In jeder Saison gibt es sie wieder. Entwicklungen, die vorher nicht vorauszusehen waren. Spieler, die die an sie gestellten Erwartungen so weit übertreffen, dass es fast schon absurd erscheint. Aussagen, für die man ausgelacht worden wäre, hätte man sie vor der Saison getroffen.
Es gibt sowohl positive als auch negative Beispiele. In dieser Saison etwa kamen die Entwicklungen von Rudy Gobert oder Dennis Schröder vielleicht nicht aus dem Nichts, waren in dieser Form aber auch nur von den wenigsten erwartet worden. Gleichzeitig hätte sich vor zwei Jahren wohl keiner zu sagen getraut, wie sehr die Pistons die Verpflichtung von Josh Smith bereuen würden.
Timofey Mozgov in Cleveland wiederum ist ein Beispiel, bei dem die Realität die Erwartung weit übertroffen hat. Wer vor der Saison gesagt hätte, dass Mozgov ein zentraler Teil eines Meisterfavoriten sein würde, wäre bestenfalls belächelt worden. Tatsächlich ist er heute aber genau das.
Dringender Bedarf in Cleveland
Als Mozgov am 7. Januar per Trade aus Denver nach Cleveland geholt wurde, sah alles nach einem Paniktrade aus. Cleveland bezahlte mit zwei Firstround-Picks einen hohen Preis für einen Spieler, der in seinen ersten vier Saisons 6 Punkte und 4,4 Rebounds pro Spiel aufgelegt hatte.
Folge NBA.de bei Twitter - wie Dirk Nowitzki!
Gleichzeitig war klar, dass die Cavs Hilfe brauchten. Die Bilanz stand damals bei 19-17, die Defense lag mit 108,8 erlaubten Punkten pro 100 Possessions Ballbesitz deutlich über dem Ligadurchschnitt von 105 und war nach dem Saisonaus des einzigen echten Centers Anderson Varejao noch poröser geworden.
Nur traute eben niemand Mozgov zu, diese Lücke zu stopfen. Kein Wunder, war der Russe in NBA-Kreisen doch eher für Blake Griffins Posterdunk über ihn bekannt als für die eigenen Skills. "Wenn Mozgov die Lösung sein soll, will ich das Problem nicht kennen", ätzte "ESPN"-Experte Bill Simmons damals.
Die Resultate sprechen für sich
Knapp vier Monate später lacht niemand mehr. Der Einfluss von Mozgov auf die Cavs lässt sich mit Zahlen klar belegen, wenn man über die "traditionelle" Produktion von 10,6 Punkten und 7 Rebounds pro Spiel hinausgeht. Oder über die Bilanz, die seit Mozgovs Ankunft herausragend ist (30-10).
Steht Mozgov auf dem Court, liegen die Cavs bei einem grundsoliden Defensiv-Rating von 100,3, ohne ihn sind es 104,7. Auch bei der Kernkompetenz eines Defensiv-Centers, der Rim Protection, ist sein Einfluss deutlich: Sitzt er auf der Bank, erfolgen 30,8 Prozent der gegnerischen Abschlüsse am Korb, bei einer Quote von 65,2 Prozent. Wenn Mozgov in der Zone wartet, sind es dagegen 58,5 Prozent - das Liga-Mittel beträgt laut Basketball-Reference 62,6.
Alle Spiele live! Hol Dir jetzt den reduzierten LEAGUE PASS
Auch offensiv steht er seinen Mann und legt individuell sogar ein herausragendes Rating von 120 auf. Sein True Shooting beträgt bei den Cavaliers herausragende 63,4 Prozent - das wäre über die Saison gesehen ein Top-10-Wert. Und der Schlüssel dafür ist offensichtlich.
LeBron: "Ein riesiger Unterschied"
Mozgov hat seine Rolle bei den Cavs gefunden und macht nichts, was er nichts kann. Er beschränkt sich offensiv aufs Blöcke stellen, Alley-Oops und Putbacks - dank seinem soliden Touch sowie seiner Kraft und Länge (2,16 m) ist er ein guter Finisher. Bei einem Team mit Spielern wie LeBron James und Kyrie Irving sind das genau die Kompetenzen, die ein Big Man haben muss, solange er gut verteidigt.
"Er ist so wichtig für unser Team, weil er im Pick'n'Roll den Guard übernehmen und den Ring beschützen kann", sagte James kürzlich, "und am anderen Ende des Courts ist er gefährlich genug, dass sein Gegenspieler ihn respektieren muss und ihm nicht zu viel Platz lassen darf. Seine Länge macht defensiv einen riesigen Unterschied."
Auch Coach David Blatt ist voll des Lobes über seinen Center: "Er war einer der Hauptfaktoren für unseren Turnaround in dieser Saison. Er passt perfekt rein in die Gruppe - er versteht, was wir von ihm wollen, und was die anderen Jungs von ihm erwarten."
Blatt selbst ist sicher nicht unschuldig daran, dass Mozgov bei den Cavs so gut funktioniert, schließlich trainierte er ihn bereits bei der russischen Nationalmannschaft. Allerdings gab der Coach selbst zu, dass sich Mozgov seither enorm verbessert habe, und lobte den kürzlich entlassenen Nuggets-Coach Brian Shaw für seine Entwicklung.
"Mozgov hat LeBron neue Energie verliehen"
Bei allem positiven Einfluss ist Mozgov natürlich nicht allein für den Turnaround der Cavs verantwortlich - bei weitem nicht. Allerdings scheint der Russe einen Einfluss auf den Aufwärtstrend gehabt zu haben, der über die bloßen Leistungen auf dem Feld noch weit hinausgeht, wenn man Brian Windhorst von ESPN Glauben schenken darf.
"Mozgov hat LeBron neue Energie verliehen", verriet der Mann, über den James einst sagte, er kenne ihn besser als "jeder außer meiner Mutter", kürzlich beim BS Report. "LeBron hatte zu dieser Zeit einen Tiefpunkt erreicht und war enorm enttäuscht von den Cavs." Der Mozgov-Trade passierte während den zwei Wochen, die LeBron sich Anfang des Jahres frei nahm.
Laut Windhorst war es die schiere Länge des Russen, die den King wieder an die Titelchance seines Teams glauben ließ. Ob man diese Story glauben will oder nicht: Fakt ist, dass LeBron wie die Cavs insgesamt seit Mozgovs Ankunft um ein vielfaches besser spielen als vorher. Und im Gegensatz zu Kevin Love darf der Russe auch mit den anderen für LeBrons Instagram-Fotos posieren.
Den Erwartungen entsprochen
Im Prinzip ist es auch egal, welchen Anteil Mozgovs Spiel und welchen Anteil seine bloße Ankunft, kombiniert mit denen von J.R. Smith und Iman Shumpert, am Umschwung in Ohio hat. Die Cavs sind am Rollen und LeBron ist wieder ein MVP-Kandidat.
Spätestens seit dem leichten Einbruch der Hawks sehen die Cavaliers wieder wie der haushohe Favorit im Osten aus, die gängigen Wettanbieter in den USA sehen sie sogar deutlich vor den Warriors als Top-Favorit auf die Championship an. Sie entsprechen vor den Playoffs damit genau den Erwartungen, die man vor der Saison an sie gestellt hatte.
Das kann man von Timofey Mozgov nicht behaupten.