Nach nur sieben Spielen kann man sich in Dallas ein ziemlich gutes Bild von Rajon Rondo machen. Der Point Guard ist schon jetzt ein Schlüsselspieler und hilft vor allem defensiv - trotz der bekannten Schwächen. Seine Rückkehr nach Boston am Freitag stellte jedoch mal wieder eins unter Beweis: Wenn viel auf dem Spiel steht, kann er immer noch einen Gang zulegen.
"Scheiße, Dirk, sieh' Dir das an", war Rajon Rondos erste Reaktion. Als er am Freitag vor dem Spiel die Besucherkabine im TD Garden verließ, um sich auf den Weg Richtung Spielertunnel zu machen, wartete eine riesige Medienmeute auf den Rückkehrer. "Das sieht aggressiv aus", kommentierte Nowitzki.
Etwas anderes wird Rondo allerdings kaum erwartet haben. Es ist immer noch kaum zwei Wochen her, dass der langjährige Celtic nach Dallas getradet wurde. Anhand seiner bevorstehenden Rückkehr wurde er bereits in den letzten Tagen von gefühlt allen Medienvertretern in New England interviewt.
Alle Augen waren auf diesen Spieler gerichtet, der die Celtics über Jahre gleichermaßen verzauberte und frustrierte, dessen Abschied unlängst das endgültige Ende der Big-Three-Ära in Boston markiert hatte. Der Zeit seiner Karriere ein schwieriger Typ war, von den Fans aber trotzdem - oder vielleicht gerade deshalb - verehrt wurde.
"Er lebt für solche Momente"
Insbesondere diejenigen, die ihn über all diese Jahre verfolgt haben, werden von den darauf folgenden 48 Minuten nicht überrascht gewesen sein. Es war nicht das erste Mal, dass Rondo dann aufdrehte, wenn die Aufmerksamkeit am größten war.
Alle Spiele live! Hol Dir jetzt den LEAGUE PASS
"Der Junge ist unglaublich. Er lebt für solche Momente", kommentierte Tyson Chandler wissend. Seit Jahren ist bekannt, dass Rondo seine besten Spiele hat, wenn diese landesweit übertragen werden. Freitagnacht bildete da keine Ausnahme.
Rondo machte die ersten 10 Punkte der Partie, traf seine ersten sieben Würfe aus dem Feld - und stellte mit fünf Dreiern ein neues Career High auf. Insgesamt lieferte er 29 Punkte und dominierte die Partie nach Belieben. Es war wie eine Ansage an die alten Fans, die Kritiker und den Rest der Liga, eine Erinnerung daran, was er immer noch drauf hat.
"Keine Defense mehr gespielt"
Wie passend, dass sein bisher bestes Spiel im neuen Trikot in der alten Heimat erfolgte. Mit einer Einsatzbereitschaft, die man von ihm in Boston seit längerem nicht mehr gesehen hatte. Das gab Rondo vor dem Spiel sogar unumwunden zu: "Ich habe seit ein paar Jahren keine Defense mehr gespielt."
Er machte keinen Hehl daraus, dass er kein großes Interesse am Rebuild hatte, dass er den Rest seiner "Prime" nicht bei einem Verliererteam verbringen wollte. Das kam vielleicht egoistisch rüber, seine Aussagen waren aber in erster Linie ehrlich. Er ist keiner für die kleine Bühne.
Die Celtics strahlten nach dem ersten Viertel ein Video aus, das Rondo ehren und für seine Zeit in Boston danken sollte. Als die Highlights seiner ersten achteinhalb Jahre in der NBA noch einmal gezeigt wurden, hatte Rondo mit Tränen zu kämpfen. Es war eine stilvolle Verabschiedung, die auch Mavs-Besitzer Mark Cuban via "Twitter" lobte.
Folge NBA.de bei Twitter - wie Dirk Nowitzki!
"Es war ein besonderer Tag heute. Ich bin emotional und physisch absolut ausgepowert. Das war heute alles andere als einfach für mich", gab Rondo danach zu. Er verließ die Halle komplett fertig, aber auch mit einer Gewissheit: Jetzt kann das neue Kapitel in Dallas für Rondo endgültig beginnen.
Erste Eindrücke vielversprechend
In Dallas lernen sie den 28-Jährigen, der seit Jahren als eine Art Enigma gilt, gerade erst kennen. Ihm eilt der Ruf voraus, schwer trainierbar zu sein und nur nach seiner eigenen Pfeife zu tanzen. Rick Carlisles erste Eindrücke sind indes anders: "Im Gegenteil zu dem, was die Leute über ihn sagen, ist er sehr wissbegierig. Er saugt wie ein Schwamm alles auf und will alles über das Spiel wissen."
Die Resultate auf dem Court können sich bisher ebenfalls sehen lassen. Von sieben Spielen wurden fünf gewonnen, zuletzt vier davon in Folge. Die Offensive ist wie erwartet ein klein wenig schwächer geworden, wenngleich Rondo fast doppelt so viel punktet (15,3) wie zuvor in Boston (8,3). Das Offensiv-Rating ist von 113,6 auf 106,3 runtergegangen, was allerdings hauptsächlich daran liegt, dass Rondo die anderen Spieler noch nicht kennt.
Den größten Effekt hatten sich die Mavs aber ohnehin in der Defense erhofft - und die ersten Eindrücke sind vielversprechend. Wenn Rondo auf dem Court steht, produzieren die Mavs ein herausragendes Defensiv-Rating von 95,4. Insgesamt lassen sie seit seiner Ankunft pro 100 Ballbesitze fast 5 Punkte weniger zu als davor.
Herausforderung Westbrook
Natürlich ist das bisher noch eine sehr kleine Stichprobe, allerdings merkt man beim bloßen Zuschauen schon einen signifikanten Unterschied, ob da ein Jameer Nelson oder ein Rondo die Eins verteidigt.
Zumal Letzterer wieder mit dem nötigen Elan zu Werke geht, wie es am besten beim Sieg gegen OKC am vergangenen Sonntag zu sehen war, bei dem er Russell Westbrook teilweise übers ganze Feld verteidigte und den All-Star bei einer miserablen Quote (5/23 FG) hielt sowie 5 Turnover forcierte.
"In Dallas wird von mir erwartet, dass ich verteidige. Außerdem kann man im Westen jede Nacht blamiert werden, wenn man nicht alles gibt", erklärte Rondo. "Ich sehe das als Herausforderung an."
"Extrem wichtig für Rajon"
Diese Worte sollten bei den Mavs gut ankommen, denn ein herausgeforderter Rondo ist ein guter Rondo. Und an Herausforderungen mangelt es im Westen auf der Eins wahrlich nicht. Chris Paul, Damian Lillard, Stephen Curry, Westbrook, Tony Parker, Mike Conley, Eric Bledsoe... die Liste geht weiter und weiter.
Erschwerend hinzu kommt, dass Rondo im Gegensatz zur Konkurrenz um einen neuen Vertrag spielt. "Die zweite Hälfte der Saison ist extrem wichtig für Rajon", erklärte Celtics-GM Danny Ainge gegenüber "ESPN". "Dallas bekommt einen Spieler, der beweisen will, dass er einen Maximalvertrag verdient."
Ob er dies tatsächlich tut, daran scheiden sich die Geister. Nicht zuletzt Ainge scheint anderer Meinung zu sein, sonst würde Rondo ja vermutlich noch in Grün auflaufen. Wenn er den Mavs allerdings seinen Stempel aufdrückt und in den nächsten Monaten gegen die Einser-Elite bestehen kann, wird er sein Standing in dieser Hinsicht sicherlich verbessern.
Für die Ambitionen der Mavericks ist das keine schlechte Aussicht.