Von der Karriereleiter gefallen

Marc-Oliver Robbers
16. November 201421:57
Danilo Gallinari ist auf dem Weg zurück zu alter Stärkegetty
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Danilo Gallinari galt als kommender All-Star und Leader der Denver Nuggets, ehe ihn ein Kreuzbandriss stoppte. Nach eineinhalb Jahren Pause kämpft er sich nun zurück. Die Partie gegen sein Ex-Team New York Knicks bietet die beste Gelegenheit für ein erstes Ausrufezeichen.

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"With the 6th Pick in the 2008 NBA Draft the New York Knicks select Danilo Gallinari", verkündete der damalige Commissioner David Stern von der Bühne des Madison Square Garden. Es war perfekt. Head Coach Mike D'Antoni bekam seinen Wunschspieler, den Sohn seines Kumpels Vittorio, mit dem er jahrelang das Zimmer bei Olimpia Milano teilte und Titel um Titel im europäischen Basketball einfuhr. Die verwöhnten Knicks-Fans sahen es freilich anders und buhten, als Stern Gallinaris Name vorlas, so laut, dass dieser die Herkunft des Italieners nicht mehr kundtun konnte.

Die ohnehin riesigen Erwartungen im Big Apple stiegen vor dem Draft noch ein Stufe höher. Die Knicks legten unter Head Coach Isiah Thomas eine katastrophale Saison 2007/08 hin, hatten nun jedoch mit D'Antoni den Erfolgscoach der Phoenix Suns auf der Bank und dazu den höchsten Draft-Pick seit 1986. Da sollte es mehr sein als ein unbekannter Italiener. Nichts anderes als ein Franchise Player war gewünscht. Der Verdacht der Vetternwirtschaft im WaMu Theatre trug seinen Teil dazu bei.

Neustart mit altem Bekannten

Dem Forward war es egal, er strahlte trotzdem, schließlich hätte er sich keinen leichteren Start in die NBA vorstellen können. In der Obhut des väterlichen Freundes lässt sich das Abenteuer in der besten Liga der Welt einfach leichter angehen. "Es ist ein Traum für mich und ich weiß wirklich nicht, was ich sagen soll. Ich bin so begeistert und glücklich hier zu sein", sprudelte es aus Gallo heraus. Gallinari war sich sicher, dass sein europäischer Stil bestens zur Uptempo-Spielweise des Coaches passen würde.

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Immerhin entwickelte sich der Forward in den Jahre zuvor beim italienischen Topklub Milano, unbeachtet vom kritischen New Yorker Publikum, prächtig. Geboren in der lombardischen Provinz startete er als 16-Jähriger seine Karriere beim Drittligisten Assigeco Casalpusterlengo.

Armani Jeans Milano erkannte und förderte das Talent. Peu a peu erkämpfte sich Gallo mehr Spielzeit und damit auch mehr Aufmerksamkeit. Nur zwei Jahre später hatte er sich zum besten Spieler der Serie A aufgeschwungen. Trotz seiner Größe bewahrte er sich ein gutes Händchen, Schnelligkeit und seine Dribbling-Fähigkeiten.

14,9 Punkte, 4,2 Rebounds und 1,7 Assists legte der Forward durchschnittlich in der Euroleague auf, ehe er sich zum NBA Draft anmeldete. Den Rising Star Award gab es als Abschiedsgeschenk obendrauf. Der Grundstein war gelegt, die Fertigstellung verzögerte sich allerdings. Eine Rückenverletzung im ersten NBA-Spiel zwang den Italiener zu einer mehrmonatigen Pause und einer unbefriedigten Rookie-Saison.

Tauschmasse für Melo

Umso mehr hatte sich der Forward für sein zweites Jahr vorgenommen. Die Saison war gerade mal drei Spiele alt, da hatte sich Gallo bereits einen Starting Spot erkämpft. Zwar verloren die Knicks nach Overtime gegen Philadelphia, die 30 Punkte und 8 Dreier des Italieners ließen jedoch aufhorchen. Dass es ihm aber nicht darum geht, eine ordentliche Statline hinzulegen, lieferte er gleich mit: "Zu scoren bedeutet nichts, wenn man verliert. Ich kümmere mich nicht darum, wie viele Punkte ich mache. Ich möchte einfach mit dem Team gewinnen."

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Es war sein Breakout-Jahr. Gallinari entwickelte sich zu einer respektablen Scoring-Option im Knicks-Angriff. Coach D'Antoni adelte ihn sogar als "besten Shooter, den er je gesehen habe. "Er ist ein Typ, der weiß, wie man trotz seiner Größe spielt, er verteidigt stark und wirft extrem gut mit einer unglaublichen Reichweite."

Wieviel so ein Lob in der NBA letztlich wert ist, musste Gallinari rund ein halbes Jahr später erfahren. Die Möglichkeit Carmelo Anthony via Trade zu akquirieren, zwang New York, den mittlerweile lieb gewonnenen Italiener nach Denver zu schicken. "So ist das Geschäft", hört man dann immer wieder nach solchen Blockbuster-Trades.

Leader in Denver

Gallo sah es als Chance. Der Trade erwies sich als Glücksfall. Gleich im ersten Jahr erreichten die Nuggets die Playoffs. Der mittlerweile 22-Jährige fügte sich perfekt in die offensive Spielweise von Trainerlegende George Karl ein.

Gallinari war noch keine Woche in der Mile High City, da erntete er gleich ein Sonderlob vom Coach. "Ich habe ihm gesagt, dass er mich ein bisschen an Detlef erinnert. Wenn der Ball in seiner Hand ist, fühlt er sich wohl. Das ist bei den meisten Jungs seiner Größe nicht der Fall. Detlef war ein Spieler, der immer den Ball wollte. Wie werden sehen, wie wir ihn nicht nur als Scorer, sondern auch als Playmaker weiterentwickeln. Es ist auf jeden Fall aufregend", sagte Karl und meinte mit Detlef natürlich seinen langjährigen Schützling Detlef Schrempf.

Detlef Schrempf: Ein Mann wie ein Haarschnitt

Nach Saisonende statteten die Nuggets Gallo mit einem Vierjahresvertrag über 42 Millionen Dollar aus. Er wurde zum Kopf des Teams, das sich zu einer aufregenden, jungen Truppe entwickelte, die jedem Gegner mit ihrem Tempo gefährlich werden konnte. Gallinari spielte stark (16,2 Punkte, 5,2 Rebounds und 2,5 Assists) und machte sich selbst Hoffnungen auf eine All-Star-Nominierung 2013.

"Ich habe sehr gut gespielt. Ich dachte damals, dass ich nominiert werden sollte, weil wir eins der besten Teams in der Liga waren und irgendwer aus unserem Team dabei sein sollte, um unsere großartige Franchise zu repräsentieren. Entweder ich oder Ty Lawson hätten dabei sein sollen", sagte er später.

Eine schicksalhafte Entscheidung

Die Nominierung blieb aus und nur rund acht Wochen später folgte die Verletzung, die gleich mehrere Sprossen aus seiner Karriereleiter riss. Im Spiel gegen die Dallas Mavericks riss bei einem harmlosen Drive zum Korb das linke Kreuzband.

Eine schwere Verletzung, aber für einen Spitzensportler kein unüberwindbares Hindernis - rund sechs Monate später ist das Knie in der Regel soweit verheilt, dass ein Comeback möglich ist. Das dachte sich auch Gallinari. Die Frage war nur, ob er es bis zum Saisonstart 2012-13 schaffen würde, oder ob er noch ein paar Spiele länger draußen sitzen müsste.

Er begab sich in die Obhut des Kniespezialisten Richard Steadman, einer Koryphäe auf seinem Gebiet. Doch der Eingriff verlief nicht, wie erhofft. Gallinari musste ein zweites Mal unters Messer. Die Schwere der Verletzung wurde beim ersten Mal nicht erkannt.

Die Comebacks der Stars: Bissige Mamba, rostiger Gallo

"Einen Monat nach meiner OP sagte Steadman, dass er nicht mehr praktizieren würde. Ich habe eine falsche Entscheidung getroffen, aber ich bin davon ausgegangen, mich in die Hände eines der besten Ärzte begeben zu haben und die Klinik ist nur eine Stunde entfernt. Aber jetzt sehe ich ja auch, was mit Giuseppe Rossi, Russell Westbrook, Lindsey Vonn und vielleicht anderen, die nicht so bekannt sind, passiert ist", blickt Gallinari nicht ohne Zorn zurück.

Er verpasste eine weitere Saison und konnte erst im Vorlauf der aktuellen Spielzeit wieder voll ins Training einsteigen. In diesen eineinhalb Jahren ist eine Menge in Denver passiert. George Karl musste seinen Posten als amtierender Coach des Jahres räumen, unter Nachfolger Brian Shaw verpassten die Nuggets die letztjährigen Playoffs und nach und nach gesellte sich ein wichtiger Spieler nach dem anderen zu Gallinari ins Lazarett.

Der lange Weg zurück

Jetzt gibt es den Neuanfang für die Franchise - und für Gallinari. Der Weg ist lang, der Start zäh. "Physisch fühle ich mich gut. Ich habe keine Schmerzen mehr und bin nicht ängstlich. Ich bin bereit", sagte er nach der ersten Partie, die mit holprig wohlwollend umschrieben ist.

Der Wurf fällt noch nicht wieder, der Rost sitzt noch an den Knochen. Und auch beim Team läuft es noch nicht. Zuletzt schenkten die Blazers Denver 130 Punkte ein - und das im heimischen Pepsi Center. Der Saisonstart ist mit einem Sieg bei sechs Niederlagen kräftig in die Hose gegangen und die Geduld der Fans schon jetzt am Ende.

"Es ist nicht leicht für sie, uns so spielen zu sehen. Ich kann sie verstehen. Hoffentlich können wir diese Buhs im nächsten Spiel in Applaus drehen", sagte Gallo nach der Partie. Bis zum Applaus wird er noch warten müssen, auf Denver warten drei Auswärtspartien. Am Sonntag geht es dabei gegen die Knicks im Madison Square Garden. Die Rückkehr an die alte Wirkungsstätte. Wenigstens da kennt er die Buhs schon. Ein erster Schritt zurück zu alter Stärke wäre es, diese wieder einmal verstummen zu lassen.

Danilo Gallinari im Steckbrief