Nacht für Nacht darf sich Jimmy Bulter mit den besten Scorern des Gegners auseinandersetzen. Schlecht sieht der Shooting Guard der Chicago Bulls dabei nur in den seltensten Fällen aus. Ob nun LeBron James, James Harden oder Paul George - alle machten sie Butlers unangenehme Bekanntschaft. Dabei ist es dem Swingman reichlich gleichgültig, wen er am Scoren hindern muss.
Da war er wieder. Dieser eine, ganz spezielle Moment, der nur den absolut Besten maßgerecht auf den Leib geschneidert ist. Nach 48 Minuten voller Intensität, Defense und kleinerer Scharmützel kanalisierte sich das gesamte Spiel auf diese eine, letzte Possession. Ganz nebenbei ließen die Fans im United Center den Lärmpegel auf ein Niveau ansteigen, bei dem man gut und gerne den Start eines Jets hätte überhören können. Playoff-Atmosphäre.
MVP-Time. Und der amtierende MVP übernahm, nun ja, wollte übernehmen. Denn direkt, nachdem Miami das Isolation Play initiiert und LeBron James an der Mittellinie den Ball erhalten hatte, klebte Jimmy Butler auch schon am "Chosen One". Botschaft: Nicht hier, nicht jetzt, nicht mit mir. Mario Chalmers eilte zur Hilfe, stellte den Block, der LeBron den entscheidenden Vorteil zu verschaffen schien. Butler ging zwar über den Screen, wirkte einen kurzen Moment jedoch im Nachteil.
James zog, Butler schloss auf, James stieg zum Korbleger hoch, Butler brachte seine Hand an den Ball. Steal! Verlängerung. Am Ende gewann Chicago und bewies damit erneut, weshalb wohl kein Team große Lust verspürt, in den Playoffs Tom Thibodeaus gnadenloser Defense-Maschine entgegentreten zu müssen. Auch nicht der zweifache Champion. "Ich liebe es gegen sie zu spielen", sagte Butler nach getaner Arbeit im Gespräch mit SPOX. "Du willst dich immer mit den Besten messen. Das wollte ich schon als Kind. Und sie sind nun mal sehr gut. Da muss man alles aus sich herausholen."
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Defense vs. LeBron etwas besonderes? "Nein"
Tatsächlich macht es den Anschein, als wachse der Swingman mit jeder Herausforderung. Selbst die allergrößte lässt ihn nicht in Ehrfurcht erstarren. So zählt er mittlerweile zum erlesenen Kreis jener, die von sich behaupten dürfen, LeBron James' Produktivität dauerhaft und effektiv deutlich einschränken zu können. Im letzten Duell mit den Heat klaute Butler LBJ nicht nur entscheidend den Ball, er hielt den zweifachen Finals-MVP gleichzeitig bei lediglich 17 Punkten und 34,8 Prozent aus dem Feld. Dazu marschierte James nicht ein einziges Mal an die Linie. Der zweifache Finals-MVP musste sich an seine Zeit bei den Cavaliers erinnert fühlen, als ihm letztmals ein solches Schicksal widerfahren war.
Butler fand stets die richtige Balance aus Abstand halten und intensiver Defense direkt am Mann. So suchte James vergebens Wurf-Rhythmus und Weg Richtung Zone. Dieses Gespür für den Raum, gepaart mit Butlers physischem Spiel und aktiven Händen stellt LeBron vor Probleme, die er so nur selten antrifft. Aber wie geht Butler ein solches Duell an? Ist es etwas Besonderes? "Nein", sagt er. "Ich möchte jeden nach meinen Möglichkeiten stoppen. Wenn sie dann einen Wurf treffen, denke ich mir 'Ok, noch einen machst du nicht'. In der Defense habe ich ein sehr gutes Kurzzeitgedächtnis."
Nacht für Nacht gegen die Scoring-Elite
Wie gut selbiges funktioniert, konnte Butler im März unter Beweis stellen. Binnen drei Wochen gaben sich nacheinander Carmelo Anthony, LeBron James, James Harden, Kevin Durant und Paul George die Ehre. Das Ergebnis blieb mit Ausnahme von KD und mit Abstrichen Melo größtenteils dasselbe. Als Elite-Scorer ins Spiel gegangen verließ Harden das United Center mit einer Quote von 28,6 Prozent und 8 Punkten, George mit 36,4 Prozent und 21 Punkten. James' Schicksal ist bekannt.
Das allein ist grundsätzlich nicht ganz schlecht. Beeindruckend wird es aber mit einem Blick auf das Opponent Efficiency Rating. Das liegt im Falle von Jimmy Butler nämlich bei 9,8 und der ehemalige Marquette Golden Eagle damit auf Rang eins. Nicht teamintern. Ligaweit! Die Tatsache, dass die Herren Ray Allen, James Harden und Kevin Martin, die nicht zwingend als herausragende Verteidiger gelten, ebenfalls unter den Top Ten zu finden sind, mag Butlers Leistung auf den ersten Blick ein wenig mindern.
Andererseits sieht sich keiner der Drei Nacht für Nacht dem besten Perimeter-Scorer des Gegners gegenüber. Oder mit den Worten von Paul George, seinerseits ein durchaus fähiger Defender: "Ich genieße es richtig, gegen ihn zu spielen. Er macht mich besser. Er ist ein großartiger Verteidiger. Er hat schnelle Füße und Hände. Egal ob Team- oder On-Ball-Defense - er beherrscht beides hervorragend. Zudem spielt er sehr physisch. Was ihn so tough macht, ist der Fakt, dass er nicht der Typ ist, der zurücksteckt."
Es mag an seiner nicht immer einfachen Kindheit liegen, an der Tatsache, dass ihn seine Mutter einst mit den Worten "ich ertrage dich nicht mehr" vor die Tür setzte, aber Jimmy Butler lässt sich von nichts und niemandem einschüchtern. Im Grunde kann der Basketball schließlich keine größeren Herausforderungen bereithalten als jene, die ihm das Leben bereits in jungen Jahren stellte - und die er meisterte.
Keine Ausreden
So kommt Butlers unermüdlicher Arbeitseifer sicherlich nicht von ungefähr. Auch Ausreden sind ihm fremd. Läuft es nicht, sucht der Zweier den Fehler zunächst bei sich. Für einen 24-Jährigen nicht unbedingt selbstverständlich. Dabei könnte Butler durchaus auf seine nicht unerhebliche Verletztenakte der laufenden Saison verweisen, sobald sein wackliger Wurf mal wieder im Fokus steht. Knieprobleme hier, eine Rippenprellung da - und schließlich der Turf Toe.
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Nichts gravierendes, aber immer wieder genug, um den Shooting Guard seines Rhythmus' zu berauben. Speziell der Turf Toe, extrem schmerzhaft und hinderlich beim Absprung, ließ Butlers ohnehin schon flachen Wurf eine Flugkurve beschreiben, die ihren Namen eigentlich kaum mehr verdient hatte. Entsprechend rapide gingen die Quoten nach unten. Traf Butler vor der Verletzung noch 38,5 Prozent von jenseits der Dreierlinie - ohnehin kein herausragender Wert - so waren es post-Turf-Toe zwischenzeitlich magere 29,7 Prozent.
Der Wurf wackelt
Im März ist er mittlerweile bei ebenfalls kaum angsteinflößenden 31 Prozent angekommen, was Chicagos chronischen Spacing-Schwierigkeiten nicht zwingend entgegenkommt. Sich davon aus der Ruhe bringen zu lassen läge allerdings nicht in der Natur des Jimmy Butler.
"Deshalb mache ich mir keine Sorgen", erklärt er SPOX. "Irgendwann fällt der Wurf, man muss nur weitermachen und darf sich nicht frustrieren lassen. Im Grunde kann ich aber auch 0 von 30 werfen - so lange wir gewinnen, ist mir das nur Recht. Es geht nicht darum, wie viele Punkte man macht, wie viele Rebounds man abgreift. Steals, Assists - das ist alles nicht so wichtig."
Wesentlich wichtiger ist da schon der Fakt, dass Butler eine seiner Stärke wiederentdeckt zu haben scheint. "Speziell zuletzt" sei er wieder aggressiver gewesen, sagt er. Heißt: Butler nutzt seine Athletik vermehrt für den Zug in die Zone, was ihm wiederum den einen oder anderen Besuch an der Freiwurflinie einbringt. Bei beinahe der Hälfte seiner Wurfversuche (50,3 Prozent), um ganz genau zu sein.
Effizientes Scoring, trotz schwacher Quoten
Eine respektable, aber keinesfalls herausragende Freiwurfquote (77,9 Prozent) bringt Chicagos Shooting Guard so eine gleichsam respektable, wenngleich, richtig, nicht herausragende True Shooting Percentage (54,4 Prozent). Heißt: Seinen schwachen Quoten aus dem Feld zum Trotz weiß Butler durchaus halbwegs effektiv zu scoren. Ganz aus der Luft gegriffen ist sein Spitzname also tatsächlich nicht: Jimmy indeed gets Buckets!
Dennoch wird er wohl nie zu Chicagos zweiter großer Scoringoption hinter einem in Zukunft hoffentlich fitten Derrick Rose werden. Natürlich lässt sich am Wurf arbeiten, auch das ausbaufähige Ballhandling steht keinesfalls in Stein gemeißelt, Butlers primäre Aufgabe bleibt jedoch die Arbeit am hinteren Ende des Courts. Dort, wo er Tom Thibodeau sicherlich bereits das eine oder andere Glücksgefühl beschert hat. Und auch wenn es für den geneigten Beobachter ob der von Joakim Noah im SPOX-Interview beschriebenen, latenten Grießgrämigkeit des Coaches mit Sicherheit niemals an seiner Mimik abzulesen sein wird, mit Lob geizt "Thibs" keinesfalls.
"Jimmy ist tough", sagt er. "Und er verteidigt jeden. Er verteidigt Point Guards, Zweier, Dreier, Vierer. Dank ihm haben wir die Möglichkeit, immer wieder zu switchen. Klein gegen groß ist kein Problem. Wenn er gegen einen Big Man verteidigen muss, spielt er physisch. Er ist einfach tough. Auch mental."
Es braucht nicht viel Vorstellungskraft, um zu erahnen, dass Thibodeau damit nicht nur Butler beschreibt, sondern gleichzeitig die Blaupause für den in seinen Augen perfekten Basketballer liefert. Tough. Flexibel. Keine Herausforderung scheuend. Und natürlich Defense spielend. All das verkörpert und beherrscht Jimmy Butler III. Egal, wann. Egal, gegen wen. Das brachte ihm ihm März nicht nur 41,9 Minuten pro Spiel ein, es ließ auch LeBron James verzweifeln.