Ben McLemore kam als gehypter Star vom College zu den Sacramento Kings, konnte in seiner ersten Saison aber überhaupt nicht überzeugen. Trotz angeblich widriger Umstände schickt sich der Swingman nun jedoch an, zu einem festen Bestandteil der Franchise zu werden.
Es ist das letzte Spiel einer Saison, in der wieder einmal nichts passt in Sacramento. Die Bilanz ist schwach und die Playoffs werden auch diesmal einen großen Bogen um die kalifornische Hauptstadt machen. Ein Spiel also noch und es ist geschafft. Die Suns aus Phoenix sind zu Gast in der Sleep Train Arena und es scheint, als liefere ein Rookie das spielerische Gegenstück zum vielleicht wundersamsten Namen einer Sportstätte.
Nun, da es um nichts mehr geht, explodiert Ben McLemore regelrecht: 31 Punkte, 5 Rebounds und 5 Assists stehen am Ende auf dem Statistikbogen. Eine Coming-Out Party am letzten Spieltag der Saison? Eher nicht: Denn in Sac-Town scheint man schon nach einer Saison mit dem Top-Pick abgeschlossen zu haben.
Zu pomadig sind die Leistungen von McLemore, zu lustlos seine Auftritte in der Defense. Doch dieses eine Spiel lässt erahnen, weshalb man den 1,96 Meter großen und 88 Kilo schweren McLemore an siebter Stelle gewählt hat. Ja, es lässt sich sogar erkennen, weshalb ihn Experten wie Chad Ford und Jonathan Givony in ihren Mock-Drafts an Position eins oder zwei gelistet hatten.
Mangel an Selbstbewusstsein
McLemore beeindruckt beispielsweise mit einem geschmeidigen Wurf, von dem sich nicht Wenige an Shooting-Legende Ray Allen erinnert fühlen. Und auch sonst ähnelt sein Spiel stark dem des jungen Jesus Shuttlesworth. "Ich orientiere mich schon sehr an ihm", erklärte McLemore sogar vor dem ersten Aufeinandertreffen der Beiden.
Anlagen und Athletik sind also da. Und natürlich gab es während McLemore's Rookie-Saison auch einige gute Spiele. Im Großen und Ganzen aber war die Spielzeit eine Enttäuschung. 8,8 Punkte im Schnitt sind für einen Lottery-Pick eben nicht gut genug. In einem eher schlechten Draft-Jahrgang gab es für McLemore dann auch nicht mal eine Einladung zur Rising-Stars Challenge, einem erklärten Ziel des 22-Jährigen.
Für McLemore schien alles viel zu schnell zu gehen. Sein Selbstvertrauen gilt als eine seiner größten Schwächen: "Danny Manning war auch ein bisschen so", sagt Larry Brown, der während McLemore's College-Saison in Kansas acht Wochen mit dem Team verbracht hat. "Er wusste nicht, wie gut er ist. Man musste es ihm ständig sagen. Bei Ben ist das ähnlich."
Die Trainerlegende attestiert McLemore außerdem, dass er "absolut leicht zu trainieren" sei, ihm fehle lediglich die körperliche und mentale Härte, um im Profigeschäft zu überleben. Am College war von Mangel an Durchsetzungsvermögen oder gar Angst bei McLemore jedoch nichts sehen.
Als Freshman herausragend
Bereits während seiner ersten Saison in Kansas war leicht zu erahnen, wo die Reise für ihn hingehen würde. Als erster Freshman in der Geschichte der Jayhawks erzielte McLemore in zwei aufeinanderfolgenden Spielen mehr als 30 Punkte. Mit seinen Auftritten überraschte er nicht nur Fans, sondern auch Experten und Coaches.
Mehr noch: McLemore zauberte die beste Freshman-Saison aufs Parkett, die die stolze Uni je gesehen hatte - und ließ dabei sogar einen staunenden Bill Self zurück. "Er macht Sachen, die ich nicht coachen kann", erklärte der Coach, wenngleich ihm bewusst war, dass McLemore nach dieser überragenden Saison nicht noch ein Jahr das blau-gelbe Jersey überstreifen würde: "Wenn er mein Sohn wäre, würde ich ihm empfehlen, jetzt den Sprung zu den Profis zu wagen", gab deshalb auch Self zu.
Keine Wahl
Und dennoch fiel McLemore die Entscheidung, der Uni den Rücken zu kehren, nicht leicht. Klar, das Geld der großen Liga rief, doch während seiner Zeit am College ist McLemore auf- und abseits des Hardwoods gereift. Als er seine Entscheidung, die Uni zu verlassen, unter Tränen verkündete, sagte er: "Ich werde mich an diesen Ort für den Rest meines Lebens erinnern und meine Mitspieler, Coaches und Fans vermissen."
Derartige Sätze waren mehr als leere Worthülsen, McLemores Freude am College-Leben war offensichtlich. "Er liebt es, aufzustehen und zum Unterricht zu gehen. Er liebt den Zusammenhalt unter den Studenten. Er liebt es, Autogramme zu geben. Ich habe selten einen Jungen gesehen, der das College-Leben so sehr liebt", sagte Brown, war sich gleichzeitig jedoch ebenfalls McLemores Situation bewusst: "Wenn wir Ben fragen würden, bin ich mir sicher, dass er gern die vollen vier Jahre hier bleiben würde. Aber das kann er einfach nicht."
Bens Vorbild zu 15 Jahren Haft verurteilt
Denn McLemore kommt aus mehr als einfachen Verhältnissen. Seine alleinerziehende Mutter musste sich teilweise zwischen Strom und warmem Wasser oder etwas Essbarem entscheiden. Ben und seine Mutter sowie vier weitere Geschwister lebten in Wellston, St. Louis, auf 55 Quadratmetern. Oft waren noch weitere Familienmitglieder im Haus.
Platz war ein Problem, aber viel schlimmer war die Essensproblematik: "Es ist hart, Basketball zu spielen, wenn du nichts gegessen hast", erinnert sich McLemore. "Es ist hart, einfach durchgehend Hunger zu haben." Sein jüngerer Bruder Kevin und er taten alles, um etwas Essbares auf den Tisch zu bringen. Sie mähten den Rasen von Nachbarn, wuschen Autos und brachten den Müll weg. Sie taten einfach alles, um sich ein paar Dollars dazu zu verdienen.
Bens älterer Bruder Keith Scott ging sogar über die Grenzen des Legalen hinaus, um für seine Familie zu sorgen. Nach einem bewaffneten Überfall und Schüssen auf ein Auto, wurde Bens Vorbild und Vaterfigur zu 15 Jahren Haft verurteilt. Ben nutzt noch heute jede Gelegenheit, um Keith zu besuchen und dankte seinem Bruder auch direkt nach dem Draft im Fernsehinterview.
Steigerung statt Abstellgleis
Für McLemore gab es also keine andere Option, als auf sein Talent und seinen Charakter zu vertrauen und es bei den Profis zu versuchen. Mit dem siebten Pick des 2013er Drafts wählten die Sacramento Kings dann auch tatsächlich den Highflyer aus und setzten viele Hoffnungen in ihren Rookie. Es folgte die angesprochene, überschaubare Premierensaison. Als die Kings im letztjährigen Draft mit Nik Stauskas auch noch einen Spieler wählten, der auf McLermores Position spielt, dachten nicht Wenige, dass die Zeit des Swingman in der Hauptstadt Kaliforniens bereits abgelaufen sei.
Für ihn war die letzte Partie seiner Rookie-Saison jedoch tatsächlich die Initialzündung und der Grundstein für eine mögliche große Karriere. Nach einem Sommer voller harter Arbeit und einem holprigem Beginn in die aktuelle Saison, konnte sich McLemore in nahezu jeder Statistik steigern. Der Swingman steht länger auf dem Feld als noch während seiner Rookie-Saison (33,1 Minuten gegenüber 26,7 Minuten), hat seine Quoten deutlich gesteigert (45,2 Prozent FG gegenüber 37,6 Prozent; 35,4 Prozent 3FG gegenüber 32 Prozent). Auch das Player Efficiency Rating zeigt in die richtige Richtung (von 7,77 auf 9,7).
Herausragend sind die Werte immer noch nicht, die Steigerungen nicht eklatant. Eine positive Entwicklung ist ist dennoch erkennbar. Auch deshalb wird der Sophemore in diesem Jahr höchstwahrscheinlich Teil der Rising-Stars Challenge sein und die USA beim Spiel gegen die Internationals vertreten. Ben McLemore ist also angekommen in der NBA - mit einem Jahr Verspätung.