Revanche unter völlig neuen Vorzeichen

Marc-Oliver Robbers
01. Juni 201612:07
LeBron James und Stephen Curry treffen erneut in den Finals aufeinandergetty
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Erneut kommt es in den NBA Finals zum Aufeinandertreffen zwischen den Golden State Warriors und den Cleveland Cavaliers. Aber anders als im Vorjahr sind die Cavs komplett gesund und ausgeruht. Die Warriors konnten ein vorzeitiges Aus gerade noch so vermeiden, zogen aber neues Selbstbewusstsein aus dem Duell mit OKC. Vor Spiel 1 vergleicht SPOX beide Teams im Head-to-Head.

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Point Guard: Stephen Curry vs. Kyrie Irving

SPOXgettyStephen Curry: Was gibt es über ihn noch groß zu sagen? Curry ist der aktuell beste Spieler auf diesem Planeten und macht sich auf, sich auf ewige Zeiten einen Platz in den Geschichtsbüchern der Liga zu sichern. Der Back-to-Back-MVP hat sich nach mehreren kleineren Verletzungen in den Playoffs wieder gefangen und mit einer bärenstarken Leistung das Comeback der Warriors gegen die Thunder gekrönt.

Wenn Curry in dieser Form spielt, ist er von keinem Spieler dieser Welt im Alleingang zu halten. Die Erfahrung haben die Cavaliers bereits in den letztjährigen Finals gemacht. Dafür ist sein Wurf zu tödlich und seine Dribblings zu außergewöhnlich. Dass er sich dabei defensiv längst nicht mehr verstecken muss, wird bei dem ganzen Offensivspektakel gerne mal unter den Tisch gekehrt.

Kyrie Irving: Wenn es in Sachen Dribblings irgendjemand mit Curry aufnehmen kann, dann ist das Uncle Drew. Nachdem sich Irving in den letztjährigen Finals gleich in Spiel 1 die Kniescheibe brach und anschließend Monate lang ausfiel, brennt er nun auf das Duell mit dem besten Spieler seiner Zunft.

Irving ist jederzeit in der Lage, heiß zu laufen, spielt aber an der Seite von LeBron längst nicht mehr so wild wie in früheren Tagen. Häufig ist er sogar abseits des Balles unterwegs und überlässt James das Playmaking. Dennoch ist die Abstimmung so gut wie nie. Irvings Zahlen sind in der Postseason deutlich nach oben gegangen und auch ein Gradmesser für die allgemein bessere Abstimmung der Cavs in den Playoffs.

Allerdings bleibt hinter seiner Defense ein Fragezeichen. Irving ist sicher nicht in der Lage, Curry zu halten und wird sich daran auch nur in den seltensten Fällen aufreiben müssen. Da aber auch Thompson den Guard vor Probleme stellen wird, muss Coach Tyronn Lue Irving defensiv so gut es geht verstecken.

Fazit: Bei aller Klasse von Irving ist unbestritten, wer in diesem Duell die Nase vorn haben wird. Curry spielt in einer anderen Liga und wird den Finals seinen Stempel aufdrücken. Für Irving wird es darum gehen, seine starken Leistungen aus den vorangegangenen Runden zu konservieren und defensiv so wenig Schaden wie möglich anzurichten. Das Matchup geht an die Warriors.

Shooting Guard: Klay Thompson vs. J.R. Smith

SPOXgettyKlay Thompson:ESPN bezeichnete ihn unlängst als Sidekick und Superstar in einer Person. Es ist eine treffende Beschreibung für Thompson, der nicht unbedingt das Rampenlicht sucht, aber es vollends ausfüllt, wenn er gefordert wird. Es gibt keinen Spieler, der einen schöneren Wurf besitzt. Läuft der Guard heiß, kann ihn niemand stoppen. Seine Fabelleistung in Spiel 6 (11 Dreier, 41 Punkte) gegen die Thunder rettete den Meister.

Thompson befindet sich aktuell in der Form seines Lebens und ist in den Playoffs sogar noch vor Curry der Topscorer der Warriors. Doch erst seine ausgezeichnete Defense macht ihn so wertvoll für die Warriors. Es ist davon auszugehen, dass sich Thompson vornehmlich um Irving kümmern wird. Aufgrund seiner Größe und Reichweite kann er aber auch phasenweise Andre Iguodala bei der Bewachung von LeBron James entlasten. Auch Curry verpulvert so nicht zu viele Körner in der Defensive.

J.R. Smith: Der Guard hat in Cleveland seine perfekte Rolle gefunden. Von Smith wird nichts anderes erwartet, als abzudrücken, wenn er den Ball in seinen Händen hat. Hinter LeBron, Kyrie und Love ist er zwar nur die vierte Option, aber Smith hat es mittlerweile verstanden, dass er so am wertvollsten für das Star-Gebilde der Cavaliers ist. Er muss nicht mehr kreieren.

Und das lässt sich auch an seinen Zahlen ablesen. Der Dreier des Streaky Shooters fällt so hochprozentig (45,5 Prozent) wie noch nie in der Karriere, einfach weil er von der Präsenz des Star-Trios profitiert. Im Laufe des letzten Jahres hat sich bei Smith zudem das Bewusstsein breit gemacht, dass es im Basketball nicht nur darum geht, zu scoren. Mittlerweile ist der Veteran sogar ein äußerst engagierter und unangenehmer Verteidiger geworden.

Fazit: Auch hier müssen wir nicht lange herumreden, das Duell geht ebenfalls an die Warriors. Smith ist sicher der wertvollste Rollenspieler im Roster der Cavs, aber Thompson ist All-Star, Weltmeister und einfach in einer überragenden Form.

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Small Forward: Andre Iguodala vs. LeBron James

SPOXgettyAndre Iguodala: Ob der Finals-MVP des letzten Jahres wirklich wieder starten wird, können wir nur vermuten. Seine Hereinnahme in Spiel 7 und der Erfolg, den die Maßnahme im Vorjahr mit sich brachte, lassen aber diesen Schachzug vermuten. Egal welche Rolle Iggy einnimmt, der Veteran ist unfassbar wichtig für die Warriors.

Auch wenn in erster Linie seine herausragenden Defensiv-Fähigkeiten gefragt sind, ist er auch immer wieder für einen offensiven Ausbruch gut. Das war schließlich zu Zeiten bei den Sixers sein täglich Brot. Dennoch: Sollte Iguodala den Vorzug vor Barnes bekommen, dann nur, weil er die Kreise von LeBron eindämmen soll. So ganz funktioniert das natürlich nie, aber die letztjährigen Finals haben gezeigt, dass Iggy die beste Lösung dafür ist. Auch Kevin Durant kann davon ein Lied singen.

LeBron James: Sein Coach sagte nach dem zweiten Sweep gegen Atlanta, dass LeBron es noch nie so leicht in den Playoffs hatte und in der Tat musste James bisher in den seltensten Fällen an seine Grenzen gehen. Das Dominanz-Monster gab es nur in wohldosierten Phasen, ansonsten war LeBron darauf bedacht, alle zu involvieren und die Last auf möglichst viele Schultern zu verteilen.

Es ist der größte Trumpf in den diesjährigen Playoffs, dass James das Team nicht alleine schultern muss, sondern sich auf seine Sidekicks verlassen kann. Die schier unmenschliche Leistung aus dem Vorjahr kann niemand als Standard, der immer abrufbar ist, voraussetzen. Dennoch dürfte LeBron in den Finals eine Spur dominanter agieren.

Fazit: LeBron wird nie gänzlich zu stoppen sein, dafür ist er einfach ein viel zu guter Basketball-Spieler. Es wird daher für die Warriors darum gehen, es dem King so schwer wie möglich zu machen. Dafür ist Iguodala prädestiniert, aber natürlich geht dieses Matchup in der Endabrechnung an die Cavaliers.

Power Forward: Draymond Green vs. Kevin Love

SPOXgettyDraymond Green: Nachdem es zwei Jahre für Green nur steil nach oben ging, bekam der Forward zuletzt erstmals wieder etwas Gegenwind ab. Sein Tritt in die Weichteile von OKC-Center Steven Adams wurde kontrovers diskutiert und beeinflusste letztlich auch die eigene Leistung.

Doch der Allrounder kämpfte sich aus dem Loch raus und war in den letzten beiden Spielen wieder ganz der Alte. Seine Fähigkeiten als Spielmacher aus dem Post, als Shooter und vor allem als Verteidiger sind elementar wichtig für das Spiel der Warriors. Green ist sicher neben Curry der einzige Spieler, der über einen längeren Zeitraum nicht zu ersetzen ist.

Kevin Love: Das Projekt "Love" galt in Cleveland schon fast als gescheitert, doch in den Playoffs hat der Power Forward bewiesen, dass für ihn Platz im Cavs-Team ist. Neun Double-Doubles gelangen Love in der Postseason und auch wenn er gegen die Raptors Probleme am Brett hatte, half er seinem Team durch Scoring vom Perimeter. Der Ex-Timberwolf wirkt längst nicht mehr so deplatziert wie in seiner ersten Saison.

Da Love im Vorjahr aufgrund einer Schulterverletzung über weite Teile der Playoffs fehlte, dürfte er bei seiner ersten Finals-Teilnahme besonders motiviert sein. Allerdings bleibt auch bei ihm die Frage nach der Defense. Seine defensiven Unzulänglichkeiten fallen bei Gegenspielern wie Patrick Patterson nicht ins Gewicht, aber Green ist dazu in der Lage, diese offenzulegen.

Fazit: Beide Spieler haben All-Star-Format und können den Gegner vor große Probleme stellen. Allerdings ist die Rolle Greens um ein Vielfaches größer. Der Forward ist der emotionale Leader der Warriors und eigentlich unverzichtbar. Der Punkt geht knapp nach Golden State.

Center: Andrew Bogut vs. Tristan Thompson

SPOXgettyAndrew Bogut: Der verletzungsanfällige Australier wird über Phasen als defensiver Anker gebraucht, aber er ist nun mal auch derjenige, der für das gefürchtete "Lineup of Death" geopfert wird. Wenn Kerr auf Small-Ball mit Iguodala (oder Barnes) für Bogut umstellt, sind die Warriors bekanntlich am gefährlichsten.

In den letztjährigen Finals kam er in den ersten drei Spielen 23,3 Minuten zum Einsatz, in Spiel 4 noch vier Minuten und dann gar nicht mehr. Kerr stellte direkt auf Small Ball um und sicherte so die Meisterschaft. Bogut erneut könnte ein ähnliches Schicksal blühen. Eventuell lässt Kerr ihn sogar gleich von Beginn an draußen.

Tristan Thompson: Der Kanadier ist der Mann für die Drecksarbeit bei den Cavaliers. Nicht umsonst hat LeBron sich gleich mehrfach und vehement für eine Vertragsverlängerung mit Thompson stark gemacht. Der Big Man stellt auf dem Feld keine Ansprüche, sondern erledigt einfach seinen Job und der lautet: Rebounds abgreifen und die Zone dichtmachen.

Gerade am offensiven Brett leistet er zusammen mit Love wichtige Arbeit. Dass in der Serie gegen die Raptors dort über weite Strecken ein gewisser Bismack Biyombo das Sagen hatte, ist geschenkt. Denn wie bereits erwähnt, ist zu erwarten, dass Golden State häufig klein agieren wird. Das sollte Thompson in die Karten spielen.

Fazit: Bogut wird in der Serie nicht den Wert haben, den er sonst für das Team hat. Möglicherweise werden seine Minuten erneut komplett einbrechen. Thompson dagegen hat eine klare Rolle im Team und wird diese auch in den Finals ausführen. Sollte er zu dominant unter den Brettern sein, könnte Kerr Bogut zurück in die Schlacht beordern, dennoch geht das Matchup an die Cavaliers.

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Bank: Barnes, Livingston, Barbosa vs. Shumpert, Dellavedova, Jefferson

Warriors: Es ist kein Geheimnis, dass die Second Unit der Warriors zu den stärksten der Liga gehört. Keine Bank erzielt in den Playoffs mehr Punkte. Allerdings wird die Rotation durch die wahrscheinliche Hereinnahme von Iguodala in die Starting Five etwas durcheinander gewirbelt. Zusammen mit Livingston war er der Anführer. Barnes hat bekanntlich Probleme mit der Rolle von der Bank.

Dennoch sitzen dort genug Spieler, die in ihrem Minuten die zugedachte Rolle ausfüllen können. Neben den Genannten haben auch Speights und Ezeli bewiesen, dass sie wertvoll sein können.

Cavaliers: Die Cavs vertrauen in der Regel einer 9er-Rotation, wobei die Spieler von der Bank dabei in Sachen Scoring längst nicht so produktiv sind wie ihre Kontrahenten aus der Bay Area. Dellavedova könnte dabei aber wieder einmal die Rolle der Nervensäge einnehmen und versuchen, Currys Kreise mit seiner Defense zumindest zeitweise einzudämmen. Frye gibt den Ersatz von Love, wenn dieser eine Verschnaufpause bekommt und übernimmt dessen Aufgaben 1-zu-1.

Dazu kommen die Veteranen Jefferson und Shumpert. Gerade Shumps Rolle beschränkt sich in Cleveland fast ausschließlich auf defensive Aufgaben. Auch er könnte phasenweise auf die Splash Brothers gehetzt werden.

Fazit: Die Warriors-Bank spielt eine wichtigere Rolle im System von Kerr. Allerdings könnte sie durch die eventuellen Rotationsanpassungen geschwächt werden, so dass der Vorteil nicht mehr existent wäre. Bei den Cavs sind fast ausnahmslos abgezockte Hunde auf der Bank und das ist in den Finals nie verkehrt. Das Duell der Bänke ist eher ausgeglichen.

Head Coach: Steve Kerr vs. Tyronn Lue

Steve Kerr: Auch wenn Kerr erst in seiner zweiten Saison als Head Coach ist und die ersten 41 Spiele aufgrund einer OP nicht auf der Bank saß, ist er längst kein Novize mehr. Mit seiner besonnenen Art ist er genau der richtige Coach, um das oftmals wild anmutende Warriors-Geballer in die richtige Richtung zu lenken.

Er bleibt auch in kritischen Momenten ruhig, vertraut seinem Game-Plan und schafft es zudem, auch die richtigen Anpassungen vorzunehmen, wenn ein Plan mal nicht so aufgeht. Zudem besitzt er eine ausgezeichnete Crew.

Tyronn Lue: Seine Beförderung wurde von vielen Seiten belächelt. Er galt als Marionette von LeBron, aber Lue hat es nach anfänglichen Problemen geschafft, das Team so zusammenzustellen, dass es harmonisch ist. Daran war Vorgänger David Blatt mitunter gescheitert.

Da Cleveland bislang aber nicht wirklich gefordert wurde, bleibt abzuwarten, ob Lue auch Lösungen parat hat, wenn der eingeschlagene Weg in eine Sackgasse führt. Kann er reagieren und einen Plan B präsentieren? Hat er wirklich die Zügel in der Hand?

Fazit: Kerr ist der Trainer des Jahres und Meistercoach, Lue ist der Rookie. Auch wenn der Cavs-Coach seine Sache bisher ordentlich macht, kommt er an Kerr nicht ran. Der Punkt geht wieder an die Warriors.

Prognose

Das Finals-Rematch steht unter völlig anderen Vorzeichen als im Vorjahr. Die Cavaliers reisen mit der vollen Kapelle an und haben einen Weg gefunden zu, als Team zu funktionieren. Dazu hatten sie den bedeutend einfacheren Weg durch die Playoffs und konnten sich mehrere Tage ausruhen. LeBron musste noch nie so wenig Last tragen.

Auf der anderen Seite steht eine Warriors-Mannschaft, die nach einer Rekordsaison von vielen schon als erneuter Titelträger gesehen wurde, die dann aber zwei Verletzungen von Curry wegstecken musste und gegen OKC vor dem Aus stand. Dass sie dieses Aus in absolut beeindruckender Weise abgewendet haben, spricht für ihre Klasse und auch Erfahrung, die sie mittlerweile besitzen. Das Selbstbewusstsein ist zurück.

Das Aufeinandertreffen verspricht eine ähnlich packende Serie wie die Western Finals zu werden. Auch hier wird es über 7 Spiele gehen, auch hier werden die Warriors am Ende als Sieger hervorgehen. Golden State schafft den Repeat und krönt eine historische Saison. Warriors in 7.

Die Finals in der Übersicht