NBA

"Hatte jedes Mal Angst, dass Dirk geht"

Mavericks-General-Manager Donnie Nelson ist seit 18 Jahren an Dirk Nowitzkis Seite
© getty

Mitten im heißen Playoff-Rennen traf SPOX Mavericks-General Manager Donnie Nelson in Dallas zum Interview. Der 53-Jährige plaudert über 18 Jahre mit Dirk Nowitzki, die Pläne für die Zukunft und stellt sich der Kritik an den im Mittelmaß gefangenen Dallas Mavericks. Außerdem: eine mögliche Zusammenarbeit mit dem FC Bayern.

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SPOX: Donnie, wir gehen in die Endphase der 18. NBA-Saison von Dirk Nowitzki. Wie krass ist es für Sie, dass es jetzt wirklich schon 18 Jahre sind?

Donnie Nelson: Du fragst dich wirklich, wo die Zeit geblieben ist. Es ist kaum zu glauben, dass es 18 Jahre lang her ist, dass Dirk mit seiner albernen Frisur und dem Ohrring neben Steve Nash auf der Pressekonferenz saß. Ich weiß auch noch genau, wie es war, als wir zum ersten Mal von Dirk gehört haben. Es ist ja so: Wenn du von großen Talenten hörst, die aber nicht aus einem Land kommen, das als Basketball-Powerhouse bekannt ist, sorry, Deutschland, dann hört es sich am Anfang immer wie ein Traum an. Du weißt nicht, was wahr ist und was nicht. Wenn du sie dann in Wirklichkeit siehst, sind sie meistens nur halb so groß und schnell wie vorher gedacht. Aber bei Dirk war es anders. Wir hörten diese geheimnisvollen Geschichten über ihn und als wir ihn dann leibhaftig vor uns sahen, dachten wir nur: Heilige Scheiße, er ist ja wirklich so groß, er kann ja wirklich so werfen und er ist ja wirklich athletisch. Na ja, er war es damals zumindest. (lacht) Holger Geschwindner und seine Fähigkeit, Dirk zu coachen, war dann noch so etwas wie die Kirsche auf dem Kuchen. Die beiden sind eine magische Kombination.

SPOX: Sie haben die erste PK angesprochen, welche Bilder haben Sie aus all den Jahren noch im Kopf?

Nelson: Für mich waren die schönsten Momente immer, wenn wir seine Familie und Holger getroffen haben. Wie sich zwischen uns eine besondere Beziehung entwickelt hat. Dirk war fast wie ein Sohn für uns. Wir dürfen ja auch nicht vergessen, wie extrem schwer und qualvoll die ersten beiden Jahre für Dirk in Dallas waren. Er kam aus dieser kleinen Stadt aus Franken, die für guten Wein bekannt ist und fand sich plötzlich auf dem Court mit NBA-Athleten wieder, die ihn wie eine Stoffpuppe rumgeschubst haben. In den ersten beiden Jahren ging es eigentlich nur ums Überleben. Soll ich wieder nach Hause zurückgehen? Bin ich überhaupt gemacht für die NBA? Dirk zweifelte. Daran denkt heute niemand mehr, weil heute alle nur Dirk Nowitzki als einen der größten Spieler sehen, der jemals ein NBA-Trikot übergezogen hat. Aber ich erinnere mich neben den großen Erfolgen wie der Championship vor allem an diese harten Zeiten. Es hätte damals wirklich in beide Richtungen gehen können. Entweder bringen dich solche Erfahrungen näher zusammen, oder die ganze Sache explodiert. Uns hat es definitiv zusammengeschweißt.

SPOX: Wenn Sie Dirk charakterisieren müssten, was würden Sie sagen?

Nelson: Ich würde vor allem sagen, dass man dazu Dirk nicht in erster Linie auf dem Platz beobachten sollte, wenn das Scheinwerferlicht an ist. Ich denke viel mehr an die alltäglichen Dinge. Wenn wir Kinder für die "Make a wish"-Foundation bei uns haben, würde Dirk sich niemals keine Zeit dafür nehmen. Dirk hat ein unglaublich großes Herz. Auch eine unglaubliche Leidenschaft für Basketball. In dieser Saison hatten wir wieder einige schwierige Phasen, in denen Dirk in der Trainingshalle steht und das Team wieder aufmuntert, Ratschläge gibt an die jungen Spieler, aber auch Disziplin einfordert. Wenn ich immer sage, dass Dirk noch ein besserer Mensch als Basketballspieler ist, denken viele Leute, es sei ein Witz. Aber es ist die Wahrheit. Wir leben in einem Land, in dem wir unsere Superstars auf ein Podest stellen. Gewöhnlich führt es dazu, dass sie eingebildet und egozentrisch werden. Es steigt ihnen alles zu Kopf und man liest dann diesen ganzen Müll über sie in der Presse. Aber Dirk ist wirklich der Junge von nebenan. Der Typ, den du gerne als Schwiegersohn haben willst. Es gibt keine spezielle Episode, die ihn beschreibt. Aber wenn du ihn jeden Tag um dich herum hast, lernst du ihn sehr zu schätzen.

SPOX: Die Championship 2011 war für Nowitzki - gerade nach dem Drama 2006 - natürlich der Höhepunkt seiner Karriere. In unserer Classic-Games-Reihe zeichnen wir gerade auf SPOX den Weg noch einmal nach. Was war für Sie der entscheidende Moment auf dem Weg zur Championship?

Nelson: Der entscheidende Moment für die Meisterschaft kam für mich nach der Finals-Pleite 2006, als Dirk mit Holger nach Australien gereist ist. Diese Niederlage war so schwer zu verdauen, dass wir uns alle gefragt haben, inklusive Dirk, ob es vielleicht einfach nicht sein soll. Vielleicht sind die Basketball-Götter gegen uns. Vielleicht haben all diejenigen Recht, die behaupten, dass kein von einem Europäer angeführtes Team den Titel holen kann. Wir hatten den Ring 2006 ja schon fast am Finger, ehe er uns aus den Händen geschlagen wurde. Natürlich kommst du dann ins Zweifeln, gerade Dirk, der von Natur aus extrem selbstkritisch ist. Dirk brauchte zu diesem Zeitpunkt die Zeit mit Holger, seinem Basketball-Gott, um wieder Kraft und Energie zu tanken. Was auch immer auf der Insel passierte, Dirk ist danach stärker zurückgekommen als je zuvor. Das war die Grundlage dafür, dass wir an den Tatort von 2006 zurückkehren konnten, was ja sehr selten im Leben ist. Wenn dir jemand die Freundin wegnimmt, dann ist sie normalerweise für immer weg. Es ist sehr selten, dass du nochmal an die Stätte des Grauens, auf dasselbe Parkett zurückkehren und die Geschichte umschreiben kannst.

SPOX: Seit dem Titelgewinn ist eigentlich auch klar, dass Nowitzki seine ganze Karriere in Dallas verbringen und nicht mehr wechseln wird. Gab es in all den Jahren einen Zeitpunkt, bei dem Sie Angst hatten, er könnte die Mavs verlassen?

Nelson: Wie wär's mit jedem Mal, als sein Vertrag auslief. Ich hatte jedes Mal Angst. Wir waren uns immer bewusst, was wir für ein unverschämtes Glück haben, dass Dirk nicht nur so ein großartiger Spieler und Leader, sondern auch so ein loyaler Mensch ist. Dass er vor einigen Jahren einen signifikanten Pay-Cut akzeptiert hat, damit wir ein paar Spieler verpflichten konnten, ist einmalig in diesem Land. Alle Agenten sind bei so einem Verhalten völlig entgeistert, aber Dirk geht es in erster Linie ums Gewinnen, um nichts anderes. Das sagen zwar viele, aber bei den meisten ist es heiße Luft. Wenn es um die Unterschrift unter den Vertrag geht, sieht es dann oft anders aus. Deshalb war es sehr besonders, was Dirk gemacht hat. Die Stadt, die Mavericks, seine Teamkollegen, Mark Cuban als Besitzer, das Management - wir alle sind Dirk zu großem Dank verpflichtet.

SPOX: Sie haben durch Dirk ja auch Deutschland noch besser kennengelernt, ein bisschen Deutsch waren Sie ja schon vorher.

Nelson: Das ist richtig. Ich hatte eine deutsche Großmutter, deshalb ist in meiner Familie zu einem gewissen Teil schon deutsches Blut vorhanden. Vom ersten Moment an, als mein Dad und ich nach Deutschland reisten, um Dirks Familie kennenzulernen, hat es gepasst. Es war sofort gegenseitiges Vertrauen da. Als wir Dirk im Draft Paul Pierce vorgezogen haben, wussten wir natürlich, dass wir geduldig sein müssen. Aber wir wussten auch, dass es sich lohnen würde und wurden dafür belohnt. Als Mark Cuban das Team übernahm, hätte er ja jeden Grund der Welt gehabt, um uns zu feuern, so wie es damals lief. Aber er glaubte auch an unseren Plan und wollte uns einfach nur mit mehr Waffen versorgen. Er hat uns Nelsons in unserer dunkelsten Stunde unterstützt. Deshalb habe ich bis heute auch eine Handschlagvereinbarung mit ihm.

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