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Nach 18 Siegen aus den letzten 20 Spielen haben sich die Hawks an die Spitze des Ostens gesetzt. Die Rolle eines Contenders traut ihnen dennoch kaum einer wirklich zu.
Doch wie kann ein Team, das nach knapp der Hälfte der Saison an der Spitze der Eastern Conference steht, derart weit unter dem Radar fliegen? Ganz einfach. Keine vollmundigen Interviews oder Ankündigungen, keine Attitüden, keine Forderungen nach einer größeren Rolle - und ein unspektakuläres Spielsystem. Die Hawks arbeiten und arbeiten - einzig mit dem Ziel, besser zu werden. Und sie spielen richtig guten Basketball.
Als ehemaliger Assistenz-Coach von Gregg Popovich hat Mike Budenholzer die erfolgreiche Spurs-Philosophie 18 Jahre lang geatmet und nun mit nach Atlanta gebracht. Seit dem Sommer 2013 lautet das Zauberwort bei den Hawks "Teamplay".
Vorbei die Zeiten des Hero-Balls, die eng mit den Namen Joe Johnson und Josh Smith verbunden waren. Unter Budenholzer wird in Atlanta uneigennützig gespielt - und das beeindruckend effizient.
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Mit 25,3 Assists pro Spiel liegt Atlanta ligaweit auf Rang drei. Noch besser sehen die Zahlen aus, wenn man sich das Verhältnis von Vorlagen und erfolgreichen Würfen anschaut: Zwei von drei Körben geht ein Assist voraus - häufiger als bei jedem anderen Team.
Selbstlosigkeit ist der Kern des Konzepts. Mit vielen Pässen kreieren die Hawks reichlich offene Würfe und durch das Vertrauen, das die Spieler untereinander entwickelt haben, ist jeder in der Lage, den Angriff abzuschließen. Mit knapp 47 Prozent Trefferquote liegt Atlanta ligaweit auf Rang 6.
Aber es sind nicht irgendwelche Würfe, die in der Offense entstehen - Budenholzer ist bei jedem Spielzug auf der Suche nach dem idealen Abschluss. Atlanta nimmt die viertwenigsten Midrange-Jumper aller Teams, dafür die drittmeisten Dreier aus der Ecke.
Die Spurs des Ostens
Der Vergleich mit den San Antonio Spurs - in einem frühen Stadium, wohlgemerkt - drängt sich da geradezu auf: Atlanta ist talentiert, hungrig und mit einer überzeugenden Idee ausgestattet. Aber ein großer Unterschied besteht dann doch: Es gibt keinen Spieler vom Kaliber eines Tim Duncan oder Tony Parker.
Es ist nicht völlig unrealistisch, dass aus dem momentan besten Team des Ostens kein einziger Akteur - weder Jeff Teague noch Paul Millsap oder Al Horford - zum All-Star gewählt wird. Aber braucht es den wirklich? Die Hawks beweisen der Liga derzeit das Gegenteil.
Was aber definitiv hilft, ist ein Shooter wie Kyle Korver. Der Dreierspezialist verwandelt in dieser Saison unmenschliche 51 Prozent seiner Würfe von Downtown und schafft dadurch Platz für seine Mitspieler in der Zone.
Das Team ist der Star
So abgedroschen diese Phrase auch klingen mag, in Atlanta ist das Team der Star. Als einzige Franchise mit Ausnahme von Houston kommen alle fünf Starter auf eine durchschnittliche Punkteausbeute im zweistelligen Bereich.
Im Gegensatz zu den Rockets liegen zwischen dem besten und dem fünfbesten Scorer der Starting Five allerdings nicht 16,6, sondern lediglich 5,8 Punkte Differenz. Gibt es einen besseren Beweis für die Stärke des Kollektivs?
Das Geheimnis hinter dem Erfolg ist laut Dennis Schröder die Geschlossenheit: "Jeder bringt sich ein", sagte der Braunschweiger im Interview mit "Grantland". "Wir haben exzellente Passgeber und es ist uns egal, wer die Punkte macht."
Schröder-Entwicklung macht Mut
Der Backup-Point-Guard hat sich in seinem zweiten Jahr erheblich gesteigert und führt das Scoring der Bank an. Auch der Coach ist mit Schröders Entwicklung sehr zufrieden: "Es ist großartig für so einen jungen Spieler wie ihn", so Budenholzer. "Er ist sehr selbstbewusst und hatte schon einige wichtige Plays für uns. Auch defensiv macht er einen guten Job."
Mit Pero Antic und Mike Scott hat Coach Bud zudem zwei offensiv ausgerichtete Big Men in der Rotation, die kein Problem haben, zu punkten. Braucht das Team ein wenig mehr Schnelligkeit, dann schickt er Shelvin Mack aufs Parkett.
Schwachstelle Bench-Scoring
Dennoch ist die Bank einer der wenigen Aspekte des Teams, der (noch) nicht auf Top-Niveau ist. Im Bench-Scoring liegen die Hawks im unteren Drittel der Liga. Dass Lou Williams seit dem Trade nach Toronto wieder an seine alte Sixth-Man-Form anknüpft, dürfte die Verantwortlichen in Atlanta nicht gerade begeistern.
Ans Ende des Rankings muss man ebenfalls schauen, wenn man die Inside-Verteidigung und die Rebounding-Zahlen der Hawks begutachten möchte. Am meisten schmerzen dabei die 15 Second-Chance-Points, die Atlanta seinen Gegnern pro Spiel erlaubt.
Defense ohne Fouls
Ausgleichen müssen die Hawks dieses Defizit durch ihre gute Team-Defense. Atlanta kommt pro Spiel auf die sechsthöchste Zahl an Steals (8,8) und lässt pro Partie nur 97,6 Punkte zu - gleichbedeutend mit NBA-Rang 5. Zudem begeht das Team von Mike Budenholzer trotz intensiver Defense die zweitwenigsten Fouls der Liga.
Das funktioniert nur mit Einsatz, Leidenschaft und Aufopferung - Worte, die in Atlanta großgeschrieben werden. "Wir haben Jungs im Team, die garantierte Verträge über das Jahr hinaus haben und sich trotzdem den Arsch aufreißen", so Veteran Elton Brand. "Sie wollen einen Beitrag für das Team leisten und dabei helfen, dass wir als Mannschaft besser werden."
Hervorragende Teamchemie
Nicht zu unterschätzen sind die abendlichen Aktivitäten, die bei den Hawks zur Gewohnheit geworden sind. Budenholzer unterstützt Off-Court-Aktionen wie gemeinschaftliche Abendessen, wo er nur kann - ebenfalls ein Grund für die hervorragende Teamchemie und ein Teil der Philosophie.
Aber es geht nicht nur um die richtigen Vorgaben eines Coaches. Viele sind bereits daran gescheitert, dass sie nicht die richtigen Akteure für ihren Spielstil zur Verfügung hatten oder das Team nicht zusammenstellen konnten, wie sie es gerne gehabt hätten.
In Atlanta ist das anders. Die Hawks haben das richtige Personal, um die Vorstellungen von Mike Bodenholzer umzusetzen - auch, wenn kein Überflieger im Roster zu finden ist. Selbst Lehrmeister Popovich ist vom Konzept in Georgia überzeugt: "Mike hat eine fantastische Truppe beisammen, die einfach passt", so Pop gegenüber "San Antonio Express-News". "Es geht nicht darum, das talentierteste Team der Welt zu haben. Natürlich braucht man ein gewisses Maß an Talent, aber die Puzzleteile müssen vor allem zusammenpassen."
Erfolg hat sich abgezeichnet
Und in Atlanta scheinen sie tatsächlich zu passen. So machten die Hawks bereits im ersten Jahr unter Coach Bud einen Schritt nach vorn, mussten aber mehrere Monate auf Al Horford verzichten, der sich einen Brustmuskel gerissen hatte. Im Nachhinein hat dies den Hawks allerdings ebenso wenig geschadet wie das knappe Erstrunden-Aus in den Playoffs gegen Indiana.
Es hat den Spielern Zeit gegeben, das System von Budenholzer umzusetzen, ihre jeweilige Rolle zu finden. Auch nach der Rückkehr von Horford, der inzwischen seinen Rhythmus wiedergefunden hat, kennt jeder seinen Platz und niemand stellt ihn infrage.
Bleibt Atlanta auf Kurs?
Dass die Hawks auch am 15. April an der Spitze der Eastern Conference stehen, ist dennoch nicht unbedingt das wahrscheinlichste Szenario. Die Saison ist noch lang und über fehlende Konkurrenz kann sich Atlanta nicht beklagen. Chicago, Cleveland, aber auch Toronto und Washington werden noch ein Wörtchen mitzureden haben, wenn es um den Top-Seed geht.
Wenngleich das Niveau in der Western Conference insgesamt höher ist, an Spannung fehlt es dem Osten nicht. Hinzu kommt, dass es Atlanta mit jedem Gegner aufnehmen kann - auch aus dem Westen.
Gegen Teams mit positiver Bilanz konnte Atlanta zwei Drittel aller Spiele gewinnen - Ligabestwert. Und die Formkurve ist derzeit auf einem Höhenflug: Seit dem 15. Dezember schlugen die Hawks Chicago, Houston, Dallas, Portland sowie je zweimal die Clippers und die Cavaliers. Noch Fragen?
Trotz allem, trotz der drittbesten Bilanz der Liga (26-8), richtig ernst genommen werden die Hawks immer noch nicht. Respektiert? Ja - und dennoch weitgehend ignoriert, wenn über die Contender des Ostens gesprochen wird. Es wird Zeit, dass sich das ändert.