Doc Rivers hat gute Laune. Lächelnd schlendert der Coach der Los Angeles Clippers in seinem gut sitzenden, dunkelgrauen Anzug durch die Katakomben der American Airlines Arena. Ein Nicken hier, ein Handschlag dort - und immer wieder dieses fast schon schelmische: "Hey, wie geht's?" Dabei spielt es nicht einmal eine Rolle, wer ihm gerade über den Weg läuft. Journalisten, Cheerleader, Putzkolonne: Jeder wird begrüßt.
Der 53-Jährige wirkt gelassen. Und wenn man mit ihm spricht, könnte man fast vergessen, dass sein Team nach einem durchwachsenen Saisonstart bereits erheblich in der Kritik steht.
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"Wir dürfen uns davon nicht aus der Ruhe bringen lassen", sagt Rivers zu SPOX. "Wir schauen nicht auf andere Teams, nicht auf eventuelle Ausreden. Die Spieler wissen ganz genau, was sie zu tun haben. Und ich weiß, dass sie dazu in der Lage sind. Zu diesem Zeitpunkt über große Veränderungen zu sprechen, wäre falsch."
Das war vor dem Spiel gegen die Miami Heat. Und damit auch bevor Rivers das vermutlich beste Spiel seines Teams in der noch jungen Saison bestaunen durfte.
"Noch nicht wieder auf dem Level"
Als lethargisch war sein Team kurz zuvor noch von einem Insider bezeichnet worden. Als Schatten seiner selbst. Die Clippers, vor der Saison noch als einer der Favoriten im Westen gehandelt, hätten nicht wie geplant den nächsten Schritt in Richtung Titel gemacht, sondern sich stattdessen zurückentwickelt. "Wir sind noch nicht wieder auf dem Level, auf dem wir in der vergangenen Saison waren", räumte selbst Blake Griffin ein.
Mangelnde Defense, schlechtes Ball-Movement. So lauten die größten Kritikpunkte. Von mangelndem Vertrauen war außerdem die Rede. Fehlendes Vertrauen in die Mitspieler, den Gameplan. Darin, dass man auch nach verpassten Würfen und defensiven Breakdowns das geplante Spiel durchziehen kann. "Anstatt uns gegenseitig zu vertrauen, haben wir es unter Bedrängnis mit Alleingängen versucht", hatte Rivers nach der Niederlage gegen die Chicago Bulls selbst gesagt. Das Ergebnis: Die Zeichen standen nach lediglich neun Spielen, jedenfalls so die weitgehende öffentliche Meinung, auf Krise. Der aktuelle Roadtrip des Teams (sieben Spiele in zehn Tagen) wurde zur vorentscheidenden Suche nach der wahren Identität hochstilisiert.
Lichtblick gegen die Heat
Die Spieler selbst wollen davon allerdings nichts wissen. "Wir sind nach der Kritik der letzten Wochen nicht in Panik verfallen", sagt etwa Chris Paul. Nach dem Sieg gegen die Heat sitzt er entspannt auf einem Klappstuhl in der Umkleidekabine und lächelt. Es war ein gutes Spiel für ihn selbst (26 Punkte, 12 Assists) - aber umso mehr für sein Team. Denn genau die Dinge, die zuletzt kritisiert worden waren, funktionierten hervorragend.
Der Ball lief gut durch die eigenen Reihen (31 Assists bei 43 Treffern aus dem Feld), die Würfe fielen, die Zone wurde dominiert. Und auch die Defensive hielt bis auf wenige Ausnahmen dicht. Da kann man auch schon mal mit mit einem befreundeten Journalisten das beliebte Lob-City-Ratespiel "Mit wem habe ich die meisten Alley-Oops fabriziert?" spielen. Die Antwort steht übrigens noch aus. Paul ist sich sicher, dass einige Namen auf der Liste fehlten. Er will noch mal ins Videoarchiv gehen und dem Kollegen dann die entsprechenden Highlights zuschicken. Ordnung muss sein.
Heute kann er sich solche Späße erlauben, denn auf dem Feld war er stark. Paul hat genau das gemacht, was man von ihm gefordert hatte: Noch mehr Verantwortung übernehmen. "Es ist meine Aufgabe, uns anzutreiben", sagt er mit energischer Stimme. "Ich muss unser Spiel aus der Defensive heraus schnell machen. Selbst wenn der Gegner punktet, dürfen wir nicht aufstecken. Das hat heute besser geklappt."
"Wenn wir so spielen..."
Und auch Rivers sagt: "Es beginnt alles in der Defensive. Wir bekommen mehr Stopps, sichern uns Rebounds, schalten danach schneller um. In der Vorwärtsbewegung lassen wir den Ball dann gut laufen und finden offene Würfe. Wenn wir so spielen, ist es schwer uns zu schlagen. Egal wie der Gegner heißt. Wir fangen an, unseren Weg zu finden."
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Das klingt alles sehr positiv. Vielleicht sogar nach dem Start einer Serie. Auf der anderen Seite weiß man bei den Clippers aber auch, dass man die Siege gegen Orlando und Miami nicht überbewerten darf. "Natürlich ist es schön, endlich mal wieder zwei Spiele hintereinander zu gewinnen", sagt Paul zu SPOX. "Aber es sind eben auch nur zwei Spiele. Wir werden jetzt bestimmt nicht anfangen, uns als Champions zu sehen.
Härtetest gegen Houston
Besonders dann nicht, wenn die Siege gegen Teams kommen, die so nicht zur Elite zählen. Miami spielte erneut ohne den verletzten Dwyane Wade, Josh McRoberts ist ebenfalls nicht komplett fit. Mario Chalmers und Shawne Williams spielen mal überragend, nur um wenig später komplett abzutauchen. Das Spiel der Heat hat kaum Bewegung, sie ließen die Clippers in der Offensive nach Belieben dominieren. Da ist es nicht verwunderlich, dass Los Angeles besser als 50 Prozent aus dem Feld traf.
In den kommenden Spielen gegen Memphis und dann auch gegen Houston dürfte die Situation schon ganz anders aussehen. "Wir waren gut heute, das stimmt", so Griffin gegenüber SPOX. "Aber wir hatten auch einige Breakdowns. Wir wissen, dass wir besser sein können. Und besser sein müssen, wenn wir gegen einige der besten Teams der Liga bestehen wollen."
Noch fehlt das Tempo
Einer der größten Kritikpunkte bleibt das Fastbreak-Spiel der Clippers. Im Gegensatz zur vergangenen Saison will das nämlich aktuell nicht richtig funktionieren. Weniger als 14 Punkte erzielt Los Angeles derzeit pro Spiel im Tempogegenzug und rangiert damit im unteren Drittel der NBA-Rangliste. Gegen die Heat waren es am Ende sogar nur 6.
Das reichte zwar zum Sieg, für den weiteren Verlauf der Saison muss man hier aber nachlegen. "Wir brauchen ein ausgeglichenes Spiel", erklärt Rivers. "Wenn wir in dieser Liga etwas erreichen wollen, dann brauchen wir das Halfcourt-Spiel genauso wie die schnellen Punkte aus der Transition. Anders kann man keine Titel gewinnen."
Wie gut das funktioniert, und ob die Siege gegen Orlando und Miami tatsächlich der Start eines größeren Aufwärtstrends sind, wird sich erst in den kommenden Spielen zeigen. Rivers bringt es auf den Punkt: "Noch ist es für jegliche Prognosen zu früh."