wenn wir hinten lagen, gingen die Köpfe viel zu schnell nach unten. Wir haben uns kaum gewehrt. Das war sehr frustrierend. Auch unser Coach hat bei manchen Personalentscheidungen vielleicht nicht immer richtig gehandelt. Aber ich glaube, dass es bei uns jetzt insgesamt klick gemacht hat.

SPOX: Sehen Sie Ihr Team jetzt endgültig raus aus dem Tal?

Chandler: Ich hoffe, dass es so ist. Aber das hatte ich auch schon Anfang Januar gehofft, als uns fünf Siege in Folge gelungen sind, unter anderem gegen die Miami Heat. Doch danach gab es wieder fünf Pleiten in Folge. Aber wie gesagt: Ich glaube, dass diese 62 Punkte von Carmelo eine Initialzündung waren.

SPOX: Sie selbst fielen lange mit einem Wadenbeinbruch aus, haben diese Saison nicht mal die Hälfte aller Spiele bestritten.

Chandler: Aber jetzt fühle ich mich immer besser. Ich bewege mich besser und kann der Mannschaft wieder mehr Stabilität in der Defensive geben.

SPOX: Und in der Offensive verwandeln Sie gerade einen Alley-oop nach dem anderen...

Chandler: Ja, zuletzt waren es drei oder vier pro Spiel, so kann es weitergehen! Egal ob Raymond Felton, Pablo Prigioni und J.R. Smith - die Jungs setzen mich super in Szene. In den vergangenen Spielen habe ich mich sogar ein bisschen an die Zeit in New Orleans zurückerinnert. Dort habe ich ja von 2006 bis 2009 mit Chris Paul zusammengespielt. Und der hat mir ja fast in jedem Angriff Alley-oop-Anspiele serviert. (lacht)

SPOX: In der Knicks-Kabine klebt auf jedem Spind die Zahl "16" - eine Anspielung auf 16 Siege, die man in den Playoffs benötigt, um Meister zu werden!

Chandler: Das stimmt. Schon in der vergangenen Saison hatten wir Fotos der Larry O'Brien Trophy auf unseren Spinden kleben.

SPOX: Wer hatte die Idee dazu?

Chandler: Unser Management. Wir Spieler können uns damit voll und ganz identifizieren. Denn dadurch werden wir jeden Tag an unser großes Ziel erinnert: die Meisterschaft.

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Tyson Chandler im Steckbrief