Knapp drei Minuten waren noch zu spielen. Mike Budenholzer beorderte Jeff Teague zum Anschreibetisch. Der Point Guard hatte im letzten Viertel erst 5:33 Minuten gespielt, nun sollte er jedoch zurückkehren. Dann geschah jedoch etwas Ungewöhnliches.
Teagues Backup Dennis Schröder traf mit 2:55 Minuten auf der Uhr einen Jumper zum 76:73 für die Hawks. Die Punkte 9 und 10 eines 14:0-Runs, den die Hawks mit Schröder auf der Eins hingelegt hatten. Da entschied sich Teague - der All-Star, der noch in Spiel 4 die Entscheidung für Atlanta herbeigeführt hatte -, zur eigenen Bank zurückzukehren und sich wieder hinzusetzen.
"Als Dennis den Wurf getroffen hat, habe ich zum Coach gesagt, 'Lass Dennis das einfach machen'", erklärte Teague nach der Partie. Budenholzer nickte, ließ Schröder bis zum Schluss auf dem Court und legte das Schicksal der Hawks sogar beim letzten Play in die Hände seines 21-jährigen Aufbaus.
Schwierigkeiten bei Teague
Die Entscheidung von Teague ist auf verschiedene Arten zu deuten. Zum einen spricht sie für den großartigen Teamgeist der Hawks, der bei allen Schwierigkeiten in der Postseason offensichtlich weiterhin intakt ist. Egos gibt es beim One-Seed der Eastern Conference keine.
Die anderen Deutungsweisen sind indes weniger positiv. Teague spielte schwach, auch wenn er ein paar wichtige Würfe traf (14 Punkte). Er allein leistete sich 7 Turnover und trug entscheidend zu den Problemen der Hawks-Offense bei, die insgesamt 25 Ballverluste fabrizierte.
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Die Defense von Rückkehrer John Wall machte ihm trotz dessen fünffachem Handbruch große Probleme. Nimmt man seine starke Leistung aus Spiel 4 einmal aus, tut sich Teague in dieser Serie enorm schwer: In den anderen vier Spielen traf er kombiniert 18 von 54 Würfen und verlor 13 Mal den Ball.
Schröder: Höchstes Net-Rating
Steht Teague in dieser Serie auf dem Court, weisen die Hawks pro Spiel ein negatives Net-Rating von -4,2 auf. Demgegenüber nennt sein Backup Schröder - dem ebenfalls längst nicht alles gelingt - mit +10,5 den besten Wert aller Rotationsspieler Atlantas sein Eigen.
Dass Teague den jungen Deutschen in der Crunchtime des vielleicht vorentscheidenden Spiels der Serie für eine bessere Option hielt als sich selbst, spricht Bände über sein Selbstvertrauen. Auch seine Körpersprache strahlt derzeit selten den unbedingten Siegeswillen aus, weshalb es auch nicht verwunderte, dass Budenholzer seine Entscheidung ohne große Überlegung akzeptierte.
Das Selbstvertrauen ist bei Schröder nämlich bekanntlich kein Problem. Im Gegenteil. "Ich würde es die nächsten 100 Male genauso machen", sagte er, als er nach der Partie auf seinen potenziell spielentscheidenden Layup angesprochen wurde, obwohl Wall ihn geblockt hatte.
Playmaker und Verteidiger
Schröder sieht seine Rolle in der Wizards-Serie beständig wachsen. In Spiel 1 stand er im letzten Viertel bloß 2:41 Minuten auf dem Court, in den letzten drei Spielen waren es nun durchschnittlich 10:53 Minuten. Obwohl sein Wurf nicht besonders effizient fällt, ist er momentan vor allem als Playmaker und als Verteidiger enorm wertvoll.
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Überragende 50,9 Prozent der Field Goals seiner Teammates bereitet Schröder vor, wenn er auf dem Court steht - seine Turnoverrate ist für einen Spieler mit seiner hohen Usage Rate (28,3) mit 7,8 ebenfalls sehr gut. Vor allem mit Horford harmoniert er großartig im Pick'n'Pop, wie Spiel 5 erneut eindrucksvoll zeigte.
"Es ist sehr gefährlich, wenn ich das Two-Man-Game mit Al spiele", erklärte Schröder, "der Big Man muss entscheiden, ob er bei mir bleibt oder Al verteidigt, weil er sowohl aus der Midrange abschließen oder zum Korb gehen kann. Das ist klasse, weil sich dadurch viele Optionen für uns ergeben."
Horford als Stabilisator
Spiel 5 zeigte mal wieder eindrucksvoll, wie wichtig Horford für sein Team ist - als Verteidiger im Teamverbund, als Scorer und Passer, und - vielleicht am wichtigsten - als Stabilisator. "Er ist immer ruhig, und trotzdem ein intensiver Typ. Er gibt uns diese beruhigende Präsenz, auf und neben dem Court", lobte Kyle Korver.
Am Mittwoch zeigte Horford mal wieder sein komplettes Paket und war mit 23 Punkten, 11 Rebounds und 5 Blocks der mit Abstand beste Mann seines Teams. So war es auch verwunderlich, dass beim letzten Spielzug nicht er den Ball bekam.
Soeben hatte Paul Pierce den potenziell spielentscheidenden Dreier getroffen und angesichts der Aussicht, Spiel 6 in Washington auszutragen, mit der üblichen Bescheidenheit "Series!" in Richtung der Hawks-Bank gerufen. Atlanta stand mit dem Rücken zur Wand - und Bud rief Schröders Nummer auf. Mehr noch: Er wählte nicht Horford, sondern Paul Millsap als Blocksteller für Schröder aus.
"Dennis das Vertrauen ausgesprochen"
"Ich hatte mit dem Play eigentlich nichts zu tun", bestätigte Horford, der abseits des Balles einen Block für Korver stellte. "Wir haben Dennis das Vertrauen ausgesprochen." Was dann jedoch passierte, stand gewissermaßen symbolisch für die gesamte Partie der Hawks.
Schröder wurde von Wall geblockt, der Ball landete in den Händen von Nene. Game over? Nicht mit Horford! Der Big Man kam von der Weakside angesprungen, riss dem Brasilianer den Ball förmlich aus der Hand und beförderte ihn noch irgendwie in den Korb.
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"Dennis hatte einen starken Drive, und ich bin einfach zum Ball gerannt, als er in der Luft war. Das war einfach nur ein Hustle-Play. Irgendwie habe ich den Ball bekommen", beschrieb Horford seine Sicht der spielentscheidenden Szene.
Kein starkes Spiel der Hawks
"Irgendwie" ist dabei das entscheidende Wort. Atlanta zeigte keine gute Partie. Wie so oft in dieser Serie wollte der Wurf nicht fallen, vor allem Korver war wieder kein Faktor. Es war dem Hustle, der Defense und nicht zuletzt einem Einbruch der Wizards im Schlussviertel zu verdanken, dass die Hawks diese Serie nun mit 3-2 anführen. Es war mehr ein Sieg des Willens als der spielerischen Klasse.
Eine gehörige Portion Glück war natürlich auch dabei. Gerade für Schröder und Budenholzer, die durch Horfords bedingungslosen Einsatz vor einer gehörigen Portion Kritik bewahrt wurden. Danach fragt bald aber keiner mehr.
Für Schröder war es sicher nicht die letzte Gelegenheit, einen großen Wurf zu treffen. Und den Hawks fehlt nur noch ein Sieg auf die Conference Finals.