Gewisse Situationen bedürfen nicht vieler Worte. Wenn du im Wissen, gerade einen der begehrtesten Free Agents des Sommers verpflichtet zu haben, in die Woche gehst und wenige Tage später vor dem kompletten Neubeginn stehst, zum Beispiel. Wenn du wie die Mavs im virtuellen Ranking plötzlich ins Bodenlose gefallen bist.
Alle Entscheidungen der Free Agency im Überblick
Noch am Freitag hatte es der Champ von 2011 endlich geschafft, einen vertragslosen Hochkaräter nach Texas zu locken. DeAndre Jordan hatte versprochen, in den kommenden vier Jahren in Dallas zu spielen. Vielleicht wären es dank Player Option am Ende nur drei geworden. Kommen wollte Jordan aber ganz sicher.
Irgendwie aber auch nicht. Am Montag soll er Doc Rivers, seinen zu diesem Zeitpunkt eigentlich Ex-Coach, angerufen und ihm mitgeteilt haben, dass er Zweifel hege. Zweifel an seiner Entscheidung, die Clippers zu verlassen. Natürlich setzte man in L.A. daraufhin alles in Bewegung - Chris Paul verließ sogar Dwyane Wade, LeBron James und ihr Bananenboot - und versuchte, DJ endgültig umzustimmen. So es denn überhaupt noch notwendig war. Am Ende verbrachte man am Mittwoch bei Video-, Kartenspielen und leckerem Essen von Mama Jordan gemeinsam einen launigen Abend. Der Center unterschrieb wieder bei "seinen" Clippers.
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Und die Mavs? Die Mavs werden bereits seit Dienstag geahnt haben, dass etwas nicht stimmt. Jordan war plötzlich nicht mehr zu erreichen. Auch nicht, als Gerüchte die Runde machten, er könne sich noch einmal umentscheiden. Dallas war machtlos. Sogar die magischen Kräfte des Chandler Parsons verfehlten mangels persönlichen Kontakts diesmal ihre Wirkung.
Plötzlich ohne Center
Und nun, ganz plötzlich, stehen die Mavs ohne Center da. Aus einem Team, das sich soeben bestens für die kommenden Jahre gerüstet hatte, wurde binnen weniger Stunden eines, dessen Zukunft nun unsicherer erscheint denn je.
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Nun ließe sich argumentieren, die Mavs hätten sich auch einen Plan B oder gar C zurechtlegen sollen. Aber weshalb? Plan A hatte ja funktioniert. Nachdem Dallas zuvor trotz angeblich bester Chancen immer wieder Absage um Absage von Top-Free-Agents erhalten hatte, hatte es endlich geklappt. Um die richtigen Voraussetzungen zu schaffen, wurde Tyson Chandler zuvor an die Suns abgeben.
Der eine ist also weg, der andere kommt nicht. Und da die Free Agency in diesem Jahr so rasant ablief wie selten zuvor, sind Alternativen mittlerweile rar gesät. Nun stehen die Mavs angeblich in Kontakt mit Amar'e Stoudemire, der bereits vergangenes Jahr in Dallas spielte. Eine andere Möglichkeit wäre JaVale McGee, der nach Jordans Zusage an Dallas auch bei den Clippers gehandelt wurde. Auch Interesse an Kevin Seraphin wird den Mavs nachgesagt.
Eines haben sie jedoch alle gemein: Von einer Optimallösung sind sie in etwa so weit entfernt wie DeAndre Jordan vom Dreierwettbewerb, selbst zu einer guten fehlt ein gewaltiges Stück. Stoudemire ist ohnehin kein klassischer Center. Stünde er gemeinsam mit Dirk Nowitzki auf dem Feld, wäre die so gern bemühte Rim-Protection im Grunde nicht existent. McGee ist verletzungsanfällig, kratzte in der Vergangenheit maximal an seinem Potential und gilt nicht gerade als Arbeitstier.
Trostpreis Hibbert?
Dass die Mavs zudem wenig Trademasse zur Verfügung haben, verkompliziert die Situation zusätzlich. Auch, wenn die Pacers Gerüchten zufolge Kontakt aufgenommen haben, um die Möglichkeiten eines Trades für Roy Hibbert auszuloten - es scheint unwahrscheinlich, dass der Center in Dallas landet. Einerseits werfen die vergangenen eineinhalb Jahre Fragen auf, andererseits hat man sich mit den Lakers angeblich bereits auf einen Trade geeinigt.
Der andere Name, der derzeit häufig genannt wird, ist Josh Smith. Aber wer auch immer sich kommende Saison in Dallas' Zone versuchen darf, er wird eine absolute Notlösung sein. Deshalb ist es auch nicht völlig auszuschließen, dass sich die Mavs nun in jene Richtung orientieren werden, die Mark Cuban nach der vemeintlichen Verpflichtung von Jordan bereits angekündigt hatte.
Tanking als Notfallplan?
"Wir wollten Wes (Matthews, Anm. d. Red.) und natürlich DeAndre", sagte der Besitzer am Samstag gegenüber KTCK-AM 1310. "Hätte es nicht geklappt, hätten wir nicht versucht, einfach das Roster aufzufüllen. Wir haben darüber gesprochen, dass es, wenn wir nicht einen richtig guten Free Agent bekommen, an der Zeit wäre, einen Schritt zurückzugehen."
Was Cuban damit nicht explizit, aber doch relativ deutlich sagen will: Hätte es in diesem Jahr nicht mit hochkarätigen Free Agents geklappt, hätten die Mavs womöglich den Sixers-Way-of-Life eingeschlagen. Sie hätten auf einen möglichst guten Draft-Pick geschielt. Sie hätten getankt.
Nun hat sich Matthews zwar für Dallas entschieden, dies auch nach Jordans Absage noch mal bekräftigt - auch von Telefongesprächen mit den Blazers ist nichts bekannt -, angesichts des Lochs in der Zone könnte Dallas aber dennoch gezwungen sein, sich in Richtung Lottery zu orientieren. Derzeit fehlt dem Team einfach zu viel. Und Besserung ist einfach nicht in Sicht. Zudem ist die Western Conference als Ganzes nicht gerade schlechter geworden, eine Teilnahme an den Playoffs - Stand jetzt - damit geradezu utopisch.
Natürlich besteht die Chance, dass Rick Carlisle aus dem vorhandenen Material eine Offense zaubert, die den einen oder anderen Gegner zu überraschen weiß. Natürlich besitzen die Mavs weiter den einen oder anderen mit Potential. Andererseits gab es in der Vergangenheit bereits diverse Teams, die overperformten, am Ende aber dennoch knapp an den Playoffs scheiterten - womit man beim nächsten Problem wäre.
Das Pick-Dilemma
Denn selbst bei einem Verpassen der Postseason ist es keinesfalls gesichert, dass sich Dallas beim kommenden Draft nach Lust und Laune im Talentepool bedienen darf. Schuld ist der Rondo-Trade. Als sich die Mavs im Dezember den Point Guard ertauschten, versprachen sie den Boston Celtics unter anderem nämlich ihren Erstrundenpick für 2016. Solang er nicht in die Top-7 fällt.
Während sich Danny Ainge trotz sicherlich empfundenen Mitgefühls also zumindest ein kurzes Grinsen nicht verkneifen kann, müssten die Mavs damit schon richtig schlecht sein, wollen sie ihren Pick doch noch behalten. Vielleicht stellt man deshalb tatsächlich Überlegungen an, Chandler Parsons (Knie-OP) und Wes Matthews (Achillessehnenriss) ihre schweren Verletzungen in aller Ruhe - und vielleicht noch ein wenig länger - auskurieren zu lassen.
Nowitzki? "Bitter!"
Andererseits muten derartige Überlegungen irgendwie falsch an. Erstens, da sich die Mavs unter Cuban immer wieder weigerten, den Weg der Niederlage zu gehen. Und zweitens wäre da immer noch Dirk Nowitzki. Denn für den ist die ganze Posse wohl am bittersten. Schließlich wollte er die letzten Jahre seiner Karriere bestenfalls um den Titel, mindestens aber regelmäßig in den Playoffs spielen.
Nun wären die Mavs auch mit Jordan wohl kein Titelkandidat gewesen, die Chance zu einem überraschenden Playoff-Run hätte allerdings bestanden. Zudem wäre Nowitzki womöglich Teil eines der besten Mavs-Teams seit dem Titel 2011 gewesen. Er hätte einen defensiv fähigen Center an seiner Seite gehabt. Es wäre keine perfekte Situation gewesen, aber eine sehr gute.
Nun trübt die Aussicht auf einen schmerzhaften Aufenthalt in den Untiefen der Western Conference die Aussicht auf Nowitzkis letzte Jahre. Das hat er nicht verdient. "Bitter", mehr war ihm nach Erfahren der Nachricht laut Bild-Reporter Matthias Marburg nicht zu entlocken.
Und "bitter" beschreibt die Situation äußerst treffend. Bitter, dass die Mavs so vorgeführt wurden. Bitter, dass es wieder nicht gereicht hat. Bitter, dass Nowitzki auf Geld verzichtete, um den Mavs größtmöglichen Spielraum bei der Verpflichtung neuer Free Agents zu gewähren. Bitter, dass dieser Spielraum nun deutlich an Wert verloren hat.
Kaum Attraktivität, auch kein Lin
Denn abgesehen davon, dass kaum noch ein Free Agent zu haben ist, der Dallas einen Sprung erlauben würde, sind die Mavericks nun einfach nicht mehr sonderlich attraktiv. Hinter Parsons und vor allem Matthews stehen Fragezeichen. Nowitzkis Anziehungskraft sinkt mit steigendem Alter. Es fehlt derzeit einfach am Anreiz.
Gut möglich, dass sich Jeremy Lin auch deshalb für die Charlotte Hornets entschied, obwohl es bereits hieß, dass ein Deal mit den Mavs unmittelbar bevorstünde. Ebenfalls bitter. Schließlich war man in Dallas auch auf der Suche nach einem neuen Starting Point Guard. Eine Traumlösung war Lin zwar sicherlich nicht, dafür eine solide.
Nun muss eine andere gefunden werden. Sobald der Schreck verdaut ist, werden sich Cuban, Carlisle und vielleicht auch Nowitzki zusammensetzen, die nächsten Schritte beraten. Für den Moment muss man sich aber erstmal sammeln. So ist das nun mal, wenn man unvermittelt sitzen gelassen wurde, noch bevor die Beziehung überhaupt begonnen hat.