Fangen wir mit dem Positiven an. Dirk Nowitzki hat das Wort.
"Ich schätze, das einzig Positive ist: Es war nur ein Spiel. Ob man in den Playoffs nun mit 2 Punkten oder mit 50 Punkten Unterschied verliert, es ist nur ein Spiel. Wir haben am Montag noch eine Chance, hier einen Sieg zu stehlen."
Hm, ja. Das war es dann auch mit den positiven Aspekten der 70:108-Niederlage der Mavs bei den jüngeren, schnelleren, athletischeren, talentierteren, schlicht und ergreifend einfach nur sehr viel besseren Thunder. Es war nur eine von mindestens vier, höchstens sieben Partien.
Was die Niederlage mit 50 Punkten angeht: Nach einem solchen Auftritt sollte man das lieber nicht beschreien...
Erst Titel, dann Sweep - und nun?
Nach nur einem Spiel die Segel zu streichen, wird einem Champion wie Nowitzki, wird einem Meistercoach wie Rick Carlisle aber nicht gerecht. Man hat sich nicht mit dem letzten Atemzug in die Playoffs geschleppt, nur um dann den Prügelknaben für OKC zu geben. Aber wer den Mavs schon vor der Serie wenig bis gar keine Chancen einräumte, der muss sich nach Game 1 in seinem Urteil bestätigt fühlen.
Fünf Jahre ist es her, da gewann Dallas auf dem Weg zum Titel in den Conference Finals mit 4-1 gegen die damals noch jungen, aufstrebenden Thunder. Schon zu diesem Zeitpunkt waren viele Stars über ihrem Zenit und in Sachen Athletik unterlegen, aber das machten Dirk, Jason Kidd, Jason Terry und Shawn Marion mit Hunger und Erfahrung wett, wendeten Partien in der Crunch Time.
Ein Jahr später hatte sich das Blatt bereits gewendet: Der umgebaute Champion kämpfte und hielt viele Spiele lange offen, doch am Ende stand ein Sweep in der ersten Playoff-Runde zu Buche.
Seitdem sind noch einmal vier Jahre vergangen, die Kräfteverhältnisse haben sich noch einmal verschoben. Russell Westbrook und Kevin Durant sind im perfekten Basketball-Alter - Dirk ist 37. Umso bemerkenswerter, dass er sich erneut gegen die Defense von Serge Ibaka und Co. stemmte, 18 Punkte bei ordentlichen Werten aus dem Feld auflegte (7/15 FG, dazu 4/4 von der Linie).
"Bis auf die Knochen blamiert"
Aber wo war die Hilfe? Zieht man seine Quote ab, stehen seine Teamkollegen bei unterirdischen 26 Prozent, 22 von Downtown. Selbst ein Aragorn in Helms Klamm, der die Festung mit 400 Kindern und Greisen gegen 10.000 blutrünstige Uruk-hai verteidigte, hätte an diesem Abend Mitleid mit Nowitzki gehabt. Denn der hatte immerhin eine Mauer vor sich - und konnte auf Verstärkung hoffen.
Die Mavs dagegen müssen zusehen, wie sich ihr Rumpfkader immer weiter auflöst. Für Chandler Parsons ist die Saison gelaufen, Deron Williams nach langer Pause noch lange nicht bei 100 Prozent. David Lee musste mit einer Fußverletzung passen, wann er zurückkehrt, ist noch unklar. Und dann erwischte es am Samstag auch noch J.J. Barea, ebenfalls schon längere Zeit durch Leistenprobleme gehandicapt.
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Kein Wunder, dass man sich gegen hochmotivierte Thunder - angesichts des auslaufenden Vertrags von Kevin Durant könnte es der letzte Title Run in dieser Besetzung sein - "bis auf die Knochen blamierte", um es mit Nowitzkis Worten zu sagen. Und wie man die Zahlen dreht und wendet: Sie sind brutal.
Außer Nowitzki punktete niemand zweistellig. An den Brettern wurde man förmlich verschluckt (56:33 Rebounds für OKC). Defense unter dem eigenen Korb? Trotz der Hereinnahme von Salah Mejri gab es keinen einzigen Block. Offense unter dem gegnerischen Korb? In der Restricted Area, also direkt am Ring, warf man 13/34. 38 Prozent. Erbärmlich.
Carlisle in der Pflicht
"Ich muss die Jungs besser vorbereiten", nahm Carlisle die Schuld auf sich. "Das ist eindeutig. Wir hatten am Anfang Probleme, aber wir waren nicht das gleiche Team wie in den letzten zweieinhalb Wochen, und dafür übernehme ich die Verantwortung." Wo man den Trainerfuchs der Mavericks, der die Spurs vor zwei Jahren noch sensationell in ein Spiel 7 zwang, gerne von jeder Schuld freispricht: Diesmal hat er Recht.
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Carlisle muss sich ankreiden lassen, mit seiner Aufstellung auf das falsche Pferd gesetzt zu haben. Mejri blieb wirkungslos, und das Three-Guard-Lineup mit Deron Williams, Barea und Wes Matthews war ebenfalls ein Desaster. Mit langsamem, methodischem Basketball hatte sich Dallas in die Postseason gerettet, doch gegen die Thunder lässt sich ein solches Lineup nicht spielen: Barea und Williams waren gegen Westbrook chancenlos, Matthews gegen den viel größeren Durant verschenkt. Justin Anderson dagegen spielte gerade einmal 18 Minuten, die meisten in der Garbage Time. Es war klar, dass Carlisle angesichts der krassen Unterlegenheit seines Teams würde experimentieren müssen: Versuch Nummer eins ging in die Hose.
Wo soll die Hoffnung herkommen, hatte man doch alle vier Duelle in der Regular Season bereits verloren, teilweise deutlich. Wie erholt man sich von einer Demontage, in der man nach drei Vierteln mit 42 Punkten zurückliegt? Von der deutlichsten Playoff-Niederlage in Nowitzkis Karriere?
Mehr ist nicht drin
Vielleicht überhaupt nicht. In der unerwarteten Aufholjagd in den letzten Wochen, der Siegesserie von sechs Spielen, in der sich die Rollenspieler der Reihe nach zu Helden aufschwangen, wurden womöglich die letzten Körner verbraucht.
Man muss sich vergegenwärtigen, dass dem Team vor der Saison nur von den wenigsten überhaupt Chancen auf die Playoffs eingeräumt wurden. Spätestens im März schien der Traum nach zehn Niederlagen in zwölf Spielen und dem Saisonaus von Parsons ausgeträumt.
Doch der Stolz, den Nowitzki am Samstagabend forderte, geniale Schachzüge von Carlisle und zugegeben auch die Schwäche der Konkurrenz machten den Einzug in die Postseason noch einmal möglich. Das vorgegebene, große Ziel wurde erreicht. Mehr ist vielleicht einfach nicht drin.
War es "nur ein Spiel"?
Darf man also mehr verlangen? Ja und nein. Ein Sweep, in dieser Verfassung und gegen diesen Gegner, wäre keine Schande. Ein Sweep in dieser Art und Weise dagegen schon.
Es gilt, die Euphorie der Thunder zu bremsen, sich von eigenen Fehlwürfen nicht entmutigen zu lassen. Diszipliniert zu rebounden und zu verteidigen. Carlisle hat bereits angekündigt, am Montag mehr auf Anderson zu setzen. So könnte Matthews gegen Westbrook verteidigen, ein klar besseres Matchup für ihn. Auch Dirk auf der Center-Position wäre eine Option. Wenn auch keine Chance auf ein Weiterkommen besteht: Der Anspruch muss sein, sich nicht abschlachten zu lassen, Spiel 2 einigermaßen offen zu halten. Und dann... wer weiß?
Wer nach dieser Vorstellung doch noch Hoffnung hegt, der muss es mit Dirk halten: "Es ist nur ein Spiel."