NBA

Ein bisschen wie gegen Italien

Dennis Schröder lieferte Kyrie Irving bisweilen ein aufregendes Privatduell
© getty

Dennis Schröder leistete gegen die Cleveland Cavaliers in Spiel 1 beeindruckende Gegenwehr und legte mit 27 Punkten sogar ein Career High auf - allerdings war er dabei fast auf sich allein gestellt. Am Ende wurden böse Erinnerungen an die Europameisterschaft im letzten Sommer wach. Haben die Atlanta Hawks ihre Chance schon verpasst?

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Es dauerte kaum länger als eine halbe Stunde, bis sich in Cleveland das gewohnte Bild bot. Kyrie Irving bediente vier Minuten vor Ende des dritten Viertels einen laufenden LeBron James, der den Ball mit Macht in den Korb drückte. 18 Punkte Führung für die Cavs, Messe gelesen.

Von allen Beteuerungen der Hawks, sie seien jetzt ein besseres Team als im Vorjahr, war wenig zu sehen. Paul Millsap, Al Horford, Kyle Korver, Jeff Teague - sie alle waren schon All-Stars, dennoch machte keiner von ihnen den Eindruck, als glaube man wirklich daran, zum ersten Mal überhaupt ein Playoff-Spiel gegen LeBron gewinnen zu können.

Selbstvertrauen strahlte in dieser Phase nur einer aus: Dennis Schröder. Bereits zuvor hatte der Deutsche eine sehr ordentliche Leistung gezeigt - doch beim Stand von 72:54 für die Cavs legte Schröder erst so richtig los.

Schröder startet das Comeback

Schröder fand erst Mike Scott für 3, dann behinderte er Irving beim Wurf. Schröder traf einen Dreier. Schröder traf einen Finger-Roll. Schröder traf noch einen Dreier, da waren es nur noch 7 Punkte Rückstand. Bis zum Ende des Durchgangs waren die Hawks bis auf 4 Punkte dran - und nun hatten sie Blut geleckt.

Mike Budenholzer ließ Schröder weiter für den schwachen Teague drauf und behielt damit Recht: Ein Alley-Oop von Schröder auf Horford besiegelte ein 18-Punkte-Comeback der Hawks und die erste Führung, danach legte Dennis selbst noch zwei Layups nach. Beim Stand von 86:86 (gut 6 Minuten vor Schluss) bat er seinen Coach um eine kurze Verschnaufpause - ein weiterer Wendepunkt, wie sich wenig später herausstellen sollte.

Chance vertan

Denn von nun an war ein Bruch im Spiel Atlantas. Sie hatten in dieser Phase eigentlich das "Momentum", wie Millsap es später ausdrückte. Und trotzdem waren die letzten Minuten von Pleiten, Pech und Pannen geprägt. Die Hawks verloren das Duell um die Rebounds, sie schenkten den Ball her und begingen dumme Fouls. Sie trafen ihre Würfe nicht mehr, sie bekamen keine Stops mehr zustande.

"Sie haben das Spiel mehr gewonnen, als dass wir es verloren haben", sagte Korver. "Aber wir hatten definitiv das Gefühl, dass wir unsere Chancen hatten." Kent Bazemore sah das ähnlich: "Wir hatten so viele Chancen in den letzten Minuten. Wir hätten gewinnen können, aber wir haben uns einfach so viele Fehler geleistet."

Schröder konnte daran in dieser Phase auch nichts mehr ändern - im Gegenteil. Der 22-Jährige leistete sich selbst in den letzten Minuten zwei unachtsame Ballverluste, er versuchte es ein bisschen zu sehr mit dem Kopf durch die Wand und verfehlte seine letzten drei Würfe. Binnen kürzester Zeit wurde Schröder im besten Spiel seiner jungen Playoff-Karriere zum tragischen Helden.

Bud sieht Steigerungspotenzial

Wer Schröder in den letzten Jahren verfolgt hat, fühlte sich dabei zwangsläufig ein wenig an die EM 2015 erinnert, genauer gesagt an das Spiel gegen Italien. Auch damals war er mit 29 Punkten Topscorer der Partie und der Haupt-, sogar der alleinige Grund, warum sein Team in der Endphase noch im Spiel war. Auch damals unterliefen ihm am Ende ein paar folgenschwere Fehler.

Sollte man ihn deshalb dafür kritisieren, dass er in den letzten Minuten des Spiels ein Stück weit überdrehte? Nein. Die Starting Five der Hawks traf insgesamt nicht einmal ein Drittel ihrer Würfe. Schröder war die einzige Option, die das Spiel über wirklich konstant liefern konnte. Der einzige Spieler, den die große Bühne zu Höchstleistungen antrieb.

Das sah auch sein Coach so. "Dennis hatte ein großartiges Spiel, aber als Gruppe können und müssen wir einfach besser spielen. Am Ende hätten wir uns eine Chance geben können, wenn wir nur ein paar mehr Rebounds geholt und vorne unsere Konzentration behalten hätten. Wir haben aus diesem Spiel viel gelernt und werden uns an beiden Enden des Courts steigern", analysierte Budenholzer.

LeBron: "Ganz okay"

Der Coach liegt in der Hinsicht richtig, dass sein Team zweifellos Steigerungspotenzial besitzt. Dennoch bleibt die Frage offen, ob hier eine riesige Chance verschenkt wurde - denn auch der Gegner zeigte sich nicht unbedingt von seiner allerbesten Seite. Die achttägige Pause war dem Ost-Primus durchaus anzumerken.

"Wir haben ganz okay gespielt", sagte James nach dem Spiel. "Ich denke nicht, dass wir unseren Standards entsprechend agiert haben. Im ersten Spiel muss man sich immer ein wenig abtasten und wir freuen uns auf die nächste Herausforderung am Mittwoch."

Der Vierfach-MVP war selbst nicht im Dampfwalzen-Modus der letztjährigen Serie unterwegs, als er den Hawks über vier Spiele durchschnittlich 30,3 Punkte, 11 Rebounds und 9,3 Assists einschenkte. Dennoch war er zur Stelle, als sein Team ihn brauchte (LeBrons Punkte im Video).

Der King als Spielverderber

Er war es, der Schröder zweimal den Ball abnahm, er war es, der in den letzten beiden Minuten mit einem And-1, einem Pass auf den dann gefoulten Kevin Love und einem weiteren Layup die Führung von 4 auf 9 Punkte anwachsen ließ und das Spiel letztendlich entschied. Er beendete die Partie mit einer (für ihn) recht gewöhnlichen Stat-Line von 25 Punkten, 9 Assists, 7 Rebounds und 5 Steals.

Möglich, dass die Serie letzten Endes erneut dadurch entschieden wird, dass nur eins der beiden Teams über einen Go-to-Guy seines Kalibers verfügt. Einen Spieler, der in brenzligen Situationen die Kontrolle übernehmen und seinem Team Stabilität geben kann.

Bitter, dass Atlanta kein Kapital daraus schlagen konnte, dass Schröder über weite Strecken des Spiels wie ein solcher Spieler aussah.

Dennis Schröder im Steckbrief

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