SPOX: Mr. Shaw, beginnen wir mit einem Kompliment: Shaquille O'Neal bezeichnete Sie einst als den Mitspieler, den er während seiner Karriere am meisten respektierte. Können Sie das erklären?
Brian Shaw: Das hat er doch nur gesagt, weil ich ihm ständig den Ball gepasst habe. (lacht) Im Ernst: Ich glaube, dass es bei ihm gut ankam, dass ich als Mitspieler auch ihm gegenüber mal deutlich wurde. Das waren nicht viele, weil er so eine dominante, überlebensgroße Figur war. Aber ich hatte nie Angst vor ihm und wenn mich etwas störte, sagte ich ihm das auf die gleiche Art und Weise wie jedem anderen. Ich redete mit ihm genauso wie mit Mark Madsen, das machte für mich keinen Unterschied. Ich hatte Zeit meiner Karriere häufig die Rolle des "Erwachsenen", der streitende Parteien wieder zusammenführte. Ich denke, das hat er anerkannt.
SPOX: Streitereien gab es während Shaqs Karriere ja einige - an die Situation bei den Lakers erinnert sich ja noch jeder, Sie spielten aber auch schon in Orlando mit ihm zusammen und erreichten 1995 die Finals. Warum blieb es bei dieser einen Finals-Teilnahme für die Magic?
Legenden-Serie Shaquille O'Neal: Ein gewaltiger Kindskopf
Shaw: Wenn Sie mir das direkt im Sommer '95 gesagt hätten, ich hätte es wohl auch nicht geglaubt. Gleich in meinem ersten Jahr in Orlando erreichten wir die Finals. Dort verloren wir zwar gegen die Rockets, aber da wir ein sehr junges Team waren, gingen wir eigentlich von mehreren weiteren Runs dieser Art aus. Wir dachten, wir würden einfach nur immer besser werden. Doch dann ging alles ganz schnell: In der Saison nach unserer Finals-Teilnahme war Michael Jordan wieder komplett fit und in Basketball-Form, in den Conference Finals waren die Bulls einfach zu stark für uns. Und dann ist Shaq ja auch schon weiter gezogen. Damals habe ich realisiert, wie schnell es gehen kann und dass die NBA in erster Linie eben immer noch ein Geschäft ist. Es gibt keine Garantien, deswegen zählt jede Chance in der Liga doppelt.
SPOX: Das klingt ein wenig sauer?
Shaw: Nein, soweit würde ich nicht gehen. Es war nur sehr schade damals, ich denke auch, dass Shaq es heute anders machen würde. Er wollte damals eigentlich nicht wirklich weg, konnte dem Ruf aus Los Angeles aber nicht widerstehen - die Lakers boten ihm ja auch deutlich mehr Geld an als Orlando. Er konnte das nicht wirklich ablehnen, das nehme ich ihm nicht übel. Er hat getan, was er für sich tun musste. Ich denke aber schon, dass er den Osten mit unserem jungen Kern aus Penny Hardaway, Horace Grant, Dennis Scott und so weiter über Jahre hinweg hätte dominieren können, wenn er geblieben wäre.
SPOX: Immerhin können Sie folgendes von sich behaupten: Abgesehen von Ihrem Team und den Pistons schlug niemand in den 90er Jahren Jordan in einer Playoff-Serie...
Shaw: Das stimmt! Darauf bin ich im Rückblick auch ein wenig stolz, aber man muss dazu sagen: In den '95er Playoffs war er ja gerade erst vom Baseball zurückgekehrt. Er war trotzdem Jordan, aber sein Timing war noch nicht wieder ganz auf dem üblichen Niveau. Und da wir im Anschluss nicht den Titel holen konnten, ist die Erinnerung an diese Serie gewissermaßen bittersüß.
SPOX: Ein Jahr später setzte es für die Magic dann einen Sweep gegen Chicago, allerdings auch mit zahlreichen Verletzten. Dann war Shaq weg. Denken Sie, dass die Bulls sonst auch noch den zweiten Threepeat geschafft hätten? Ein dominanter Center wie Shaq stand den Bulls in all ihren Titeljahren ja fast nie gegenüber...
Shaw: Puh, das ist eine schwere Frage. Sie haben Recht: Chicago war zwar ein überragendes Defensivteam, aber niemand von ihnen konnte Shaq kontrollieren - das konnte Zeit seiner Karriere ja sowieso niemand, aber in ihrem Roster war die Center-Position vermutlich die einzige Schwachstelle. Zudem hatten wir mit Penny auf dem Flügel einen aufregenden Superstar, der es MJ zumindest hätte schwer machen können, bevor all die Verletzungen einsetzten. Ich denke schon, dass wir den Bulls noch einige schöne Schlachten hätten liefern können, vielleicht hätten wir es auch mal geschafft. Aber leider weiß man es im Rückblick ja nicht.
Legenden-Serie Anfernee "Penny" Hardaway: Drama ohne Happy End
SPOX: Sie selbst folgenden Shaq einige Jahre später nach Los Angeles. Dort waren Sie in Ihrer Schlichter-Rolle wohl noch häufiger gefordert, richtig?
Shaw (lacht): Das stimmt. Ich hatte ja glücklicherweise schon etwas Erfahrung, weil Shaq auch mit Penny in Orlando ziemlich häufig aneinander geriet. Das bereitete mich auf seine Streitereien mit Kobe Bryant vor, auch wenn Penny und Kobe unterschiedliche Persönlichkeiten hatten. Ich kannte Kobe passenderweise auch bereits als Kind, da ich genau wie sein Vater Joe für kurze Zeit in Italien gespielt hatte. Damals war er mal als 10-Jähriger bei einem Spiel dabei, danach stellte Joe ihn mir vor - ich denke, das half mir später bei den Lakers. Denn wenn sich beide bekriegten, im Locker Room oder über die Medien, war ich häufig derjenige, der sie wieder zusammenrief.
SPOX: Was sagten Sie den beiden denn in einer solchen Situation?
Shaw: Dass Sie sich selbstsüchtig und kindisch verhielten. Bei all ihren Streitereien vergaßen sie manchmal, dass sie Teil eines Teams waren und dass auch Jungs wie Derek Fisher, Robert Horry, Rick Fox oder ich betroffen waren, wenn sie nicht miteinander funktionierten. 'Denkt nicht nur an Euch, sondern denkt an uns alle und an unsere gemeinsamen Ziele', das war zumeist die Message. Über einige Jahre funktionierte das glücklicherweise ja auch.