Mike Brown hat in seiner Karriere mit vielen NBA-Größen zusammengearbeitet. SPOX traf den Coach in Berlin und sprach mit ihm über nächtliche Zugfahrten durch Deutschland, ein folgenschweres Praktikum in Denver und den Wasserträger-Job im Football-Team seines Sohnes. Außerdem erklärt Brown, warum LeBron James leicht zu coachen ist.
nbaSPOX: Mr. Brown, Sie haben in den letzten 20 Jahren mit so vielen Menschen zusammengearbeitet, die die NBA nachhaltig geprägt haben. Gregg Popovich, Kobe Bryant, LeBron James, Rick Carlisle, um nur einige zu nennen. Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, ein Buch zu schreiben?
Mike Brown: (lacht) Nein, habe ich nicht, aber wenn ich das machen würde, würde ich mit den ganzen Geschichten, die ich erlebt habe, sicher eine Menge Geld verdienen.
SPOX: Dann lassen Sie uns doch mal über Ihre Anfänge sprechen. Sie haben einige Zeit in Würzburg gelebt und auch dort die Highschool abgeschlossen. Warum haben Sie in Deutschland gelebt?
Brown: Mein Vater war einige Zeit in der Air Force und dort stationiert und meine Mutter war Lehrerin an einer amerikanischen Schule. Meine Eltern haben insgesamt über 25 Jahre in Deutschland verbracht.
SPOX: Ist aus dieser Zeit etwas bei Ihnen hängengeblieben?
Brown: Ja, auf jeden Fall. Ich liebe Deutschland. Das Land ist so offen und die Menschen sind freundlich. Und es ist überall sicher. Eine Geschichte erzähle ich immer gerne: Während der Highschool-Zeit wollte ich mal mit ein paar Mitschülern zu einem Basketball Camp in die Schweiz fahren. Das Camp sollte am nächsten Tag starten und meine Eltern haben uns zum Bahnhof gefahren. Wir haben dann aber den Anschlusszug verpasst und es fuhr an dem Abend kein Zug mehr.
SPOX: Und dann?
Brown: Es gab damals noch keine Handys, ich bin ja schon ein bisschen älter. Also habe ich meine Eltern von einem Münztelefon angerufen und ihnen gesagt, dass wir die Nacht auf dem Bahnhof verbringen und morgens den ersten Zug zurücknehmen werden. Sie sagten einfach nur: "Okay, kein Problem. Wir sehen uns, wenn ihr wieder da seid." Wir haben uns dann auf unsere Rucksäcke gelegt und auf Bänken geschlafen. Das wäre in den USA einfach unvorstellbar.
SPOX: Sie haben Ihre NBA-Karriere als unbezahlter Video Scout bei den Denver Nuggets begonnen. Wie sind Sie an den Job gekommen?
Brown: Ich habe an der University of San Diego gespielt und als wir unseren letzten Trip vor Saisonende hatten, bin ich zuvor ins Büro unseres Head Coaches gegangen und dort lag auf dem Tisch eine Zeitschrift mit Bernie Bickerstaff auf dem Cover, der ja bekanntlich viele Jahre Coach und General Manager in der NBA war. Ich fragte dann meinen Coach, ob er nicht jemanden in der NBA kennen würde, bei dem ich im Sommer mal reinschnuppern könnte. Und er meinte: "Ja, kein Problem, ich kenne auch Bernie." Bickerstaff war auch an der University of San Diego, aber das wusste ich zu dem Zeitpunkt nicht. Er besorgte mir auf jeden Fall ein Praktikum für den Sommer unter Bickerstaff bei den Nuggets.
spoxSPOX: Und wie ging es dann weiter?
Brown: Als der Sommer dann vorbei war, kam Bernie mit einem Scheck über 1.500 Dollar vorbei und bat mir einen Job als Videokoordinator an. Ich lehnte aber ab, weil ich erst das College beenden wollte. Er hielt mir den Job aber warm und nachdem ich fertig war, bin ich dann bei den Nuggets angefangen.
SPOX: Sie waren damals auch Teil des Teams, das 1995 Top-Seed Seattle Supersonics in der ersten Runde rauskegelten. Welche Erinnerungen haben Sie an die Serie?
Brown: Wir hatten damals einige Jungs, die über sich hinausgewachsen sind. Allen voran Robert Pack. Er hatte damals eine phänomenale Serie. Pack kam von der Bank und zeigte eine richtig gute Defensivleistung gegen Gary Payton, der damals ihr bester Spieler war. Dazu war er noch in der Lage, den Korb zu attackieren und für andere zu kreieren. Ich denke, er hat in der Serie den Unterschied ausgemacht.
Legendenserie: Gary Payton: Die Stimme in Jordans Kopf
SPOX: 2000 wurden Sie Assistant Coach unter Gregg Popovich bei den San Antonio Spurs. Wie kam das zustande?
Brown: Er hatte mich schon länger beobachtet. Er schaute sich mein Training im Sommer an und beobachte mich vor den Spielen. Wir kannten uns ein bisschen und als eine Stelle frei wurde, bewarb ich mich. Ich glaube, ich war nur seine vierte oder fünfte Wahl, aber am Ende bekam ich den Job. (lacht)
SPOX: Was ist an Coach Pop so besonders? Seine Philosophie funktioniert seit nunmehr 20 Jahren.
Brown: Jeder sagt, dass er so ein toller Coach ist und das ist er sicher auch. Er ist vielleicht der beste X-and-O-Coach und es gibt viele clevere Trainer da draußen, die beide Facetten des Spiels beherrschen. Was ihn aber meiner Meinung nach so auszeichnend, ist die Tatsache, dass er so gut wie kein anderer mit Menschen umgehen kann. Er schafft es dem 15. Spieler des Teams, das Gefühl zu geben, seinen Anteil an der Meisterschaft geliefert zu haben. Und er schafft das auch beim Hausmeister, bei der Sekretärin oder bei den Jungs im Front Office. Seine Manager-Fähigkeiten sind einfach unglaublich. Das würde nicht nur im Basketball funktionieren, sondern auch in jedem anderen Unternehmen.
nbaSPOX: Danach wechselten zu Rick Carlisle nach Indiana. Die Zeit bei den Pacers war äußerst erfolgreich, wurde aber vom "Malice at the Palace" überschattet. Wenn Sie zurückschauen, würden Sie sagen, dass Sie damals eine Chance auf den Titel gehabt hätten, wenn es diese Massenschlägerei nicht gegeben hätte in deren Folge etliche Spieler lange gesperrt wurden?
Brown: Ich denke, wir hätten in dem Jahr gewonnen. Wir hatten ein richtig tiefes Team. Detroit galt es zu schlagen und wir führten in dem besagten Spiel schließlich auch drei Minuten vor dem Ende mit 15 Punkten. Wir haben in dem Jahr eine Chance verschwendet.
SPOX: Sie wurden dann 2005 Head Coach der Cleveland Cavaliers und mischten die Liga mit Nachwuchsstar LeBron James auf. Die Cavs flogen zwar in der zweiten Playoff-Runde raus, aber LeBron brach einen Rekord nach dem anderen. War das der Punkt, an dem Sie dachten: "Dieser Junge wird die NBA dominieren?"
Brown: Das war mir eigentlich schon klar, als ich das erste Mal mit ihm arbeitete. Mir war frühzeitig klar, dass er die Chance hatte, der Größte zu werden. Er ist einer der cleversten Jungs, die ich im Basketball kennengelernt habe. Wenn du dann das Talent, die Größe, die Athletik und oben drauf noch diese Intelligenz hast, sind das die besten Voraussetzungen, um ein gefährlicher und sehr guter Spieler zu werden. IQ kannst du nicht lernen.
SPOX: Ein Jahr später waren Sie Augenzeuge einer der größten Performances in der NBA-Geschichte, als LeBron in Spiel 5 gegen die Pistons die letzten 25 Punkte für die Cavs erzielte. Was haben Sie ihm damals gesagt?
Brown: Ich habe zu ihm gar nichts gesagt, aber zu den anderen sagte ich: "Geht ihm aus dem Weg! Wenn ihr das nicht macht, nehme ich euch runter!" (lacht)
SPOX: In den Finals wurden sie dann von den Spurs gesweept. Was lief falsch?
Brown: Wir waren einfach noch nicht bereit. Wir hatte nur einen einzigen Spieler, der schon mal in den Finals stand und das war Backup-Point-Guard Eric Snow. Wir waren total unerfahren und auch nicht gerade ein tiefes Team. LeBron war unser einziger All-Star in dem Jahr und wenn man sich heutzutage die Finals anschaut, sind in jedem Team gleich mehrere All-Stars. Und wenn sie in dem Jahr kein All-Star waren, waren sie es zumindest in den Jahren zuvor. Das war bei uns nicht so. Die Jungs haben einfach über ihrem Niveau gespielt und wir hatten sicher auch ein bisschen Glück. Ich wusste, dass wir Probleme bekommen werden, als ich unsere Jungs vor dem ersten Training in San Antonio sah.
SPOX: Was ist dort passiert?
Brown: Wir fingen an uns zu dehnen und plötzlich lief einer meiner Trainer mit einer Videokamera herum. Ich fragte ihn, was er da macht und er sagte, dass die Spieler ihn gebeten hätten, alles mit der Kamera festzuhalten. Und da wusste: "Oh Gott, wir sind in Schwierigkeiten!" Die Jungs waren so aufgeregt, in den Finals zu stehen, dass sie schon filmten, bevor wir Spiel 1 gespielt hatten. Ich sagte: "Pack die Kamera weg, wir haben hier noch was zu erledigen!" Aber wir waren einfach zu unerfahren.
SPOX: Sie wurden dann 2010 gefeuert und anstatt in der Liga zu bleiben, wurden Sie Assistant Coach beim Highschool-Team Ihres Sohnes. Das ist ziemlich ungewöhnlich.
Brown: Das ist so nicht ganz richtig. Ich war nicht der Assistant Coach. Mein jüngster Sohn ist ein richtig guter Football-Spieler, er spielt jetzt auch am College. Er war damals in der siebten oder achten Klasse und fragte mich, ob ich bei seinem Football-Team helfen könnte. Ich hatte überhaupt keine Ahnung, was man als Football-Coach machen muss. Am Ende war ich eine Saison lang der Wasserträger des Teams. (lacht)
SPOX: Mr. Brown, ich weiß, das Taxi wartet, aber lassen Sie mich eine letzte Frage stellen. Sie haben LeBron und Kobe trainiert. Wer ist schwieriger zu coachen?
Brown: Ich glaube nicht, dass es eine Antwort darauf gibt. Sie sind unterschiedliche Spieler und Menschen. Manchmal ist es leichter, dem einen die eine Sache zu sagen und dem anderen die andere Sache. Das hängt immer von der Situation ab. Aber letztlich bleibt festzuhalten, dass beide höchst intelligent sind, beide wollen immer gewinnen und sie sind außergewöhnliche Spieler. Solche Jungs will ich um mich herumhaben. Sie sind einfach zu trainieren.