Die Atlanta Hawks stehen vor einer Grundsatzfrage: Wer soll das Team in den nächsten Jahren als Spielmacher führen? Die Leistungen von Dennis Schröder lassen die Verantwortlichen ernsthaft über einen Trade von Jeff Teague nachdenken. Doch auch ein Abschied des Deutschen ist möglich. Eine große Rolle spielt dabei das liebe Geld - und Al Horford. Am Sonntag gibt es die Hawks ab 19 Uhr im LIVESTREAM FOR FREE gegen die Orlando Magic.
nbaSchröder vs. Teague - Die Situation
"Ich bin nervös. Ich will unbedingt hier in Milwaukee sein. Ich danke den Bucks dafür, dass sie an mich glauben." Dieses Zitat stammt von Jeff Teague, anno 2013. Der Point Guard der Hawks war damals bereits mit mehr als einem Bein raus aus Atlanta und bat sein Team sogar darum, mit dem 32-Millionen-Angebot der Bucks nicht gleichzuziehen.
Doch die Verantwortlichen der Hawks taten ihm den Gefallen nicht und entschieden sich anders. Für Teague. Sie hielten den Restricted Free Agent in Georgia - und ernteten den Lohn. Unter Mike Budenholzer entwickelte sich der Spielmacher beständig weiter, wurde zum All-Star und hatte großen Anteil an der letztjährigen 60-Siege-Saison.
Drei Jahre nach dem Fast-Abschied denken die Hawks nun wieder darüber nach, Teague abzugeben. Unter anderem nach Milwaukee. Der Grund dafür ist 22 Jahre alt und kommt aus Braunschweig. Er heißt Dennis Schröder.
Ist die Zeit reif?
Der 17. Pick des Drafts 2013 hat einigen Beobachtern zufolge die Anlagen, besser zu werden als Teague. Seit Beginn seiner NBA-Karriere geistert der Vergleich mit Rajon Rondo durchs Netz. Schröders Bewegungsabläufe weisen in der Tat eine gewisse Ähnlichkeit auf, wobei sein Speed dem Rondo-Tempo weit voraus ist. Die Geschwindigkeit ist derzeit seine beste Waffe und ligaweit nahezu unerreicht.
In seinem dritten Jahr hat Schröder noch einmal einen Sprung nach vorn gemacht, vor allem in Sachen Spielverständnis. In den letzten Wochen durfte der Deutsche dank seiner verbesserten Spiels mehrfach in der Crunchtime anstelle von Teague ran. Und das, obwohl Coach Bud ihn zum Jahreswechsel in zwei Begegnungen überhaupt nicht einsetzte - ohne plausible Erklärung. "Vertrauensprobleme" munkelte der ein oder andere, doch genau wusste es niemand.
Im Oktober hatte sich Schröder erstmals öffentlich zu einem potenziellen Spot als Starter geäußert - und prompt die voreilige Kritik aus Deutschland zu spüren bekommen. Nun bemüht er sich, den in der Heimat entstandenen Eindruck von Überheblichkeit zu zerstreuen.
"Das ist völliger Quatsch"
"Man muss geduldig bleiben", sagte er diese Woche bei Sport1: "Ich bin 22 Jahre alt. Ich bin mit 19 hierhergekommen und habe hoffentlich noch eine lange Karriere. Ich bin geduldig. Wenn es nach meinem dritten Jahr nicht passt, dann passt es nicht. Dann versuche ich, weiterzukämpfen, damit ich mein Ziel nach dem vierten Jahr erreiche. Dass ich gesagt habe, ich wäre weg, wenn ich nicht Starter werde, ist völliger Quatsch."
Den Anspruch hat Schröder - gewiss. Und er weiß, dass er langsam auch in den Überlegungen anderer Teams eine Rolle spielt. Dennoch baut er keinen Druck auf das Front Office der Hawks auf: "Meine Situation gerade gefällt mir", so der Braunschweiger: "Ich bin bei einer Gewinner-Mannschaft, die letztes Jahr unter den besten vier Teams in der NBA war. Davon ein Teil zu sein, ist Wahnsinn. Jetzt gerade bin ich mit meiner Situation, mit meinen 20 Minuten pro Spiel und meine Backup-Position völlig zufrieden."
Dennis Schröder im Interview: "Worte im Mund umgedreht"
Über kurz oder lang wird Schröder seine Chance als NBA-Starter bekommen. Zugute kam ihm dabei zuletzt auch das Tief von Teague, der vor allem mit seinem Shooting im Januar auf keinen grünen Zweig kam und teilweise etwas lustlos wirkte. Schröder zeigte dagegen ein paar starke Partien. Nachdem die Trade-Gerüchte bekanntwurden, antwortete Teague allerdings mit 32 Punkten gegen Dallas.
Atlanta muss sich wohl oder übel die PG-Frage stellen. Wer soll das Team in den nächsten Jahren führen? Die Verträge von Schröder und Teague laufen beide 2017 aus - spätestens im Sommer muss sich Budenholzer, der auch President of Basketball Operations ist, also ohnehin mit dem Thema auseinandersetzen.
nbaSchröder vs. Teague - Muss einer gehen?
Es ist daher kein bisschen verwunderlich, dass Atlanta derzeit schon mal Augen und Ohren offenhält, welche Gegenleistung sie für einen der beiden Spielmacher angeboten bekommen. Die Trade-Deadline am 18. Februar trägt dazu bei, dass die Gerüchteküche brodelt und brodelt.
Die Hawks legen großen Wert darauf, unter dem Salary Cap zu bleiben. Dieser Aspekt spricht für Schröder. Denn während Teague kommende Saison 8 Millionen Dollar verdient - und damit immer noch absolut unterbezahlt ist -, überweist Atlanta Schröder 2016/2017 lediglich 2,7 Millionen. Also Schröder behalten? Und Teague traden? Der Markt wäre auf jeden Fall da.
Drei Teams mit Interesse
So sollen neben den Bucks auch die New York Knicks und die Utah Jazz Interesse an Teague signalisiert haben. Das leuchtet ein bzw. es wäre töricht, hätten sie es nicht getan. Schließlich fehlt ihnen ein starker Point Guard, der sie auf den nächsten spielerischen Level heben würde. Teague wäre dafür der perfekte Kandidat.
Coach Bud hat aus dem Wake-Forest-Absolventen eine Art Mini-Tony-Parker geformt. Wo er früher noch unbeherrscht Drives und Würfe erzwang, penetriert Teague heute mit Bedacht und hat dabei stets den Blick für freiwerdende Mitspieler. Seine Fähigkeiten als Spot-Up-Shooter werden immer besser - auch ein Grund übrigens, warum Budenholzer Teague und Schröder teilweise parallel spielen lässt.
Und dann lange nichts...
Die Free Agency Class von 2016 hat auf der Eins nicht viel zu bieten. Nach Mike Conley und Rajon Rondo, die man sich aktuell nur schwer außerhalb von Memphis bzw. Sacramento vorstellen kann, kommen schon Achilles-Rekonvaleszent Brandon Jennings und Lakers-Combo-Guard Jordan Clarkson. Daher ist es durchaus realistisch, dass eine Franchise noch im Februar einiges auf den Tisch legt, um Teague zu bekommen.
Die Hawks würden mit einem Trade ihres etablierten Spielmachers im umkämpften Osten die Playoffs riskieren, dafür ist Schröder noch zu unerfahren und das Zusammenspiel mit den Teamkollegen noch nicht gut genug. Acht Jahre in Folge war Atlanta in der Postseason vertreten. Aber wäre der langfristige Erfolg das Opfer wert?
Seit dem Abschied von DeMarre Carroll sind die Hawks zwar immer noch ein gutes Team - aber eben nicht mehr spitze. Muss sich Atlanta eingestehen, dass es ohne Superstar einfach nicht reicht? Nein, so weit ist Budenholzer noch nicht. Stattdessen ist er auf der Suche nach punktuellen Verstärkungen, um die Franchise wieder zu einem Contender zu machen. Aber wenn ein gutes Angebot ins Front Office der Hawks flattert, wird auch er ins Grübeln kommen. Zumal er Schröder in der Hinterhand hat.
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Hawks-Roster - Wo besteht Bedarf?
Aber welche Puzzleteile würden dem Team weiterhelfen? Der Draft-Day-Trade von Tim Hardaway Jr. hat sich bisher zwar nicht ausgezahlt, doch immerhin hat sich der Shooting Guard jetzt in die Rotation gespielt. Auf dem Flügel ist die Qualität generell dennoch etwas dünn. Kyle Korver geht die Konstanz nach seinen zwei Offseason-Operationen noch immer ab, Thabo Sefolosha ist bereits an seinem Limit angekommen. Einzig Kent Bazemore produziert stetig positive Schlagzeilen. Doch der Kraftwürfel wird im Sommer Free Agent und hofft auf einen ordentlichen Zahltag.
Verstärkung könnten die Hawks auch auf der Center-Position hinter Al Horford gebrauchen. Mit Tiago Splitter holte man im Sommer einen ständigen Gast aus dem Spurs-Lazarett - in das eigene. In Atlanta läuft es bisher nämlich kaum besser für den Brasilianer. Knapp ein Drittel aller Spiele verpasste Splitter bereits, derzeit schlägt er sich mit Hüftproblemen herum.
Schlüsselfigur
Apropos Horford: Der Center ist nach der Saison Unrestricted Free Agent und könnte somit ohne Gegenwert gehen. Ein Risiko - keine Frage. Daher hören sich die Hawks auch im Falle des dreifachen Allstars sämtliche Angebote an. Miami und Boston werden als mögliche Ziele genannt, aber die Priorität der Verantwortlichen ist es, Horford zu halten. Sonst hätte man im letzten Jahr auch Carroll nicht ziehen lassen müssen.
Der 29-Jährige ist ein unterschätzter Musterprofi ohne jegliche Attitüde, der über seine Karriere 14,3 Punkte, 9 Rebounds, eine Wurfquote von 53,7 Prozent, 2,7 Assists und 1,2 Blocks pro Spiel auflegt. Dazu macht er all seine Mitspieler besser, wenn er auf dem Feld steht. Mindestens eine andere Franchise wird trotz seines Alters allerdings mit vielen Scheinen, eventuell gar einem Max-Contract wedeln. Aufgrund der neun NBA-Saisons und des erneut steigenden Salary Cap kann Horford im ersten Vertragsjahr mit einem Salär von 25 Millionen Dollar rechnen. Und genau deshalb kommt ihm eine Schlüsselrolle in Atlantas PG-Frage zu.
Rund 90 Millionen Dollar wird die Gehaltsobergrenze im kommenden Jahr betragen, der Cap Space der Hawks liegt bei ca. 37 Millionen Dollar. Neue Verträge für Horford und Bazemore würden davon mehr als 30 Millionen verschlingen. Und dann hätte man die Teamoptionen für Mike Scott (3,3 Mio.), Shelvin Mack (2,4 Mio.) und Mike Muscala (1 Mio) noch nicht gezogen. Die 5,3 Millionen Dollar, die Schröder kommende Saison weniger verdient als Teague könnten für einen neuen Horford-Vertrag daher durchaus große Relevanz haben.
Wochen der Wahrheit
"Ein Trade kann natürlich jeden treffen, das ist Business hier in der NBA", weiß auch Schröder. Etwas blauäugig mutet angesichts der komplexen Situation allerdings die folgende Aussage des 22-Jährigen an: "Unser Team ist so wirklich zufrieden. Der Coach ist auch zufrieden. Ich denke, da braucht sich keiner Sorgen zu machen, dass irgendwer getradet wird." Ganz so einfach ist es nämlich nicht.
Das richtige Angebot für Teague - und Schröders abendliche Vorstellung in der Philips Arena wird künftig von Lichtkegeln und den Worten "at Point Guard, in his fourth season, 6'1 from Braunschweig/Germany" begleitet. Gefolgt von einem langgezogenen "Dennis Schruuuuuder!" Auf der anderen Seite: Ein ordentliches Paket für Dennis - und der Deutsche landet eventuell bei einem Lottery Team. Auch wenn das erste Szenario momentan wahrscheinlicher erscheint.
Wie auch immer Budenholzer die PG-Frage in Atlanta beantwortet: Die nächsten zwei Wochen könnten für Schröders Karriere wichtiger werden, als er derzeit ahnt.