Querulant, Hitzkopf und hartnäckiger Kämpfer: John Starks war einer der besten Shooting Guards der 90er Jahre und spielte sich mit seinem verbissenen Basketball in die Herzen der Knicks-Fans. 'Sparkplug' wanderte ständig auf einem schmalen Grad zwischen Genie und Wahnsinn. Als furioser Sidekick von Patrick Ewing stand der aufmüpfige Junge aus Oklahoma nicht nur in den Finals, sondern schrieb mit einem einzigen Play NBA-Geschichte.
Wohl jeder Spieler in der NBA kann von einem Jungen erzählen, der besser war als alle anderen in der Nachbarschaft. Der größer war, stärker und mehr Talent besaß. Der alles mitbrachte, um der neue Magic, der neue Jordan oder der neue LeBron zu werden.
Fast alle diese Legendenerzählungen von staubigen Freiplätzen und miefenden Turnhallen ersticken irgendwann in Verletzungen, fehlendem Eifer, manchmal sogar in Schlimmerem. Abseits dieser Erinnerungen, im bunten Chaos der zahlreichen US-Basketballcourts, verliebte sich ein kleiner Junge aus Tulsa, Oklahoma in das orangefarbene Leder.
Sein bloßes Talent hätte es niemals zugelassen, dass über ihn irgendwann eine Geschichte erzählt werden sollte. Vielmehr wartete er bis zum letzten Schuljahr auf einen Einsatz im Basketball-Team seiner High School, da er seinem Coach lange Zeit als zu schmächtig erschien. Zudem gab es immer wieder Ärger mit Lehrern und Mitschülern.
Als John Starks das letzte Mal durch die Tür seiner Schule trat, hatte er kein Stipendium einer angesehenen Hochschule in seinem Ranzen. Er blickte auf eine schwierige Schulzeit zurück. Überhaupt hatte es das Leben bisher nicht wirklich gut mit ihm gemeint. Seine gesamte Kindheit war geprägt von Armut, Kriminalität und Gewalt.
gettyJohn Starks: Basketball und Cannabis
Zusammen mit seinen sechs Geschwistern, seiner Mutter, die einen aggressiven Lebensgefährten nach dem anderen an ihre Seite nahm, und seiner Großmutter, verbrachte der energiegeladene John eine trostlose Jugend. Neben dem regelmäßigen Cannabis-Konsum waren der Basketball und die täglichen Duelle mit seinem großen Bruder die einzigen zwei Dinge, die den Kindern indianischer Abstammung ein wenig Ablenkung schenkten.
Dabei war der ältere Monty nicht zimperlich mit dem Familien-Nachwuchs und impfte John schon in jungen Jahren auf dem Court eine verbissene Kämpfermentalität ein: "Mein Bruder hat mir regelmäßig den Hintern aufgerissen. Da flogen Ellenbogen und es ging sehr körperlich zu. Irgendwann habe ich gelernt, mich zu wehren."
So beschwerlich die täglichen Kämpfe um den Spalding waren, so beschwerlich war später auch der Weg durch die kleinen Colleges, die Starks nach der Schule besuchen musste. Aus Gründen fehlender Disziplin wurde er immer wieder vor die Tür gesetzt oder suspendiert. Mal wurde er beim Kiffen erwischt, ein anderes Mal wollte er mit Freunden einem Studienkollegen die Musikanlage klauen. Zwischenzeitlich saß er sogar für fünf Tage im Gefängnis, weil er an einem Überfall beteiligt war.
Am Tiefpunkt angekommen, fiel der damals 21-Jährige dem ehemalige Universitäts-Coach Ken Trickey bei einem Freizeitturnier ins Auge. Trickey baute zu dieser Zeit ein Basketball-Programm am Oklahoma Junior College auf. Starks gefiel dem rüstigen Übungsleiter, da er mit seiner verbissenen Art Basketball zu spielen perfekt in das angedachte Run-and-Gun-System von Trickey passte. Der Shooting Guard erhielt aus dem Nichts seine dritte Chance am College.
John Starks: Die Elite klopft an
Dieses Mal wollte Starks alles anders machen. In einem vertrauensvollen Umfeld nutzte er seine gebotene Chance und spielte groß auf. Die Nachrichten über seine Leistungen - besonders in der Defensive - verbreiteten sich durch die ganze Stadt, bis auf den Schreibtisch von Coach Leonard Hamilton, der das Team der renommierten OSU betreute.
Das Wunder nahm seinen Lauf: Starks überzeugte beim Probetraining, bekam ein vollwertiges Stipendium und durfte in seinem letzten College-Jahr das Trikot der Oklahoma State Cowboys überziehen. Nur verhinderte sein vorheriger Flug unter dem Radar, dass seine guten Auftritte auch in der NBA nachhaltigen Eindruck hinterlassen hatten.
Beim Draft wollte kein Team den kleinen Ehrgeizling ziehen. Jedoch führten die guten Kontakte seines Ex-Coaches Starks in die Bay Area zu Don Nelson. Hier konnte sich der inzwischen 23-Jährige in Trainingscamp beweisen und bekam einen Ein-Jahres-Vertrag bei den Golden State Warriors. Nur ein Jahr darauf folgte der Cut. Besonders die aufbrausende Art von Starks war Coach Nelson ein Dorn im Auge - wie so vielen anderen vor ihm.
Also musste sich der Shooting Guard durch die Niederungen der alternativen Basketball-Ligen quälen. Doch Starks schien unter den schwierigen Bedingungen der Minor Leagues weiter zu wachsen und ergatterte schließlich eine Einladung zum Probetraining bei den New York Knicks.
John Starks: Glück im Unglück wegen Patrick Ewing
Wieder sollte ihm seine furchtlose Spielweise eine Hilfe sein. Vor dem letzten Training stand John kurz vor dem Aus und wollte es noch einmal allen zeigen. Bei einem Dunking-Versuch probierte der furchtlose Starks doch tatsächlich, über Knicks-Star Patrick Ewing stopfen. Der Center stellte sich mit allen Mitteln gegen die Majestätsbeleidigung und riss den kleinen Guard konsequent zu Boden. Es war Glück im Unglück.
Starks verdrehte sich bei dem Sturz das Knie - und blieb deshalb bei den Knicks. Das NBA-Reglement erlaubte es nicht, einen verletzten Spieler aus dem Team zu werfen. Also kämpfte sich der hitzige Youngster durch die Reha, direkt auf die Bank im Madison Square Garden. Am 7. Dezember 1990 schlug dann die große Stunde von John Starks.
Ganze zehn Minuten stand der Junge aus Oklahoma auf dem Feld, erzielte 4 Punkte bei 50 Prozent aus dem Feld. Doch viel beeindruckender war seine Arbeit am hinteren Ende des Feldes. Kein Geringerer als Michael Jordan und seine Chicago Bulls waren an diesem Abend in New York zu Gast und der giftige Starks stahl His Airness gleich in einer seiner ersten Szenen den Ball. Ein erstes Ausrufezeichen, das dem Guard Aufwind gab.
Mit mehr Selbstbewusstsein brachte Starks in den nächsten zwei Spielen 20 Punkte aufs Scoreboard. In der übrigen Saison arbeite er weiter an seinem Spiel, eignete sich einen verlässlichen Jumper an und machte gerade durch seine motivierte Verteidigungsarbeit von sich reden.
John Starks: Fanliebling bei Rileys Knicks
Dadurch gewann Starks viele Fans im Garden und immer mehr Minuten, bis er in der Saison 1992/93 unter Pat Riley als Starter in Orange and Blue auflief. Seine Begeisterung kannte keine Grenzen: "Ich fühlte mich wie im Traum, im Mekka des Basketballs zu spielen und ein wichtiger Teil eines so großen Teams zu sein."
Riley etablierte bei den Knicks einen extrem physischen Basketball, dessen Kern in einer aufopferungsvollen Verteidigung lag und Starks brachte genau die richtigen Werkzeuge mit. Die Nominierung zum Dunk Contest war für den kleinen Guard eine besondere Ehre. Der berühmte Knicks-Fan Spike Lee erklärte später: "Er war einer von uns, der es von ganz unten auf die große Bühne geschafft hatte. Er spielte mit absoluter Härte, war dazu ein wenig verrückt - für die Fans war er der Underdog mit dem sich jeder identifizieren konnte."
Doch sein Eifer brachte 'Sparkplug' (Zündkerze), wie er wegen seines energiegeladenen und hitzigen Spielstils getauft wurde, auch häufig in Schwierigkeiten. Ob Gegenspieler, Schiedsrichter oder sogar eigene Teamkameraden - Starks stand auf dem Court unter Dauerstrom und suchte vehement die Konfrontation. Er handelte sich regelmäßig Ärger ein, kassierte Technische Fouls oder wurde direkt in die Kabine geschickt.
Bälle wurden weggetreten, Fans wurden beleidigt, Gegenspieler bis ans Äußerste provoziert. Nicht nur einmal wurde das kleine Pulverfass von Team-Captain Ewing vor laufender Kamera zusammengefaltet - auch nach einem unnötigen Kopfstoß gegen Dauerrivale Reggie Miller. Ewing erzählte später: "Seine Mutter rief mich an und erklärte mir, dass ich ihren Sohn gefälligst nicht mehr anfassen soll. Doch ich sagte ihr: 'Frau Starks, wenn Ihr Sohn auf dem Feld noch einmal eine Kopfnuss verteilt, dann hau' ich bei ihm alle Lichter aus."
John Starks: The Dunk über Michael Jordan
So schlecht Starks' Ruf in der NBA war, in New York steigerten die Aussetzer seine Popularität nur weiter, bis er sich im Jahr 1993 ein Denkmal setzte. Es war Playoff-Time im Garden und die Bulls gastierten in Spiel zwei der Eastern Conference Finals. Bei noch 50 Sekunden auf der Uhr führte New York mit 3 Punkten und Starks trieb den Ball in die Hälfte der Bulls.
Zu diesem Zeitpunkt war der Lärm in der Arena bereits nicht mehr in Dezibel zu messen. Der Sieg schien zum Greifen nah und jeder erwartete ein Anspiel auf Star-Center Ewing im Post. Doch Starks dachte gar nicht daran. Er positionierte sich mit dem Rücken zum Korb auf der rechten Seite der Dreierlinie und wartete auf den Screen von Ewing, der schließlich einen Pick für ihn stellte.
Trotzdem überlief Starks Gegenspieler B.J. Armstrong über die Außenseite und zog an der Baseline entlang Richtung Korb. Dort warteten Horace Grant und Michael Jordan auf den 1,96-Meter 'kleinen' Guard, der sich mit aller Kraft vom Boden abdrückte. Starks stieg in die Höhe und drückte den beiden Bullen einen krachenden Linkshänder-Dunk ins Gesicht, der Grant sogar die Brille vom Gesicht schleuderte. Die Zuschauer sprangen von den Sitzen und der ehrwürdige MSG verwandelte sich in ein Tollhaus.
John Starks: Die Finals rufen
"Ich war schon so oft im Garden, aber ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemals einen so unglaublichen Jubelsturm gehört habe", erklärte Knicks-Legende Walt Frazier später. Während Starks aus dem Abklatschen gar nicht mehr heraus kam, stand bereits die Headline für den morgigen Tag: "The Dunk" war geboren.
Zwar war Chicago am Ende zu stark, doch die große Jagd der Knicks auf eine Championship war eröffnet. Während das Team jährlich seinen Contender-Status verteidigte, wurde Starks 1994 ins All-Star-Team gewählt. Im selben Jahr rauschte New York durch die Playoffs und stand nach 18 furiosen Spielen in den ersten Finals seit 1973.
Auf dem anderen Ende des Courts wartete das Team der Houston Rockets um Wunder-Center Hakeem Olajuwon. Trotz des imposanten Defensiv-Ankers waren Ewing, Starks und Co. beim Stand von 3:2 für die Knicks nur noch einen Sieg vom Titeltraum entfernt, lagen im sechsten Spiel aber früh in Rückstand.
Starks lieferte mit 27 Punkten und 3 von 4 Treffern von der Dreierlinie eine beeindruckende Leistung und führte New York zu einer fulminanten Aufholjagd. Im letzten Spielzug unternahm der kleine Guard einen finalen Versuch. Ein kurzer Sprint ins linke Eck, Stop, Pop - und weggeblockt. Hakeem 'The Dream' erreicht den Spalding mit seinen Krakenarmen und entschied Spiel sechs für Houston.
John Starks: Seine Statistiken in der NBA
Saison | Team | Spiele | Minuten | Punkte | FG% | 3P% | Assists |
88/89 | Warriors | 36 | 8,8 | 4,1 | 40,8 | 38,5 | 0,8 |
90/91 | Knicks | 61 | 19,2 | 7,6 | 43,9 | 29,0 | 3,3 |
91/92 | Knicks | 82 | 25,8 | 13,9 | 44,9 | 34,8 | 3,4 |
92/93 | Knicks | 80 | 31,0 | 17,5 | 42,8 | 32,1 | 5,1 |
93/94 | Knicks | 59 | 34,9 | 19,0 | 42,0 | 33,5 | 5,9 |
94/95 | Knicks | 80 | 34,1 | 15,3 | 39,5 | 35,5 | 5,1 |
95/96 | Knicks | 81 | 30,8 | 12,6 | 44,3 | 36,1 | 3,9 |
96/97 | Knicks | 77 | 26,5 | 13,8 | 43,1 | 36,9 | 2,8 |
97/98 | Knicks | 82 | 26,7 | 12,9 | 39,3 | 32,7 | 2,7 |
98/99 | Warriors | 50 | 33,7 | 13,8 | 37,0 | 29,0 | 4,7 |
99/00 | Warriors/Bulls | 37 | 32,2 | 13,9 | 37,5 | 34,5 | 4,9 |
00/01 | Jazz | 75 | 28,5 | 9,3 | 39,8 | 30,0 | 2,4 |
01/02 | Jazz | 66 | 14,1 | 4,4 | 36,8 | 35,2 | 1,1 |
John Starks: Ein Spiel 7 zum Vergessen
In Texas wurde es richtig bitter. Starks erlebte den schwärzesten Tag seiner Karriere, warf 2 von 18 aus dem Feld (0/10 im letzten Viertel), während sein Team mit sechs Punkten Unterschied verlor und den Traum vom Titel begraben musste. Starks' Auftritt ging als eine der schlechtesten Playoff-Leistungen in die Geschichte ein.
In den nächsten Jahren scheiterten die Knicks immer wieder knapp vor dem Ziel und nach einigen Wechseln an der Seitenlinie und im Kader war Starks in New York inzwischen zum Bankspieler degradiert worden. Doch auch in dieser Funktion wusste er zu überzeugen und wurde 1997 zum Sixth Man of the Year gewählt.
Er perfektionierte die Rolle als Shooter und als erstem Spieler der Geschichte gelang ihm eine Saison mit 200 erfolgreichen Dreiern. Den Franchise-Rekord der Knicks hält er mit 982 Treffern von Downtown auch heute noch.
Der finale Erfolg war dem inzwischen 34-Jährigen allerdings nicht mehr vergönnt. Nach kurzen Engagements bei Golden State, den Bulls und den Utah Jazz endete die abenteuerliche Reise von John Starks im Jahr 2002.
Angesprochen auf seine irre Achterbahnfahrt hinauf bis in die Finals der NBA erklärte er nach seinem Rücktritt mit Stolz: "Ich habe gar nicht mitbekommen, welchen Einfluss mein täglicher Kampf mit der Welt auf andere Menschen hatte. Ich bekomme immer noch Nachrichten von Leuten, die sich bei mir bedanken, weil sie ich ihnen die Hoffnung schenkte, dass jeder etwas Großes leisten kann. Es ist ein großartiges Gefühl, wenn man solche Gedanken in Menschen auslösen kann."